Von der Denkfabrik zum Exportschlager

Die nächste Fußball-Weltmeisterschaft wird 2010 in Südafrika stattfinden. Beim Gedanken an das Land am südlichsten Zipfel des schwarzen Kontinents spuken jedoch in vielen Köpfen statt Fußballjubel die Bilder von Korruption, Unterdrückung und Armut umher.

„Tatsächlich sind solche Schlagworte nicht zu leugnen“, sagt Prof. Dr. Andreas Freytag von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Trotzdem ist das Land seiner Meinung nach wirtschaftlich und auch politisch auf einem guten Weg. Zu diesem Ergebnis kam der Jenaer Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftspolitik in einer gerade verfassten Studie über die südafrikanische Zahlungsbilanz.

In einer solchen Bilanz werden alle wirtschaftlichen Transaktionen zwischen In- und Ausland aufgezeichnet. Ein Teil davon ist die Leistungsbilanz, in der Im- und Exporte von Gütern erfasst werden. „Wenn man mehr ausgibt als einnimmt, macht man Schulden – das ist in einer großen Volkswirtschaft nicht anders als bei einem jungen Studenten“, erläutert Freytag. Übertragen auf die internationalen Güterströme bedeutet das: Importiert ein Staat mehr Güter aus dem Ausland als er selbst exportiert, entsteht ein Leistungsbilanzdefizit und das Vermögen sinkt. „Diese Lücke kann nur entstehen, wenn ausländisches Kapital 'importiert' wird, oder besser gesagt, wenn Schulden gemacht beziehungsweise ein Kredit aufgenommen wird. Nur wenn dieses Kapital zudem sinnvoll investiert wird, kann der Kredit auch nachhaltig sein und möglicherweise zu einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung beitragen“, so Prof. Freytag.

Seit dem Jahr 2003 fließen kontinuierlich Kapitalströme aus dem Ausland nach Südafrika, um dort in den Auf- und Ausbau einer funktionierenden Wirtschaft investiert zu werden. „Für die Kapitalgeber bedeuten Auslandsinvestitionen stets ein höheres Risiko“, so der Jenaer Wirtschaftswissenschaftler. Dafür seien gewisse institutionelle Strukturen nötig, die den Anleger in Form bestimmter Rechte und Gesetze absichern. „Im Vergleich zum Rest Afrikas ist diese Rechtssicherheit in Südafrika durchaus gegeben“, stellt Prof. Freytag klar. Zwar müsse die südafrikanische Regierung noch viel nachbessern und besonders in Schule und Ausbildung der armen Bevölkerungsschichten investieren.

Trotzdem müsse man „den Kopf nicht in den Sand stecken“, denn das festgestellte Leistungsbilanzdefizit sei durchaus positiv zu werten. „Wenn Südafrika das ausländische Kapital weiter sinnvoll in seine Wirtschaft investiert, wird es in Zukunft mehr und hochwertigere Güter und Dienste produzieren und ins Ausland exportieren können“, so der Jenaer Experte. Damit würde das Vermögen steigen und Arbeitsplätze entstehen, was bei einer Arbeitslosenquote von etwa 25 Prozent dringend notwendig sei.

Seine Studie fertigte Prof. Andreas Freytag von der Universität Jena im Rahmen eines Bradlow-Fellowships an. „Es ehrt mich sehr, dass man mich für dieses Programm, das sowohl in den politischen als auch wirtschaftlichen Kreisen Südafrikas hoch angesehen ist, ausgewählt hat“, freut sich Freytag. Einmal im Jahr vergibt das Südafrikanische Institut für internationale Beziehungen (SAIIA) in Johannesburg ein Bradlow-Fellowship, um die Forschung über Afrika und Südafrika und deren internationale Beziehungen zu fördern. Das SAIIA ist eine Nichtregierungsorganisation, in der sich Politiker, Wissenschaftler und Unternehmer zusammengeschlossen haben, um wissenschaftlich untermauerte Konzepte und Strategien für Politik und Wirtschaft zu erarbeiten.

Im Sinne der wissenschaftlichen Politikberatung wird der Jenaer Wirtschaftsexperte Andreas Freytag seine Studie am 17. September im südafrikanischen Pretoria Vertretern aus Politik und Wirtschaft vorstellen. „Ich hoffe“, so Freytag, „dass meine Ergebnisse in die öffentliche Debatte aufgenommen und bei der Formulierung wirtschaftspolitischer Strategien einfließen werden.“

Kontakt:
Prof. Dr. Andreas Freytag
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Carl-Zeiß-Str. 3, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 943250
E-Mail: A.Sauerbier[at]wiwi.uni-jena.de

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Manuela Heberer idw

Weitere Informationen:

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