Cochlea-Implantat: Viele Formen funktionieren

Professor Dr. Dr. Andrej Kral, der das Modell eines menschlichen Innenohres zeigt. Im Hintergrund eine Nautilus-Schale, im Vordergrund Vergrößerungen verschiedener Innenohre. Foto: MHH/Kaiser

Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) hat sich zum international wichtigsten Cochlea-Implantat-Zentrum entwickelt, in dem jährlich etwa 500 Patientinnen und Patienten eine solche elektronische Hörprothese erhalten. Um den Einsatz eines Cochlea-Implantats und somit das Hören noch weiter zu verbessern, haben MHH-Forscher ein dreidimensionales Computermodell erarbeitet.

Mit diesem können Ärzte noch genauer als bisher das für den jeweiligen Patienten beste Cochlea-Implantat-Produkt finden, die sich in Länge und Form unterscheiden. Dazu sind nur vier Maße des Patienten-Innenohres notwendig, die per Computertomografie ermittelt werden können.

Das Team von Professor Dr. Dr. Andrej Kral von der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde hat das Computermodell gemeinsam mit Lukas Aguirre Dávila aus dem MHH-Institut für Biometrie erarbeitet und in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Nature Scientific Reports“ veröffentlicht.

Dieser Entwicklung liegt eine wichtige neue Erkenntnis zugrunde, die in dieser Arbeit gewonnen werden konnte. Dafür haben die Forscher die dreidimensionale Form von rund 140 menschlichen Innenohren analysiert, vor allem die der Hörschnecke – unter anderem mit Hilfe der Mikro-Computertomographie.

Dabei stellten sie fest, dass jahrzehntelange Annahmen über das Innenohr nicht stimmen: „Die Formen der Innenohre unterscheiden sich viel stärker voneinander, als bisher angenommen. Daraus folgt, dass Innenohre weder wie eine logarithmische Spirale, noch wie eine Flüstergalerie geformt sind“, sagt Professor Kral. Bei logarithmischen Spiralen verändert sich mit jeder Umdrehung um den Mittelpunkt der Abstand vom Mittelpunkt um den gleichen Faktor, wie bei der Schale des Perlbootes (Nautilus). In einer Flüstergalerie können Personen flüstern und sich dennoch über eine größere Entfernung laut und deutlich verstehen, da der Schall am den Ort fokussiert wird. „Die genaue Form des Innenohrs hängt vielmehr von dem Platz ab, den das Innenohr bei seiner Entstehung während Embryonalentwicklung hat. Vor allem Nerven, die vorher entstehen, bestimmen, wie eng sich die Ohrschnecke aufrollen muss“, führt Professor Kral aus.

Die Daten der MHH-Forscher belegen zudem, dass es für die Bildung von Theorien wichtig ist, individuelle Variationen der Form zu analysieren. „Die Mittelwerte oder einzelne Beispiele können scheinbar eine Theorie sehr gut stützen, die individuelle Variation kann sie aber trotzdem widerlegen. Man kann aus der Form nicht automatisch auf die Funktion schließen – vor allem, wenn nur einzelne Form-Beispiele vorhanden sind wie bei ausgestorbenen Arten“, erklärt Professor Kral.

Weitere Informationen erhalten Sie bei Professor Dr. Dr. Andrej Kral, MHH-Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Telefon (0511) 532-7272, kral.andrej@mh-hannover.de.

Die Originalpublikation finden Sie im Internet unter folgendem Link: http://rdcu.be/uPUG

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Stefan Zorn idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

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