Betablocker senken das Darmkrebsrisiko nicht

Nach den derzeit geltenden Grenzwerten* haben 35 Millionen Deutsche einen zu hohen Blutdruck. Viele Hochdruckpatienten sind über Jahrzehnte auf blutdrucksenkende Mittel angewiesen. Hierzu zählen unter anderem die Betablocker, die gegen Bluthochdruck und bei Herzerkrankungen millionenfach verordnet werden. Allein die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland erstatten pro Jahr 2255 Millionen Tagesdosen dieser Wirkstoffe.

Einige Forscher postulieren, dass Betablocker das Krebsrisiko senken könnten. Diese Theorie stammt aus Laborversuchen, die zeigen, dass das Stresshormon Noradrenalin Wachstum und Verbreitung von Krebszellen fördert. Betablocker hemmen die Wirkung dieses Signalmoleküls. „Bei einem so verbreiteten Arzneimittel ist es wichtig, mögliche Einflüsse auch auf das Krebsrisiken genau zu erforschen“, sagt Dr. Michael Hoffmeister aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum. „Auch kleine Risikoveränderungen durch diese Substanzen hätten eine große Auswirkung auf die öffentliche Gesundheit.“

Im Rahmen der „DACHS-Studie“ suchten Hoffmeister und Kollegen sorgfältig nach Beweisen für einen solchen Zusammenhang. Zwischen 2003 und 2007 interviewten sie in der Rhein-Neckar-Odenwald-Region 1762 Darmkrebspatienten und 1708 Menschen, die nicht an Krebs erkrankt waren. Die Forscher erfragten das Präparat und die Dauer der Einnahme, erkundigten sich nach medizinischen Hintergründen, nach Übergewicht und erfassten Lebensstilfaktoren wie Alkohol- und Zigarettenkonsum.

Sie fanden keinerlei Hinweise dafür, dass Betablocker das Darmkrebsrisiko senken, auch nicht bei langjähriger Einnahme. Auch für einzelne Präparate der Medikamentenklasse ließ sich keine Risikoreduktion nachweisen, ebenso wenig fanden die Forscher Zusammenhänge mit Tumoren in einzelnen anatomischen Abschnitten des Darms.

Setzten die Forscher die Stadienverteilung der Tumoren mit der Einnahme der Blutdrucksenker in Beziehung, fanden sie zwar eine Risikosteigerung für fortgeschrittene Tumoren (Stadium IV). Allerdings müsse dieses Ergebnis erst durch weitere Untersuchungen bestätigt werden, da die Fallzahlen für diese Tumorstadien gering waren.

„Eine Stärke unserer Studie liegt darin, dass wir sorgfältig alle möglichen Störfaktoren abgefragt und die Ergebnisse entsprechend bereinigt haben“, erklärt Michael Hoffmeister. Der Forscher schildert die Fallstricke, die zu scheinbaren Zusammenhängen führen können: „Die Teilnahme an der Darmkrebsvorsorge senkt beispielsweise das Risiko für einen fortgeschrittenen Tumor, da mögliche Krebs-Vorstufen bei der Untersuchung direkt entfernt werden. Und Hypertoniker gehen vielleicht einfach öfter zum Arzt, der sie auf die Krebsvorsorge aufmerksam macht.“

*Nach Angaben der Deutschen Hochdruckliga wird ab einem Wert von 140 / 90 mm Hg von Hypertonie gesprochen.

Lina Jansen; Janina Below; Jenny Chang-Claude; Hermann Brenner und Michael Hoffmeister Beta Blocker Use and Colorectal Cancer Risk – Population-Based Case-Control Study. Cancer 2012, DOI: 10.1002/cncr.26727

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Ansätze, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Das Zentrum wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.

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Dr. Stefanie Seltmann idw

Weitere Informationen:

http://www.dkfz.de/

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