Angina pectoris – hilft zusätzliche Gefäßerweiterung?

Bei der stabilen AP verschwinden diese Schmerzen in Ruhe oder durch Medikamente wie Nitroglycerin. Wissenschaftler haben jetzt die Wirksamkeit von Erweiterungen der Herzkranzgefäße durch sogenannte perkutane Koronarinterventionen (PKI) als Ergänzung zur optimalen Medikamentengabe untersucht: PKI verringern demnach bis zu drei Jahre lang den Anteil von Patienten mit AP-Anfällen. Allerdings sei die Aussagekraft der den Ergebnissen zugrundeliegenden Studien eingeschränkt. Der Empfehlungsgrad für ergänzende PKI könne demnach nur schwach sein.

PKI zählen neben Medikamenten zu den wichtigsten Behandlungsmethoden der AP: Dabei werden die Herzkranzgefäße durch spezielle Ballons erweitert, mit oder ohne Einsatz von Gefäßstützen (Stents). Jetzt wurde der Zusatznutzen der PKI gegenüber alleiniger optimaler medikamentöser Therapie auf Basis einer systematischen Literatursuche untersucht. Ihre Ergebnisse fassen die Autoren in einem HTA-Bericht zusammen (Health Technology Assessment, systematische Bewertung gesundheitsrelevanter Verfahren und Technologien). Den vollständigen Bericht finden Sie kostenfrei beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI).

Ergebnisse des HTA-Berichts
Der Fokus des Berichts liegt auf der klinischen Wirksamkeit und der Kostenwirksamkeit der zusätzlichen PKI gegenüber alleiniger optimaler medikamentöser Therapie bei Patienten mit stabiler AP. Über eine systematische Literatursuche identifizieren die Autoren wichtige Publikationen, die je nach Aktualität und Qualität in ihre Bewertung eingehen. Für die gesundheitsökonomische Bewertung führen sie zudem eigene Berechnungen durch.

Die für den Bericht herangezogenen Studien zeigen laut Autoren methodische Schwächen, wodurch die Aussagekraft der Ergebnisse eingeschränkt ist. Ein Problem sei beispielsweise das Wissen der Patienten um die Behandlungsform, was ihre Schmerzwahrnehmung beeinflusst. Auch fehlten Daten für mehrere Patienten in der Nachuntersuchungszeit. Zudem kamen in den Studien Medikamente-freisetzende Stents zu selten zum Einsatz, um aussagekräftige Daten zu erhalten. Dennoch können die Autoren aus medizinischer Sicht die routinemäßige zusätzliche PKI mit schwachem Empfehlungsgrad befürworten: Im Vergleich zur alleinigen optimalen medikamentösen Therapie zeigen sich bis zu drei Jahre lang weniger Patienten mit AP-Anfällen, lautet ihr Fazit. Dieser Effekt sei jedoch nach fünf Jahren nicht mehr sichtbar. Auch finden die Autoren in Bezug auf Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall nach 4 bis 5 Jahren keinen Unterschied zwischen den beiden Behandlungsmethoden.

Unter Einbeziehung der Kostenaspekte können die Autoren die routinemäßige zusätzliche PKI allerdings nicht empfehlen. Die ermittelten zusätzlichen Kosten pro Lebensjahr eines Patienten mit vermiedenen AP-Anfällen sind anhand der publizierten Schätzungsgrößen zu hoch.

Angina pectoris: Hintergrund
Sind die Herzkranzgefäße so stark verengt, dass der Herzmuskel bei Belastung zu wenig Sauerstoff erhält, führt dies oft zu Schmerzen und Engegefühl im Brustkorb (Angina pectoris). Die AP wird als stabil bezeichnet, wenn der Schmerz immer weitgehend gleich ist und Sofortmaßnahmen wie körperliche Ruhe oder Medikamente helfen. Das Auftreten einer AP hängt von mehreren Faktoren wie Länge und Anzahl der Stenosen ab. Die AP gilt als typisches Zeichen der chronischen koronaren Herzkrankheit (KHK): Der Verschluss der Herzkranzgefäße mit Absterben von Herzmuskelzellen (Herzinfarkt) bei KHK ist eine der häufigsten Todesursachen in Industrienationen und verursacht dem Gesundheitssystem hohe Kosten.

Perkutane Koronarintervention zusätzlich zur optimalen medikamentösen Therapie bei stabiler Angina Pectoris (Vitali Gorenoi, Matthias P. Schönermark, Anja Hagen HTA-Berichte bei DAHTA)

Die HTA-Berichte sind in der DAHTA-Datenbank beim DIMDI bzw. im HTA-Journal bei German Medical Science (GMS) kostenfrei als Volltext abrufbar. Für die Inhalte der HTA-Berichte sind die genannten Autoren verantwortlich. Alle durch die DAHTA beauftragten Berichte werden in einem standardisierten, anonymisierten Verfahren erstellt, um die Unabhängigkeit der Autoren zu gewährleisten.

Das DIMDI stellt über das Internet hochwertige Informationen für alle Bereiche des Gesundheitswesens zur Verfügung. Es entwickelt und betreibt datenbankgestützte Informationssysteme für Arzneimittel und Medizinprodukte und verantwortet ein Programm zur Bewertung gesundheitsrelevanter Verfahren und Technologien (Health Technology Assessment, HTA). Das DIMDI ist Herausgeber amtlicher medizinischer Klassifikationen wie ICD-10-GM und OPS und pflegt medizinische Terminologien, Thesauri, Nomenklaturen und Kataloge (z. B. MeSH, UMDNS, Alpha-ID, LOINC, OID), die für die Gesundheitstelematik von Bedeutung sind. Das DIMDI ermöglicht den Online-Zugriff auf seine Informationssysteme und über 60 Datenbanken aus der gesamten Medizin. Dafür entwickelt und pflegt es moderne Software-Anwendungen und betreibt ein eigenes Rechenzentrum.

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Sven Borowski idw

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