Der Agrarstrukturwandel als Herausforderung für eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft

Kein Widerspruch: Ökonomie und Ökologie

Der Trend zur Intensivierung der Landbewirtschaftung und einer zunehmenden Spezialisierung der Betriebe verläuft weiter ungebrochen. Wie lässt sich diese Entwicklung mit Hilfe einer zielgerichteten Agrar-Förderpolitik und mit Marktanreizinstrumenten ökologisch nachhaltig gestalteten, ohne mit der Ökonomie im Widerspruch zu stehen?

Diese Frage diskutiert die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), Prof. Beate Jessel, heute anlässlich des Hohebucher Agrargespräches zu Agrarpolitik und Agrarstrukturwandel gemeinsam mit Fachleuten des Deutschen Bauernver-bandes, des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMELV) und der TU München-Weihenstephan.

Die derzeitige Agrar-Politik und die Förderung von Erneuerbaren Energien, verstärkt den Trend zur Intensivierung in der Landwirtschaft. Eine Folge ist, dass die Umwandlung von Grünland zu Acker begünstigt wird, mit negativen Folgen für Artenvielfalt und Bodenfruchtbarkeit. Außerdem trägt Grünlandumbruch in erheblichem Maß zur Freisetzung von Treibhausgasen und damit zum Klimawandel bei. Alarmierend ist auch, dass mittlerweile die meisten Vögel der offenen Agrarlandschaft als gefährdet eingestuft werden und auf der Roten Liste stehen. Diese Entwicklungen stehen den nationalen und internationalen Zielen zum Erhalt der Biodiversität, zum Klima- und Boden- und Gewässerschutz entgegen.

Daher müssen Maßnahmen ergriffen und vorhandene Instrumente gestärkt werden, die den negativen ökologischen Folgen des Agrarstrukturwandels entgegenwirken. „Wir müssen uns im Rahmen der Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik weg bewegen von der bisherigen weitgehend undifferenziert an der Fläche ansetzenden Subventionierung der Landwirtschaft. Vielmehr geht es darum, gezielt ökologische Leistungen, die eine nachhaltig und naturgerecht betriebene Landbewirtschaftung für die Gesellschaft erbringt, zu honorieren bzw. dafür entsprechende Anreizsysteme zu implementieren. Die Agrarförderung sollte sich dabei vorrangig an den Zielen des Natur-, Klima- und Gewässerschutzes orientieren“, forderte BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel. „Dabei ist zu berücksichtigen, dass die verschiedenen Förderpolitiken stärker aufeinander abgestimmt werden müssen, um umweltschädliche Subventionen zu vermeiden und Synergieeffekte zu erzielen.“

Das BfN fordert von der Agrarpolitik insbesondere die verpflichtende Bereitstellung von ökologischen Vorrangflächen als wichtige Rückzugsräume für Flora und Fauna in agrarisch genutzten Landschaften, die Einrichtung von Pufferzonen entlang von Gewässern sowie konkretere Regelungen für eine flächengebundene Tierhaltung, die Düngung und den Pflanzenschutz. Für dringend notwendig gehalten wird zudem eine effektivere Regelung zum Erhalt von ökologisch wertvollem Dauergrünland.

Prof. Beate Jessel setzte sich darüber hinaus für den Aufbau ökologischer Märkte ein, der durch geeignete Rahmenbedingungen und Anreize unterstützt werden sollte. „Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein Beispiel, wie mit der Einführung des Landschaftspflegebonus ein erster Anreiz für eine sinnvolle energetische Verwertung von Landschaftspflegematerial gesetzt worden ist.“, so die BfN-Präsidentin.

Auch das Potenzial des Konsumenten für eine Ökologisierung der Landwirtschaft ist längst noch nicht ausgeschöpft. Regionale Produkte – häufig verbunden mit Zusatzkriterien für die Erhaltung einer artenreichen Kulturlandschaft – sind seit Jahren auf dem Wachstumspfad. Auch große Discounter steigen zunehmend in den Markt für Biodiversität ein. Darüber hinaus existiert seit einigen Jahren im Bereich des Trinkwasserschutzes schon ein etabliertes System der Honorierung von Ökosystemdienstleistungen mit dem Ziel, die Trinkwasserressourcen vor Einträgen aus der landwirtschaftlichen Bodennutzung zu schützen. „Nur mit staatlicher Unterstützung und Koordinierung können sich solche ökologischen Märkte weiter herausbilden und zunehmend etablieren“ sagte Professor Beate Jessel.

Ökonomie und Ökologie stehen somit nicht im Widerspruch. Im Gegenteil: gesicherte Einkommen für Landwirte aus der Honorierung und In-Wertsetzung ökologischer Leistungen mindern den Wettbewerbsdruck, schaffen größere Unabhängigkeit vom Weltmarkt, erhalten Arbeitsplätze und sichern den Erhalt der Landwirtschaft auf Marginalstandorten, wo dies im Sinne des Naturschutzes erwünscht ist.. Dies trägt zu einem nachhaltigen Strukturwandel bei. Wenn die oben genannten Instrumente zielgerichtet ausgebaut werden, besteht die Chance, die Multifunktionalität der Landwirtschaft zu stärken und die Sicherung wichtiger Ökosystemleistungen zu gewährleisten.

Hinweis:
Die UNO hat 2010 zum Internationalen Jahr der Biodiversität erklärt. Damit bieten sich allen Akteuren in Bund, Ländern, Gemeinden, Wirtschaft, NGOs, Wissenschaft und anderen Interessierten die Gelegenheit, während einer Phase erhöhter Aufmerksamkeit mit den Stakeholdern in einen Dialog über Biodiversität zu treten.

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Franz August Emde idw

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