IMK berechnet Folgen – Deflationsgefahr könnte Deutschlands Wachstum spürbar bremsen

Das IMK erwartet für 2014 und 2015 eine solide Konjunktur – warnt aber zugleich vor Risiken. Besonders die Entwicklung des Preisniveaus macht den Forschern Sorge: Zurzeit werde sowohl in Deutschland als auch im Euroraum die Preisstabilität nach unten verletzt.

Mit 0,9 Prozent lag der Anstieg der deutschen Verbraucherpreise im März 2014 deutlich unter der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank von 1,9 Prozent. Im Euroraum insgesamt stiegen die Preise nur um 0,5 Prozent, in Griechenland, Spanien, Portugal und Zypern sanken sie. Es bestehe die „nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit“, dass die Inflation auf geringem Niveau verharrt oder der Euroraum in eine Deflation abgleitet, warnt das IMK in seiner aktuellen Konjunkturprognose vom April*.

Denn die derzeit niedrigen Inflationsraten seien nicht Folge eines vorübergehenden Schocks, sondern von unausgelasteten Produktionskapazitäten und hoher Arbeitslosigkeit. Politisch gewollter Druck auf die Löhne in Krisenstaaten schüre zusätzlich deflationäre Tendenzen.

Sollte es tatsächlich zu einem Rückgang des Preisniveaus kommen, wäre das verhängnisvoll: Fallende Preise setzen Anreize, Konsum und Investitionsvorhaben in die Zukunft zu verschieben, schreiben die Ökonomen. Außerdem würde die reale Schuldenlast steigen, was insbesondere in Krisenländern private und staatliche Schuldner überfordern könnte.

Das Wirtschaftswachstum würde aber nicht erst unter einer voll ausgeprägten Deflation leiden, sondern bereits unter einer längerfristig sehr geringen Inflation, betont das IMK. Wie stark ein Rückgang der langfristigen Inflationserwartungen zu Buche schlagen würde, haben die Wissenschaftler durchgerechnet. Derzeit liegt der langfristig erwartete Anstieg der Verbraucherpreise im Euroraum laut Europäischer Zentralbank noch bei 1,9 Prozent. Im Szenario des IMK geht es um einen Prozentpunkt auf 0,9 Prozent zurück.

Die Folge: Das Wachstum des deutschen Bruttoinlandsprodukts würde sich im Jahr 2014 von 1,6 auf 1,2 Prozent und im Jahr 2015 von 2,4 auf 1,9 Prozent verlangsamen, weil die höheren Realzinsen Unternehmensinvestitionen verteuern. In den Euroländern insgesamt wäre 2014 nur noch mit 0,5 statt mit 1 Prozent und 2015 mit 0,9 statt mit 1,7 Prozent Wachstum zu rechnen.

Die sachte Erholung im Euroraum würde also erheblich gebremst. Dabei sind in der Modellsimulation noch nicht alle negativen Effekte berücksichtigt, so dass der Rückgang der wirtschaftlichen Dynamik tatsächlich eher stärker ausfallen dürfte, schreiben die IMK-Forscher. So seien die Folgen der höheren realen Schuldenlast von privaten Haushalten und Unternehmen im verwendeten Modell noch nicht berücksichtigt.

Um den Risiken entgegenzusteuern, empfehlen die Wissenschaftler gezielte Anleiheaufkäufe des Eurosystems in den Krisenländern. Dabei sollten neben Staatsanleihen auch Papiere von kleinen und mittleren Unternehmen berücksichtigt werden, um deren Finanzierungsbedingungen zu verbessern. Zudem plädiert das IMK dafür, in wirtschaftlich stärkeren Euroländern die öffentlichen Investitionen zu erhöhen. Das sei insbesondere in Deutschland auch unerlässlich, um die Infrastruktur zukunftsfest zu machen.

Kontakt in der Hans-Böckler-Stiftung

Prof. Dr. Gustav A. Horn
Wissenschaftlicher Direktor IMK
Tel.: 0211-7778-331
E-Mail: Gustav-Horn@boeckler.de

Dr. Silke Tober
IMK, Expertin für Geldpolitik
Tel.: 0211-7778-336
E-Mail: Silke-Tober@boeckler.de

Dr. Ansgar Rannenberg
IMK, internationale Konjunkturanalyse
Tel.: 0211-7778-113
E-Mail: Ansgar-Rannenberg@boeckler.de

Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Tel.: 0211-7778-150
E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de

http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_91_2014.pdf – * Quelle: IMK Arbeitskreis Konjunktur: Deutschland im Aufschwung – Risiken bleiben, IMK Report Nr. 91, April 2014
http://www.boeckler.de/hbs_showpicture.htm?id=47067&chunk=1 – Infografik zum Download im neuen Böckler Impuls 9/2014

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Rainer Jung idw - Informationsdienst Wissenschaft

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