Deutsche Konjunktur bleibt aufwärtsgerichtet

Die deutsche Konjunktur blieb in der ersten Hälfte dieses Jahres aufwärts gerichtet. Getragen wurde die Expansion weiterhin von den privaten Konsumausgaben, die allerdings im Zeitverlauf an Schubkraft verloren.

Zuletzt trug auch der Außenbeitrag nach zwei negativen Quartalen wieder deutlich zur Expansion bei, wohl vor allem wegen der anziehenden Konjunktur im Euro-Raum und der Abwertung des Euro. Allerdings lassen die Auftragseingänge für die kommenden Monate erwarten, dass die Ausfuhren sich wenig dynamisch entwickeln werden. Insbesondere die Bestellungen aus Ländern außerhalb des Euro-Raums sind zuletzt spürbar eingebrochen.

Ungeachtet dessen dürfte die deutsche Konjunktur im Prognosezeitraum aufwärtsgerichtet bleiben. Die gute Lage am Arbeitsmarkt beschert den privaten Haushalten Einkommenszuwächse, die durch höhere staatliche Transfers verstärkt werden. Dadurch dürften die Privaten Konsumausgaben und die Investitionen in Wohneigentum spürbar ausgeweitet werden.

Dazu tragen auch die niedrigen Zinsen bei. Bei den Unternehmensinvestitionen sind ebenfalls kräftigere Zuwächse zu erwarten. Allerdings wird die Investitionsdynamik voraussichtlich deutlich schwächer als in früheren Aufschwungphasen sein. Der Export dürfte von gegenläufigen Tendenzen geprägt sein – der Konjunkturbelebung im Euro-Raum einerseits, der langsameren Expansion in den Schwellenländern andererseits.

Alles in allem erwartet das RWI für dieses und nächstes Jahr eine Zunahme des BIP um jeweils 1,8%. Das Expansionstempo dürfte im Verlauf des Prognosezeitraums etwas zurückgehen, weil die stimulierenden Wirkungen sinkender Rohölpreise auf die Kaufkraft auslaufen. Die Inflationsrate wird voraussichtlich 0,4% in diesem und 1,4% im kommenden Jahr betragen.

Geringeres Plus im Staatshaushalt durch Mehrausgaben für Flüchtlinge

Die Lage am Arbeitsmarkt wird sich voraussichtlich weiter verbessern, allerdings langsamer als in den vergangenen Jahren. Bremsend auf die Zahl der Erwerbstätigen wirkt allem Anschein nach die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Sie ließ zum Jahresanfang 2015 die geringfügige Beschäftigung zurückgehen. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat demgegenüber deutlich zugenommen, was nahelegt, dass zum Teil Minijobs in sozialversicherungspflichtige Stellen umgewandelt wurden.

Auf Dauer dürften sich aber die durch den Mindestlohn in einigen Segmenten des Arbeitsmarktes kräftig gestiegenen Arbeitskosten negativ auf die Beschäftigung auswirken. Auf die Arbeitslosigkeit schlägt der Beschäftigungsaufbau weiterhin nur unterproportional durch. Im kommenden Jahr wird zudem der derzeit hohe Zustrom von Asylsuchenden und Flüchtlingen nach und nach am Arbeitsmarkt ankommen.

Dies kann einerseits dazu beitragen, dass offene Stellen, deren Zahl bis zuletzt kräftig zunahm, rascher besetzt werden. Andererseits wird sich wohl die registrierte Arbeitslosigkeit erhöhen. Das RWI erwartet daher für dieses und das kommende Jahr eine Arbeitslosenquote von 6,4%.

Der Staatshaushalt wies 2014 einen Überschuss von 8,9 Mrd. Euro auf, was 0,3% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt entspricht. In diesem Jahr dürfte eine höhere Überschussquote von 0,6% erzielt werden. Für das kommende Jahr ist ein geringerer Überschuss von 0,3% in Relation zum Bruttoinlandsprodukt zu erwarten. Zum einen ist die Finanzpolitik etwas expansiver ausgerichtet, zum anderen führt der derzeit hohe Zustrom an Asylsuchenden und Flüchtlingen zu Mehrausgaben des Staates.

Risiken drohen der deutschen Wirtschaft vor allem aus dem internationalen Umfeld. Die in den vergangen Jahren schwächere Expansion des internationalen Warenaustauschs scheint kein konjunkturelles Phänomen zu sein, sondern lässt auf eine dauerhafte Veränderung der Relation von Welthandel zu Weltproduktion schließen. Für eine exportorientierte Wirtschaft wie die deutsche birgt dies die Gefahr, dass es zu strukturellen Anpassungsreaktionen kommt, die nicht ohne Reibungsverluste verlaufen dürften.

Weltwirtschaft: Chinas Schwächeln belastet den internationalen Handel

Die Weltwirtschaft ist auch in diesem Sommer nicht in Fahrt gekommen. Stattdessen haben zunehmende strukturelle Probleme in den Schwellenländern deren Wachstum deutlich verlangsamt und belasten die internationale Konjunktur. Vor allem in China mehren sich – trotz massiver wirtschaftspolitischer Stützungsmaßnahmen – die Anzeichen einer erneuten Verlangsamung der gesamtwirtschaftlichen Expansion. Die sich abschwächende Nachfrage aus China belastete den internationalen Handel und traf insbesondere die rohstoffexportierenden Schwellenländer.

Sie war allerdings auch in den exportorientierten fortgeschrittenen Volkswirtschaften, wie Deutschland und Japan, zu spüren. Daneben ist das schwache Wachstum der weltwirtschaftlichen Produktion im ersten Halbjahr auf Sonderfaktoren zurückzuführen, z.B. auf witterungs- und streikbedingte Behinderungen in den USA. Dort nahm im Verlauf des ersten Halbjahres die Produktion aber wieder rascher zu. Im Euro-Raum setzt sich die konjunkturelle Erholung trotz der wieder gestiegenen Unsicherheit über den weiteren Reformkurs in Griechenland fort.

Die internationale Konjunktur dürfte in den kommenden Monaten eher schwach bleiben. Darauf deuten mehrere Indikatoren hin. So lässt der RWI/ISL-Containerumschlagindex keine durchgreifende Besserung des Welthandels im Juli erwarten. Erste Indikatoren für das dritte Quartal in China sprechen zudem für einen erneuten Rückgang des Expansionstempos. Etwas stärkere Impulse für die Weltwirtschaft sind dagegen von den fortgeschrittenen Volkswirtschaften zu erwarten. Trotz der bevorstehenden Zinswende dürfte die Konjunktur in den USA aufwärts gerichtet bleiben. Im Euro-Raum dürfte sich die Erholung fortsetzen. In Japan ist mit der Rückkehr zu einem moderaten Wachstum zu rechnen, nachdem die Produktion im zweiten Quartal zurückgegangen war. Insgesamt dürfte die weltwirtschaftliche Produktion (gewichtet mit Kaufkraftparitäten) in diesem Jahr um 3,0% und im kommenden Jahr um 3,3% expandieren.

Schwache Weltkonjunktur in risikoreichem Umfeld

Die schwache Weltkonjunktur bleibt anfällig für Schocks, wobei im gegenwärtigen Umfeld die Risiken überwiegen dürften. Vor allem ist nach wie vor nicht sicher, ob China der graduelle Übergang zu einem binnenwirtschaftlich, vor allem vom Konsum getragenem Wachstum gelingt. Die jüngsten Turbulenzen an den Aktienmärkten belegen zudem eindrücklich die Gefahren, die mit einer Zinswende nach einer langen Phase ungewöhnlich tiefer Zinsen verbunden sein können, etwa aufgrund massiver Kapitalabflüsse aus den Schwellenländern mit den entsprechenden Wechselkursreaktionen. Im Euro-Raum besteht durch die bevorstehenden Neuwahlen in Griechenland das Risiko, dass die kürzlich mit dem dritten Hilfspakt verbundenen Vereinbarungen durch die neue Regierung wieder in Frage gestellt werden.

(veröffentlicht in „RWI Konjunkturberichte“, Heft 3/2015)

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