Chemie: Keine Alternative zur Globalisierung

RWI-Studie: Beschäftigungsbilanz der Direktinvestitionen im Ausland fällt in der chemischen Industrie auch für die Arbeitsplätze in Deutschland positiv aus

Zur Globalisierung gibt es für die deutsche Chemie keine Alternative. Von den Direktinvestitionen im Ausland profitiert nicht nur der Umsatz der Unternehmen, auch die Bilanz für die Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland fällt positiv aus. Die Internationalisierung der Branche stimuliert den Export so stark, dass – trotz zusätzlicher Produktionsstandorte im Ausland – die Unternehmen bei der Aufrechnung von Arbeitsplatzgewinnen und -verlusten schwarze Zahlen für die Beschäftigung am deutschen Standort schreiben. Ohne das strategische Engagement im Ausland wäre der absolute Beschäftigungsrückgang der Branche in Deutschland in den 90er Jahren, der im wesentlichen auf die erheblichen Produktivitätsfortschritte zurückzuführen ist, deutlich höher ausgefallen.

Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), das der Verband der Chemischen Industrie (VCI), die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und die Hans-Böckler Stiftung gemeinsam in Auftrag gegeben haben. Das RWI schätzt, dass von 1995 bis 1999 rund 70.000 Arbeitsplätze in der deutschen Chemie durch die Globalisierung geschaffen oder gesichert wurden.

Die Essener Wirtschaftsforscher untersuchten gezielt Motive und Ziele für ein Engagement der Chemieunternehmen im Ausland und analysierten die Auswirkungen auf die deutsche Branche. Dazu wertete das RWI Daten von 26 Firmen aus der eigenen Unternehmensdatenbank „Globalisierung“ aus, die in den 90er Jahren insgesamt rund 20 Prozent der Weltchemieproduktion auf sich vereinigten, und befragte zusätzlich Arbeitnehmervertreter.

Die Unternehmen der chemischen Industrie sind so intensiv in die internationale Arbeitsteilung eingebunden wie kaum eine andere Branche der deutschen Wirtschaft. Dies zeigt ein Blick auf den Außenhandel: Die Exporte machten 1999 über zwei Drittel des Chemieumsatzes aus. Diese Quote ist etwa doppelt so hoch wie im Produzierenden Gewerbe insgesamt. 1980 lag die Exportquote der deutschen Chemie noch bei 44 Prozent. Auch das unternehmerische Engagement im Ausland in Form von Direktinvestitionen ist stärker ausgeprägt als in anderen Sektoren: Das RWI ermittelte, beruhend auf Angaben der Deutschen Bundesbank, dass 1999 exakt 11 Prozent des Bestandes aller deutschen Direktinvestitionen im Ausland auf die chemische Industrie entfielen. Dies entsprach gut 87 Milliarden Mark (44,5 Mrd. Euro). Fast 10 Prozent betrug der Anteil der Chemie, was die im Ausland Beschäftigten betrifft. In absoluten Zahlen waren dies rund 395.000 Personen. Zum Vergleich: Im Inland bot die Branche 1999 gut 478.000 Menschen Arbeit.

In der deutschen Wirtschaft gehört die chemische Industrie zu den Vorreitern der Globalisierung. Mitte der siebziger Jahre betrug ihr Anteil am Wert der deutschen Direktinvestments im Ausland gut 18 Prozent – und das, obwohl sie nach dem Zweiten Weltkrieg viele ihrer schon damals zahlreichen Auslandsbeteiligungen abgeben musste. Bis 1990 ging der Anteil nur geringfügig zurück (15,9 Prozent). Zwar wuchsen in dieser Periode die Auslandsbeteiligungen im absolutem Maßstab kräftig, aber andere Branchen – allen voran der Dienstleistungssektor – verzeichneten deutlich höhere Steigerungen. Dieser Trend hat sich bis Ende der 90er Jahre weiter verstärkt.

Regionale Verteilung und Motive

Charakteristisch für die deutsche Chemie ist es, dass sich ihre Direktinvestitionen stark auf die Industriestaaten konzentrieren. Mehr als 80 Prozent des Bestandes sind dort anzutreffen. Ihre regionale Struktur hat sich im Verlauf der 90er Jahre aber merklich gewandelt: An Bedeutung verloren haben die Länder der Europäischen Union (1990: 41 Prozent; 1999: 26 Prozent). Anteile gewonnen haben vor allem die USA, auf die 1999 allein fast die Hälfte der Auslandsbeteiligungen (45 Prozent) entfielen. Hier spielen aber auch Währungsrelationen eine Rolle. Die Reformländer Mittel- und Osteuropas schlagen mit gut 10 Prozent zu Buche. Generell ist die deutsche Chemie in den USA, Japan und Kanada stärker vertreten als andere Industriebranchen. Daraus schließt das RWI, dass das Absatzmotiv dominiert. Entscheidend für den Umfang der Direktinvestitionen ist offensichtlich die Marktgröße eines Landes, gemessen an seiner Kaufkraft.

Das RWI stellt in seiner Studie außerdem fest, dass Direktinvestitionen gegenüber anderen Formen des Auslandsengagements – wie etwa Export oder Lizenzvergabe – erhebliche Vorteile für die Chemie aufweisen, weil sich die Branche durch hohe Technologieintensität auszeichne und hohe Anforderungen an die Qualität der Produkte sowie an die Sicherheits- und Umweltstandards stelle. Wörtlich heißt es in der Studie: „Durch sie haben Unternehmen weitaus bessere Möglichkeiten, den gesamten Produktions- und Distributionsweg ihres Produkts und mithin die Einhaltung von Standards zu kontrollieren. Hinzu kommt, dass bei einer Internationalisierung durch Direktinvestitionen auch das Risiko geringer ist, Know-how an Konkurrenten zu verlieren.“

Wenig überrascht das Ergebnis, dass – ähnlich wie im Verarbeitenden Gewerbe insgesamt – auch in der chemischen Industrie die Größe des investierenden Unternehmens der wichtigste Faktor für den Umfang des Auslandsengagements darstellt. Forschungsintensive Unternehmen tätigen dabei in höherem Umfang Direktinvestitionen als Firmen mit geringer Forschungsintensität.
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