Richtige Makropolitik entscheidend für Überwindung von Konjunkturkrisen

Nach dem weltweiten Konjunktureinbruch 2000 und 2001 konnten sich sowohl das liberal geprägte Großbritannien als auch der nordische Wohlfahrtsstaat Schweden viel schneller erholen als Deutschland.

Wesentlicher Grund: Beide Länder verfolgten einen expansiven Mix aus Geld-, Lohn- und Finanzpolitik. Zu diesem Schluss kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung in einer neuen Studie. Die Untersuchung liefere starke Indizien dafür, dass die richtige makroökonomische Politik und „nicht die Arbeitsmarkt- und Sozialstaatsinstitutionen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung die entscheidenden Faktoren sind“, so die IMK-Experten PD Dr. Eckhard Hein und Dr. Achim Truger.

Die Forscher verglichen die Eckdaten der vergangenen zehn Jahre. Schweden und Großbritannien haben deutlich höhere Wachstumsraten und eine geringere Arbeitslosigkeit bei ähnlich niedrigen Inflationsraten wie Deutschland. „Dies ist deshalb erstaunlich, weil die beiden Volkswirtschaften grundsätzlich verschiedene Modelle verkörpern“, schreiben die Ökonomen: Großbritannien verfolgt ein Modell der liberalen Markwirtschaft. Dazu gehören etwa flexible Arbeitsmärkte und hohe Einkommensungleichheit. Schweden repräsentiert dagegen das nordische Wohlfahrtsstaatsmodell mit hohem gewerkschaftlichen Organisationsgrad und koordinierten Lohnverhandlungen. Unabhängig von diesen Unterschieden agierten Briten und Schweden auf anderen wesentlichen Feldern der Wirtschaftspolitik jedoch ähnlich, zeigt die Analyse, die am heutigen Mittwoch als IMK Report erscheint:

Nach der Konjunkturflaute 2000/2001 war die Geldpolitik in Großbritannien und Schweden sehr viel angemessener als in Deutschland, das seine geldpolitische Autonomie an die Europäische Zentralbank (EZB) abgegeben hat. Die Bank of England senkte rasch die Zinssätze. Die schwedische Reichsbank begann zwar erst 2003 die Leitzinsen deutlich zu senken – vorher wäre dies aber auch gar nicht notwendig gewesen, da die Abwertung der schwedischen Krone 2001 den Export stimulierte und den Abschwung dämpfte. Die EZB reagierte erst mit deutlicher Verspätung auf den Einbruch. Besonders für Deutschland, das größte Land der Währungsunion, war dies unangemessen, so die Forscher.

Die Lohnentwicklung war in Deutschland besonders zurückhaltend. Dies war eine wesentliche Ursache für die schwache Binnennachfrage, während sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen verbesserte. Deren Exporterfolge reichten jedoch nicht aus, um die lahmende Nachfrage im Inland auszugleichen, unterstreichen die IMK-Wissenschaftler. In Schweden hingegen schöpfte die Lohnpolitik den Verteilungsspielraum weitgehend aus. Damit stiegen die Löhne gerade so stark, dass sie die Wettbewerbsposition der Unternehmen nicht beeinträchtigten – und auch die Binnennachfrage einen erheblichen Wachstumsbeitrag leisten konnte. Im Vergleich stiegen in Großbritannien die Löhne und Lohnstückkosten am stärksten. Die britischen Unternehmen konnten ihre höheren Kosten jedoch nicht vollständig über höhere Preise an ihre Kunden weitergeben, wodurch die Lohnquote deutlich stieg.

Durchaus ähnlich sind die Ziele der Finanzpolitik: In allen drei Ländern spielt die Haushaltskonsolidierung eine zentrale Rolle. Anders als Deutschland verfügen Großbritannien und Schweden jedoch über effektive Umsetzungskonzepte, analysiert das IMK: „Den Regelungen in beiden Ländern gemein ist, dass sie trotz klarer mittelfristiger Vorgaben bedeutende Spielräume für konjunkturstabilisierende Maßnahmen in einer Krise vorsehen.“ Die britische und schwedische Fiskalpolitik reagierten im Abschwung 2001 klar antizyklisch: Staatskonsum und öffentliche Investitionen stiegen stark. In Deutschland geschah das genaue Gegenteil: Zwar trat zufällig 2001 ein Teil der Steuerreform in Kraft. Doch der Staatskonsum wurde eingeschränkt, die öffentlichen Investitionen sanken.

Die erfolgreichere Wirtschaftspolitik Großbritanniens oder Schwedens lässt sich aber nicht eins zu eins in Deutschland umsetzen, konstatieren die Wissenschaftler. Die Ökonomen empfehlen daher einen eigenen Weg für das größte Land des Euroraums. Dazu gehören:

– Eine im Euroraum koordinierte Lohnentwicklung, die den Verteilungsspielraum aus trendmäßigem Produktivitätswachstum zuzüglich Zielinflationsrate der Geldpolitik ausschöpft.

– Eine expansive Finanzpolitik im Abschwung und deutlich höhere öffentliche Investitionen.

– Die Forderung an die EZB, Wachstum und Beschäftigung durch eine expansivere Geldpolitik zu fördern, wenn die Preisstabilität nicht gefährdet ist.

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