Unternehmenssteuerreform 2008

Der Entwurf der Arbeitsgruppe „Reform der Unternehmenssteuer in Deutschland“ unter der Leitung von Roland Koch (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) zur Unternehmenssteuerreform 2008 sorgt für Entlastungen, bleibt aber dennoch hinter den Zielvorgaben des Koalitionsvertrags zurück.

Es kommt zu einer Verbesserung der steuerlichen Standortattraktivität. Dagegen werden die Teilziele einer Stärkung der Rechtsform- und Finanzierungsneutralität der Besteuerung verfehlt. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und der Universität Mannheim.

Am 2. November 2006 haben sich die Koalitionspartner auf einen Entwurf zu der für das Jahr 2008 geplanten Unternehmenssteuerreform geeinigt, der nun in Gesetzesform gegossen werden soll. Oberstes Ziel ist es, durch die Senkung der Unternehmenssteuerbelastung auf nominal knapp unter 30 Prozent die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu erhöhen und dadurch die Voraussetzungen für mehr Wachstum und Beschäftigung zu schaffen.

Die geplante Reform soll die Unternehmen im Bereich der tariflichen Steuerbelastung nach Angaben des Bundesministeriums der Finanzen um 30 Milliarden Euro entlasten. Damit das Steueraufkommen aber nur mit maximal 5 Milliarden Euro belastet wird, soll im Gegenzug die Bemessungsgrundlage verbreitert werden.

Es ist bekannt, dass der Standort Deutschland in steuerlicher Hinsicht nicht wettbewerbsfähig ist, weil die tariflichen und effektiven Belastungen der Unternehmensgewinne zu den höchsten in Europa gehören. Daraus erwachsen für die Unternehmen Anreize zu Gewinn- und Produktionsverlagerungen ins niedriger besteuernde Ausland.

Für die jetzt geplanten Maßnahmen zeigen Berechnungen, die am ZEW für eine mittelständische Kapitalgesellschaft des Verarbeitenden Gewerbes mit Hilfe des European Tax Analyzer durchgeführt wurden, dass sich die effektive Steuerbelastung auf Ebene des Unternehmens, über einen Zeitraum von 10 Jahren gerechnet, um 24,82 Prozent auf 1.381.410 Euro spürbar verringern würde. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass für Unternehmen dieser Größe die Tarifsenkungen voll durchschlagen und wesentliche Elemente der vorgesehenen Gegenfinanzierungsmaßnahmen nicht wirksam werden, da der Freibetrag der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschrift für Fremdkapitalentgelte sowie die Freigrenze bei der vorgesehenen Zinsschranke greifen würden. Die geplante Abschaffung der degressiven Abschreibung zieht aufgrund des niedrigen Abschreibungskoeffizienten von 20 Prozent keine nennenswerten Mehrbelastungen nach sich. Im internationalen Vergleich zwischen 12 Staaten würde sich Deutschland damit um 4 Positionen auf den 7. Rang verbessern. Auch eine Untersuchung weiterer Wirtschaftsbereiche zeigt, dass Deutschland durch die geplanten Maßnahmen im internationalen Steuerranking Boden gut machen und auf einen Platz im hinteren Mittelfeld vorrücken würde. Für größere Unternehmen dürften diese Entlastungen aufgrund des Überschreitens des Freibetrags/der Freigrenze hingegen geringer ausfallen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass mit der Einführung der Zinsschranke die Abzugsbeschränkungen für Zinsen auf Gesellschafterdarlehen (§ 8a KStG) entfallen.

Die geplante Abgeltungssteuer auf private Kapitalerträge vereinfacht die Steuererhebung und kann Besteuerungslücken schließen. Aufgrund ihrer mangelhaften Abstimmung mit der Unternehmensbesteuerung widerspricht sie jedoch dem Ziel einer Verbesserung der Finanzierungsneutralität der Besteuerung, da die Belastung von Unternehmensgewinnen den geplanten Abgeltungssteuersatz von 25 Prozent für Zinseinkünfte übersteigt. Es kommt folglich zu einer Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung, weshalb die Anreize, am Standort Deutschland zu investieren, beeinträchtigt werden. Die Abgeltungssteuer führt zudem nicht zwingend zu einer Entlastung von Gewinnausschüttungen, da im Gegenzug das Halbeinkünfteverfahren wegfällt. ZEW-Berechnungen unter Einbeziehung der Anteilseigner ergeben auf der für mittelständische Unternehmen relevanten Gesamtebene lediglich eine Verminderung der Belastung um 9,81 Prozent auf 2.302.746 Euro.

Mit der Aufnahme weiterer substanzsteuerlicher Elemente in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer wurde zusätzlich die steuersystematisch überzeugende Chance vertan, durch die Übernahme der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage für Zwecke der Gewerbesteuer eine Steuervereinfachung zu erreichen. Stattdessen entfernen sich die beiden Bemessungsgrundlagen durch die Ausweitung der Hinzurechnung von Zinsen bei der Gewerbesteuer auch auf Kurzfristzinsen sowie von Finanzierungsanteilen bei Mieten, Pachten, Leasingraten und Lizenzen zunehmend voneinander. Im Vergleich zu ersten Plänen der Bundesregierung vom Juli 2006, nach denen die körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage um substanzsteuerliche Elemente hätte erweitert werden sollen, ist diese Regelung jedoch als das kleinere Übel einzustufen.

Ebenfalls verfehlt wird das Teilziel der Verbesserung der Rechtsformneutralität der Besteuerung. Die vorgesehene Thesaurierungsrücklage für Personengesellschaften, welche die Einkommensteuerbelastung einbehaltener Gewinne auf 28,25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag begrenzen soll, stellt keinen Ausweg aus diesem Dilemma dar. Zudem dürfte der administrative Aufwand erheblich sein. So müssen etwa für alle Gesellschafter einer Personengesellschaft, bei welcher die Option in Anspruch genommen wird, Aufzeichnungen vorgenommen werden, aus denen hervorgeht, wann und von wem welche Teile der thesaurierten Gewinne entnommen werden und deshalb nachzuversteuern sind. Dies impliziert ein erheblich komplexeres Veranlagungsverfahren, das an die Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals im ehemaligen körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren erinnert. In Verbindung mit einer Abgeltungssteuer in Höhe von 25 Prozent stellt sich ohnehin die Frage, ob von einem Thesaurierungssatz in Höhe von 28,25 Prozent zzgl. Solidaritätszuschlag überhaupt Anreize ausgehen, Mittel in der Personengesellschaft zu belassen.

Äußerst kompliziert dürfte sich die angedachte Besteuerung von Funktionsverlagerungen gestalten, der von der Arbeitsgruppe ein nicht unerhebliches Gegenfinanzierungspotenzial eingeräumt wird. Dies ist zum einen auf die erweiterten Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen zurückzuführen. So müssen etwa für vorhandene und in Entwicklung befindliche immaterielle Wirtschaftsgüter laufend nachvollziehbare Aufzeichnungen erstellt und auf Anfrage vorgelegt werden. Zum anderen sind die notwendige Bewertung des im Zusammenhang mit Funktionsverlagerungen übertragenen Gewinnpotenzials und der daraus zu erwartende Korrekturbedarf aufgrund abweichender tatsächlicher Gewinne mit bisher nicht überschaubaren Schwierigkeiten behaftet. Nicht übersehen werden dürfen überdies die Anzeichen, dass die Pläne zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen an mangelnder EU-Rechtskonformität scheitern könnten.

Festzuhalten ist: Die Tarifsenkung für Kapitalgesellschaften auf knapp unter 30 Prozent verbessert die steuerliche Standortattraktivität Deutschlands. Gewinner sind in erster Linie mittelständische Unternehmen, da sie von den geplanten Gegenfinanzierungsmaßnahmen auf Unternehmensebene weitgehend verschont bleiben. Bei multinationalen Unternehmen sind die konkreten Vorschriften für die Zinsschranke und gegen Funktionsverlagerungen abzuwarten. Die Teilziele einer Verbesserung der Rechtsform- und Finanzierungsneutralität der Besteuerung werden verfehlt. Zu überdenken ist die Thesaurierungsrücklage für Personengesellschaften und im Hinblick auf die Abgeltungssteuer ist eine deutlich bessere Abstimmung mit der Unternehmensbesteuerung nötig.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Christoph Spengel (Uni Mannheim), Telefon 0621/181-1705, Fax -1706, E-Mail spengel@uni-mannheim.de ;

Dipl.-Kfm. Timo Reister (ZEW), Telefon 0621/1235-168, Fax -215, E-Mail reister@zew.de

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Katrin Voss idw

Weitere Informationen:

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