Norddeutschlands Wirtschaft im Aufwind

Viele Wirtschaftsbereiche im Norden profitieren weiterhin von der kräftigen Expansion der Weltwirtschaft und vom boomenden Welthandel. Zudem hat sich auch in vielen binnenmarktorientierten Branchen, angeführt vom Dienstleistungssektor, inzwischen eine Aufwärtstendenz herausgebildet.

Zu diesem Ergebnis kommt die jetzt veröffentlichte Regionalstudie der HSH Nordbank „Die Wirtschaft im Norden“. Die Studie wurde wieder vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) erstellt, zu dessen Kooperationspartnern die HSH Nordbank zählt. Da die Wirtschaft im Norden auch in der zweiten Jahreshälfte auf Wachstumskurs bleiben wird, ist Projektleiter Eckhardt Wohlers sicher: „Das Jahr 2006 wird für den Norden konjunkturell ein gutes Jahr.“ Er weist allerdings darauf hin, dass das Wachstum durch Vorzieheffekte der Mehrwertsteuererhöhung verstärkt werde. Für 2007 sei auch in den norddeutschen Ländern schon wegen der Bremseffekte der Finanzpolitik wieder eine Abkühlung der Konjunktur absehbar.

Hamburger Wirtschaft auf deutlichem Expansionskurs

In Hamburg verlief die konjunkturelle Entwicklung in der ersten Jahreshälfte sehr erfreulich: Der Aufschwung hat sich gefestigt und an Breite gewonnen. Das reale Bruttoinlandsprodukt ist der Studie zufolge mit 2 ½ % erneut stärker gestiegen als im Bundesdurchschnitt (2 %). Hamburg profitierte weiterhin von seiner Funktion als internationale Handelsdrehscheibe. Nutznießer sind dabei vor allem Transport und Verkehr, der Groß- und Außenhandel sowie die Industrie. So sind die Exporte Hamburger Firmen weiter kräftig gestiegen (+28 %); auch die Importe wurden deutlich ausgeweitet. In vielen binnenmarktorientierten Bereichen, vor allem im Dienstleistungssektor, hat sich die Lage ebenfalls spürbar verbessert. Im Frühsommer profitierte Hamburg als einer der Austragungsorte überdies von der Fußballweltmeisterschaft. So wurden hier im Juni 13 % mehr Übernachtungen gebucht als vor Jahresfrist.

Einer der Träger des Aufschwungs in Hamburg ist die Industrie. Dort hat sich der Aufwärtstrend spürbar verstärkt. Auftragseingänge (+28 %) und Umsätze (+18 %) waren in der ersten Jahreshälfte deutlich höher als im Vorjahr. Wichtige Triebfeder war hier die rege Nachfrage aus dem Ausland (Umsatz +37 %). So nahmen etwa bei den Produzenten von Vorleistungs- und Investitionsgütern, die von der weltweit regen Investitionstätigkeit profitieren, die Auslandsumsätze merklich stärker zu als die Inlandsumsätze. Eine wichtige Konjunkturstütze ist auch der Bereich Verkehr und Nachrichtenübermittlung. Der Hamburger Hafen verzeichnete dank des weiterhin sehr dynamischen internationalen Handels steigende Umschlagszahlen (+9,7 %), und der Flughafen verbuchte deutlich höhere Beförderungszahlen (+15,5 %).

Im Groß- und Außenhandel hat sich die Geschäftslage in diesem Jahr weiter verbessert. Das Umsatzplus (+9 %) ist hier u. a. auf eine merkliche Ausweitung des Importhandels zurückzuführen. Maßgeblichen Anteil daran hatte die konjunkturelle Erholung der Inlandsnachfrage in Deutschland, die auch dem Binnengroßhandel steigende Umsätze bescherte. Besonders gefragt waren Investitionsgüter und – beflügelt durch die Fußballweltmeisterschaft – Unterhaltungselektronik. Dagegen verlor der Exporthandel etwas an Schwung. Der Einzelhandel entwickelte sich positiv – trotz der Belastungen der Haushaltsbudgets der Verbraucher durch die hohen Energiepreise. Die Umsätze waren in der ersten Jahreshälfte merklich höher als im entsprechenden Vorjahrszeitraum (+2 ¼ %). Auch das Hamburger Gastgewerbe (Umsatz +6 %) blieb dank des florierenden Städtetourismus auf Expansionskurs. Erheblichen Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung hat darüber hinaus der Dienstleistungssektor, der in Hamburg ein besonderes Gewicht hat. Treibende Kraft sind hier die unternehmensnahen Dienstleistungen, die von der allgemeinen Festigung der Konjunktur profitieren.

Die Konjunkturerholung hat auch auf dem Hamburger Arbeitsmarkt deutlichen Niederschlag gefunden. So ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im ersten Halbjahr beschleunigt gestiegen (+0,9 %); in den meisten anderen Bundesländern stagnier-ten die Beschäftigtenzahlen. Die Arbeitslosenzahl (98 700) ist zwar als Folge von Hartz IV immer noch höher als im Vorjahr (+4,4 %). Lässt man saisonale Einflüsse unberücksichtigt, ist sie aber seit Mitte 2005 deutlich rückläufig.

Schleswig-Holstein: Stabile Aufwärtsentwicklung

In Schleswig-Holstein hat sich die konjunkturelle Aufwärtstendenz in diesem Jahr ebenfalls weiter gefestigt. Das reale Bruttoinlandsprodukt ist der Studie zufolge um rund 2 ¼ % gestiegen – und damit ebenfalls stärker als im Bundesdurchschnitt (2 %). Erheblichen Anteil an der guten Konjunktur haben auch in Schleswig-Holstein die lebhafte Auslandsnachfrage und die regen Außenhandelsaktivitäten. So konnten die Schleswig-Holsteiner Unternehmen ihre Exporte weiter steigern (+19 %), und auch die Einfuhren nahmen kräftig zu (+29 %). In den stärker binnenwirtschaftlich orientierten Bereichen hat sich die Lage mit anziehender Inlandskonjunktur ebenfalls verbessert.

Weiter auf Expansionskurs befindet sich das Verarbeitende Gewerbe; die Umsätze waren in der ersten Jahreshälfte deutlich höher als im entsprechenden Vorjahreszeitraum (+11 %). Nach schwachem Jahresbeginn hat sich seit dem Frühjahr zudem die Auftragslage in vielen Industriezweigen merklich verbessert. Da die Umsätze im Auslandsgeschäft (+16 %) erneut stärker stiegen als auf den heimischen Märkten (+8 %), nahm die Exportquote weiter zu; sie beträgt inzwischen 42 %. Überdurchschnittlich stark war das Umsatzplus bei den Investitionsgüterproduzenten (+13 %), die auch von der wachsenden Investitionsbereitschaft in Deutschland profitierten. Deutliche Umsatzsteigerungen gab es dank eines guten Auslandsgeschäfts auch im Vorleistungsgüterbereich, insbesondere in der Chemischen Industrie und bei den Herstellern von Metallerzeugnissen.

Zu den Trägern des Aufschwungs gehört der Bereich Verkehr und Nachrichtenübermittlung. Schleswig-Holstein profitiert in beträchtlichem Maße von der steigenden Nachfrage nach Telekommunikationsleistungen, da einige große Anbieter hier ihren Sitz haben. Der Verkehrssektor, der 2005 in einzelnen Bereichen zeitweise mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, befindet sich wieder im Aufwind. Die Seehäfen konnten deutlich höhere Umschlagszahlen verbuchen, und auch im Straßengüterverkehr stieg die Beförderungsleistung. Der Groß- und Außenhandel (Umsatz +1,5 %) konnte demgegenüber nicht an das gute Ergebnis des Vorjahres anknüpfen. Insbesondere im Handel mit Rohstoffen und Halbwaren hat sich das Klima leicht eingetrübt.

Erfreulich war der bisherige Jahresverlauf im Einzelhandel. Hier hat sich mit der steigenden Kaufbereitschaft der privaten Haushalte der Aufwärtstrend wieder verstärkt. Selbst real verzeichneten die schleswig-holsteinischen Einzelhändler ein deutliches Umsatzplus (+7 %). Auch das Gastgewerbe (Umsatz +2,9 %) konnte trotz des langen und kalten Winters steigende Gästezahlen (+1 %) und Übernachtungen (+1,2 %) verbuchen.

Mehr und mehr zur Konjunkturstütze entwickelt sich in Schleswig-Holstein der Dienstleistungssektor. Treibende Kraft sind die unternehmensnahen Dienstleister, etwa die Zeitarbeitsfirmen, die auch von der guten Industriekonjunktur profitieren. Bei den privaten und öffentlichen Dienstleistungen hat sich mit zunehmender Kaufbereitschaft der privaten Haushalte die Lage trotz der Sparmaßnahmen der Landesregierung etwas verbessert. Ausschlaggebend dafür war das Gesundheitswesen, auf das fast die Hälfte der Arbeitsplätze in diesem Bereich entfällt.

Die konjunkturelle Erholung hat auch den Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein erfasst. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, bei der sich schon im Laufe des vergangenen Jahres eine leichte Aufwärtstendenz herausgebildet hatte, ist in diesem Jahr weiter gestiegen (+0,1 %). Die Beschäftigungsentwicklung war auch in Schleswig-Holstein günstiger als im Bundesdurchschnitt (-0,4 %). Zugleich ist die Zahl der Arbeitslosen weiter deutlich auf 145 500 zurückgegangen (-10 %). Zwar ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit zum Teil Folge der Arbeitsmarktpolitik; so wurden auch in Schleswig-Holstein die gemeinnützigen Arbeitsgelegenheiten ausgeweitet. Gleichwohl spiegelt der Rückgang der Arbeitslosigkeit zunehmend auch die Verbesserung der konjunkturellen Lage wider.

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Elzbieta Linke idw

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