Zukunftsweisende Ansätze für die Gestaltung industrieller Produktion

Das Projekt Auto 5000 bei VW bietet eine neuartige Verknüpfung von arbeitspolitischen und betriebsorganisatorischen Innovationen. Die in dem Projekt realisierte Kombination von Innovationen kann als zukunftsweisend für die industrielle Produktion in Deutschland gelten. Diesen Schluss zieht ein Forscherteam des Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstituts (SOFI) an der Georg-August-Universität Göttingen unter Leitung des Industriesoziologen Prof. Dr. Michael Schumann.

Der Modellversuch Auto 5000 startete im Jahr 2002 in Wolfsburg. Er wurde schnell bekannt unter dem Namen „5000×5000“: Zu einem Bruttolohn von damals 5000 DM sollten 5000 neue Mitarbeiter unter Bedingungen erhöhter Arbeitszeitflexibilität eingestellt werden. Vereinbart wurde, die neuen Arbeitsplätze ausschließlich mit Arbeitslosen zu besetzen. Die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Fertigung sollte – so das von den Tarifparteien vereinbarte Innovationskonzept – kombiniert werden mit einer attraktiveren, professionelleren und eigenverantwortlicheren Arbeit. Das Projekt verfolgte den Anspruch, offensive Antworten auf eine zugespitzte Standortkonkurrenz und eine schwierige Beschäftigungssituation zu finden.

Das Sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut (SOFI) an der Georg-August-Universität Göttingen untersuchte zwischen 2002 und 2006 umfassend, inwieweit die Innovationsansprüche des Projektes verwirklicht werden. Die Begleitforschung wurde gefördert durch die Hans-Böckler-Stiftung, die IG Metall, die Volkswagen AG und die VolkswagenStiftung. Eine ausführliche Darstellung erscheint in der aktuellen Ausgabe der WSI-Mitteilungen.

Die Wissenschaftler des SOFI bewerten das Projekt Auto 5000 aus sozialwissenschaftlicher Perspektive insgesamt als „Good-Practice-Beispiel“ für eine nachhaltige und innovative Fabrikgestaltung. Entscheidend für den Erfolg und in der vorgefundenen Form neuartig ist aus ihrer Sicht insbesondere die enge Verzahnung von innovativen Einzelelementen auf unterschiedlichen Gebieten der Arbeits- und Betriebsorganisation auf Basis eines ganzheitlichen Konzeptes.

Die Arbeits- und Organisationsgestaltung setzt nach der SOFI-Untersuchung darauf, Effizienz- und Effektivitätsgewinne dadurch zu erreichen, dass sich die Kompetenzen der Beschäftigten breiter entfalten können und besser genutzt werden. Selbstorganisierte Gruppenarbeit, die Beteiligung an Optimierungsaufgaben und die breitere Selbstverpflichtung der Beschäftigten wirkten in diese Richtung, ebenso eine erweiterte Funktions- und Aufgabenintegration und eine prozessorientierte Dezentralisierung durch die Integration von indirekten Funktionen und Spezialisten in so genannte „Lernfabriken“.

Weniger Hierarchie, geringere Statusdifferenzen, dichtere horizontale und vertikale Kooperationen, Entspezialisierung und erweiterte Selbständigkeit tragen den Erhebungen zufolge wesentlich dazu bei, die Beschäftigten für die Mitwirkung an betrieblichen Optimierungszielen zu gewinnen und Innovationspotenziale zu eröffnen. Ein engeres Zusammenspiel aller an der Wertschöpfungskette Beteiligten schaffe strukturelle Freiräume und fördere eine Innovationskultur.

Trotz aller Kooperationsbereitschaft trafen die Wissenschaftler keineswegs auf eine unkritische Belegschaft – auch nicht bei den „aktiven Betriebsmitspielern“, die sich bereitwillig an Optimierungen beteiligen. Typisch sei vielmehr ein Interessenverständnis, dass die Durchsetzung eigener Interessen nötigenfalls auch im Konflikt mit dem Unternehmen befürworte.

Untersuchungsleiter Prof. Dr. Michael Schumann schätzt die Möglichkeit, von Auto 5000 zu lernen, optimistisch ein: „Ein Alleinstellungsmerkmal und Konkurrenzvorsprung dürfte im globalisierten Automobilmarkt am Standort Deutschland am ehesten durch Innovationsführerschaft zu erreichen sein. In dieser Hinsicht ist von dem Projekt Auto 5000 viel Anregung zu gewinnen. Die darin erstmals erprobten neuen Organisationskonzepte weisen in eine Erfolg versprechende Richtung und fordern zur Weiterentwicklung heraus. Gerade in Deutschland dürfte durch die kreative Kombination beruflicher Know-How-Träger und bisher eher voneinander abgeschottet wirkender Funktions- und Statusgruppen viel erreicht werden.“

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Rainer Jung idw

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