Expertise zur Unternehmenssteuerreform vorgelegt

Gutachten zur Reform der Einkommens- und Unternehmensbesteuerung an Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsministerium übergeben

Am 3. April 2006 wurde in Berlin eine Expertise mit dem Titel „Reform der Einkommens- und Unternehmensbesteuerung durch die Duale Einkommensteuer“ an die Bundesminister Peer Steinbrück und Michael Glos überreicht. Das Gutachten wurde vom „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ zusammen mit dem Münchner Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht sowie dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim erstellt. Die Grundlage dafür bildete ein Auftrag, den die damaligen Bundesminister Eichel und Clement im Frühjahr 2005 erteilt hatten. Prof. Dr. Wolfgang Schön, Direktor der Abteilung Rechnungslegung und Steuerrecht des Max-Planck-Instituts in München, war federführend an der Erstellung des Gutachtens beteiligt.

Die Bundesregierung will die detaillierten Vorschläge in ihre für 2008 geplante Unternehmenssteuerreform mit einbeziehen. Sie sollen dazu beitragen, das deutsche Ertragssteuerrecht neu zu ordnen und den Standort Deutschland steuerlich attraktiver zu machen. Außerdem sollen sie im Bereich der Unternehmensbesteuerung weitgehende Finanzierungs- und Rechtsformneutralität gewährleisten. Dadurch soll die Investitionsbereitschaft inländischer und ausländischer Kapitalgeber gestärkt und das Wirtschaftswachstum und die Lohnentwicklung in Deutschland mittelfristig gefördert werden.

Die Steuerpolitik moderner Industriestaaten sieht sich zunehmend einem Konflikt ausgesetzt: Einerseits soll sie im internationalen Wettbewerb um Investitionen steuerlich attraktiv bleiben, andererseits aber auch den finanziellen Bedürfnissen genügen, die ein modernes Wohlfahrtssystem mit sich bringt. Die Duale Einkommensteuer („Dual Income Tax“) stellt einen möglichen Ausweg dar, indem sie angesichts der geänderten Rahmenbedingungen die überkommenen Belastungsentscheidungen des Steuersystems zielgenau neu justiert. Erträge aus international mobilen Produktionsfaktoren, wie Sach- und insbesondere Finanzkapital, sollten danach im Grundsatz einem niedrigen, möglichst proportional ausgestalteten Steuertarif unterworfen werden. Dadurch soll eine effiziente Steuererhebung gewährleisten werden. Für Einkommen aus immobilen Faktoren, darunter insbesondere Arbeitseinkommen und Transferleistungen – für die internationale Steuerbelastungsunterschiede keine entscheidende Rolle spielen -, gibt es hingegen keine ökonomischen oder finanziellen Gründe für eine steuerliche Entlastung.

Das Modell der Dualen Einkommensteuer wurde erstmals zu Beginn der 1990er-Jahre in den skandinavischen Ländern und Finnland umgesetzt und hatte überzeugende Wirkungen auf die dortige Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung. Um dieses Modell auch in Deutschland umsetzen zu können, musste es an die besonderen Verhältnisse des deutschen Steuersystems angepasst werden. Der Sachverständigenrat hat zusammen mit dem Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht in München sowie dem Zentrum für Europäischen Wirtschaftsforschung in Mannheim ein Gutachten einschließlich eines ausformulierten Gesetzesentwurfes erarbeitet. Es wurde am 3. April in Berlin an die Bundesminister Steinbrück und Glos überreicht und soll eine wichtige Grundlage für die Reform der Unternehmensbesteuerung in Deutschland bilden, die die Bundesregierung für 2008 plant.

Im Vergleich zu anderen diskutierten Reformmodellen setzt die Duale Einkommensteuer die steuersystematischen Akzente neu. Im Vordergrund stehen die konkreten wirtschaftliche Wirkungen unternehmerischen Handelns und nicht seine äußere Erscheinungsform. Für die steuerliche Bewertung soll es nicht mehr darum gehen, ob Einkünfte gewerblich oder vermögensverwaltend oder ob sie von selbständigen oder abhängig Beschäftigten erzielt werden. Bei einer wachstumsorientierten (Steuer-)Politik ist es entscheidend, ob und inwieweit am Markt erwirtschaftete Erträge auf getätigte Investitionen zurückgeführt werden können. Mit diesem Ansatz gewährleistet eine Duale Einkommensteuer auch, dass bestehende Unterschiede in der steuerlichen Behandlung verschiedener Finanzierungs- und Rechtsformen von Unternehmen eingeebnet werden. Ein dualer Einkommensbegriff ermöglichst es also, die im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien im Herbst festgelegte Zielsetzung eines finanzierungs- und rechtsformneutralen Steuersystems weitgehend zu verwirklichen.

Im Bereich der Unternehmensbesteuerung wird das durch ein Instrument erreicht, das sich in den letzten Jahren in der internationalen Steuerreformdiskussion als weiterführend erwiesen hat: Der für die Zusammensetzung der Bemessungsgrundlage relevante Schnitt wird dort gezogen, wo eine rechnerische Verzinsung des Eigenkapitals der durchschnittlich am Kapitalmarkt zu erlangenden Rendite entspricht. Unternehmerisches Risiko wird dadurch aber steuerlich nicht benachteiligt. Denn in einem Steuersystem, bei dem der Staat sich an unternehmerischen Gewinnen wie Verlusten gleichermaßen beteiligt, ist die Höhe des Steuersatzes auf Erträge aus riskanten Investitionen nur von relativer Bedeutung. Und zwar sowohl für die betroffenen Steuerpflichtigen als auch für das Steueraufkommen. Das belegen neuere finanzwissenschaftliche Erkenntnisse. Auch insoweit erweist sich das Konzept einer Dualen Einkommensteuer als ein ökonomisch fundierter, moderner Vorstoß innerhalb der jüngsten Steuerreformdiskussion.

Aus standortpolitischen Gründen sollte für die als Kapitaleinkommen ausgewiesenen Gewinnanteile der Unternehmen eine Gesamtbelastung von 25 Prozent nicht überschritten werden. Anhand ausführlicher Modellrechnungen kann in diesem Fall gezeigt werden, dass durch die Duale Einkommensteuer die Standortattraktivität Deutschlands für inländische und ausländische Investitionen bedeutend besser wird. Im internationalen Ranking würde sich Deutschland unter ausgewählten Industriestaaten bei Kapitalgesellschaften von den hinteren Plätzen in das vordere Mittelfeld verbessern. Im Bereich von Personenunternehmen würde es in Westeuropa sogar an die Spitze vordringen. Dies ist auch standortpolitisch gut zu rechtfertigen, da deutsche mittelständische Personenunternehmen häufig mit ausländischen Betrieben konkurrieren.

Mit der Dualen Einkommensteuer lassen sich somit die genannten Ziele einer Unternehmensteuerreform weitestgehend realisieren. Die steuerliche Standortattraktivität wird wegen der reduzierten Tarifbelastung auf Kapitalgesellschaftsebene erheblich verbessert. Die Duale Einkommensteuer führt überdies zu einem höheren Maß an Entscheidungsneutralität und bietet ein flexibles Instrumentarium, das auch den finanziellen Interessen Rechnung trägt. Das an die Bundesregierung übergebene Steuergutachten stellt damit einen wichtigen Schritt zur notwendigen Reform des Unternehmenssteuerrechts dar.

Media Contact

Dr. Andreas Trepte Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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