Markt mit Potenzial: Private Altersvorsorge

Die staatlichen Sozialversicherungssysteme, Renten- und Pflegeversicherung zumal, sind marode oder gar am Ende. Private Vorsorge tut Not und ist künftig unabdingbar. In diesem Punkt waren sich die Teilnehmer einer zweitägigen Klausurtagung auf Schloss Reisensburg bei Günzburg ungeachtet lebhafter und mitunter sehr kontroverser Debatten einig. Schon von Berufs wegen.

Fünf Dutzend Vorstandsmitglieder und Führungskräfte namhafter deutscher wie international agierender Banken, Versicherungen und Finanzdienstleister diskutierten mit Wissenschaftlern über „Liquidität und finanzielle Selbstbestimmung im Alter: Risiken und Problemlösungen bei unaufhaltsam steigender Lebenserwartung“. Ausnahmslos sehen sie in der privaten Altersvorsorge einen riesigen, vielfach noch unerschlossenen Markt. Das Treffen organisiert hat die Universität Ulm gemeinsam mit dem Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften (IFA).

Natürlich sei, so dessen Kuratoriumsvorsitzender Professor Hans-Joachim Zwiesler, die demografische Entwicklung im Land auch der Finanzbranche nicht verborgen geblieben. „Aber begreifen und richtig damit umzugehen sind zwei Paar Stiefel“, resümierte der Ulmer Wirtschaftsmathematiker nach dem Treffen im wissenschaftlichen Tagungszentrum der Ulmer Universität. Sein Fazit: „Die meisten Unternehmen bewegen sich hier erst in den Anfängen.“ Bewusst sei ihnen allerdings geworden: „Dieses Feld ist schwierig zu bearbeiten.“

Andererseits repräsentiere die Altersgruppe 50 plus ein in der Finanzdienstleistung bisher vielfach unterschätztes Marktsegment. „Sie verhält sich längst nicht so konservativ wie gemeinhin angenommen und ist auch in Geldangelegenheiten viel beweglicher als gedacht“, hat Zwiesler als wichtige Erkenntnis der beiden Reisensburg-Tage notiert, Fortsetzung übrigens der 1984 etablierten und seither überaus erfolgreichen Tagungsreihe, zu der sich einmal jährlich ausschließlich Top-Manager der Finanzwelt einfinden.

Zumindest einen Teil des Auditoriums überrascht hat offenbar der Kölner Professor für Betriebswirtschaftslehre, Marketing und Vertrieb, Horst Müller-Peters, Mitgründer und Vorstandsvorsitzender der in der Domstadt ansässigen psychonomics AG. Gestützt auf eigene wissenschaftlich fundierte Marktforschungen versprach er den Anbietern bemerkenswerte, weithin unterschätzte Vertriebserfolge bei der genannten Zielgruppe. Unter der Voraussetzung allerdings, die Beratung orientiere sich an den individuellen Bedürfnissen.
Schließlich sei es „die Altersgruppe mit dem meisten Geld“, dabei jedoch keinesfalls homogen.

Differenzieren müssten die Finanzdienstleister Müller-Peters zufolge insbesondere zwischen den Altersgruppen 50 bis 70 sowie 70 plus. Der völlig unterschiedlichen Anforderungen und persönlichen Zielsetzungen wegen nämlich, resultierend nicht zuletzt aus der jeweiligen Lebenssituation und dem Gesundheitszustand.

Der Kölner Wissenschaftler überraschte freilich mit einer weiteren Erkenntnis, nach eigener Aussage ebenfalls gewonnen aus einer fundierten Repräsentativumfrage. Demnach unterschätzen die Befragten ihre eigene Lebenserwartung verglichen mit der statistisch prognostizierten um nicht weniger als zehn Jahre. Die sich daraus ergebene Versorgungslücke sei wohl den meisten Menschen bewusst, berichtete Müller-Peters, gleichwohl werde nicht genügend vorgesorgt.

Für Götz Wenker, Vorsitzender der Geschäftsführung der AWD Deutschland, erfordert die Zielgruppe 50 plus im Finanzbereich nicht nur spezielle Produkte, sondern auch „einen anderen Vertriebsansatz“. Eine solide Vertrauensbasis bei der Beratung vor allem und intensivere persönliche Gespräche. Demgegenüber sei hier der Vertriebsweg Internet in der Regel noch wenig Erfolg versprechend. Unabhängig davon sieht auch Wenker in dieser Altersgruppe einen absolut wichtigen Markt.

Dem anschließen konnte sich Michael Mandel, der in der Konzernleitung der Commerzbank AG das Privatkundengeschäft verantwortet. Sein Haus werde sich, wie er ankündigte, mit neuen Produkten in der Altersvorsorge engagieren und diesen Bereich deutlich forcieren. Schon weiter auf diesem Gebiet sind offenbar die KarstadtQuelle Versicherungen. Jedenfalls erklärte dies deren Vorstandsvorsitzender Peter M. Endres. „Wir sind auf die Zielgruppe ’zweite Lebenshälfte’ fokussiert und unsere Produkte in hohem Maße auf diese ausgerichtet“, berichtete Endres, räumte indes auch ein: „Zum Teil fehlen uns noch die richtigen Angebote.“ Basis des Erfolgs seien für ihn neben der langjährigen Erfahrung im Direktmarketing eine messbar hohe Servicequalität, ferner eine zeitgemäße Infrastruktur sowie der hochwertige Datenbestand aus dem Versandhandel.

Nicht nur Zustimmung erntete Joachim F. Mädler mit seinem Vergleich verschiedener Altersvorsorge-Modelle. Unwidersprochen konnte der Sprecher der Geschäftsführung der Bankgesellschaft Berlin Investment GmbH aber feststellen: „Die Riester-Rente ist ergänzt um ein Altersvorsorgekonto trotz bürokratischer Hürden ein Weg in die richtige Richtung.“ Ihr zu Unrecht unbefriedigender Erfolg sei von der Politik zu verantworten. Mädler: „Es war ein Produkt der Regierung, das von der Opposition verdammt und in Sack und Asche geredet wurde.“ Das sei ein „großer Fehler“ gewesen.

Media Contact

Willi Baur idw

Weitere Informationen:

http://www.ifa-ulm.de

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