Nicht nur Männer sind Macher: Unternehmerinnen in Deutschland

„Der typische Unternehmer frägt sich nicht, ob jede Anstrengung, der er sich unterzieht, auch einen ausreichenden ’Genußüberschuß’ verspricht. Wenig kümmert er sich um hedonische Früchte seiner Taten. Er schafft rastlos, weil er nicht anders kann …“ Diese häufig zitierte Definition des Unternehmers stammt von Josef Schumpeter aus dem Jahr 1911. Dass auch Frauen an Firmenspitzen stehen, wird gar nicht erst erwähnt – oft auch heute nicht. Warum das Bild des Unternehmers männlich geprägt ist und wie sich Unternehmerinnen selbst sehen, untersucht ein aktuelles Forschungsprojekt.


Im Fokus steht das bisher unerforschte Selbstbild von Unternehmerinnen in Deutschland, ihr Fremdbild und das Zusammenspiel beider Perspektiven. Seit Beginn des Jahres arbeiten Vertretungsprofessorin Andrea Bührmann (Universität Dortmund) und Prof. Katrin Hansen (FH Gelsenkirchen) mit einem Forschungsteam zusammen. Ihre Hypothese: „Ein hegemoniales, einseitig männlich geprägtes Unternehmerbild verhindert, dass Frauen im gleichen Ausmaß wie Männer Unternehmen gründen, weiterführen und in wachsenden Unternehmen Arbeitgeberfunktion übernehmen und damit Arbeitsplätze schaffen.“

Die Wissenschaftlerinnen wollen Rückschlüsse über eine möglichst zielgerichtete Förderung von Frauen im Unternehmertum ziehen. Um herauszufinden, wie Menschen Leitbilder konkret erleben, befragen sie die Unternehmerinnen selbst. Dass ihre Arbeit auf fruchtbaren Boden fällt, belegt die Tatsache, dass sich mittlerweile einige unaufgefordert melden und befragt werden möchten. „Nur rund ein Drittel der Unternehmen in Deutschland werden von Frauen geführt. Deshalb erscheint es uns so wichtig, diese Frage zu erforschen. Außerdem zeigen Erfahrungsberichte, dass Frauen sich selbst nicht als Unternehmerinnen, sondern eher als Freiberuflerinnen, Freelancer etc. bezeichnen“, sagt Andrea Bührmann.

Dass Frauen sich nicht mit dem männlich geprägten Bild identifizieren, könnte auch an daran liegen, dass zur Zeit nur 6,4% aller weiblichen Erwerbstätigen Unternehmerinnen sind, während immerhin 12,9% aller männlichen Erwerbstätigen Unternehmer sind. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung teilte im Juli 2005 auf eine Kleine Anfrage im Bundestag hin mit: „Nur jede dritte Existenzgründung erfolgt durch eine Frau. Bei technologieorientierten Gründungen sind Frauen noch deutlicher unterrepräsentiert“.

Zur Steigerung der Unternehmerinnenquote hat die Bundesregierung einiges unternommen: Seit 1998 sind mehr als eine Milliarde Euro in Förderprogramme geflossen. „Wir teilen die hier deutlich werdende Einschätzung, dass staatliche Programme bei der Gründung und Übernahme von Unternehmen durch Frauen eine wichtige Rolle spielen. Allerdings gilt es zu erforschen, welche Programme wie genau wirken und wenn ja, auf welche Weise sie optimiert werden können, um das unternehmerische Potenzial von Frauen besser nutzen zu können“, erklärt Andrea Bührmann. „Im wirklichen Leben geht es häufig um kleine Schritte, nicht um den Anspruch, ein Übermensch zu sein. Diese realitätsnahe Fleißarbeit können Frauen genauso gut wie Männer“, betont Katrin Hansen.

Das Forschungsteam untersucht auch institutionalisierte Redeweisen und analysiert Organe aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, die das Fremdbild von der Unternehmerin prägen. Die Berichterstattung über Unternehmensgründungen hat in den letzten Jahren zwar zugenommen, allerdings ist das Bild des typischen Gründers nach wie vor männlich dominiert. Sowohl in den Medien als auch in Schulen wird davon ausgegangen, dass es ein Vollzeit-Job ist.

Wissenschaftler wie Prof. Michael-Burkart Piorkowsky (Universität Bonn) haben hingegen erforscht, dass mittlerweile insbesondere Frauen, aber auch Männer Teilzeit-Unternehmerinnen sind. „Deshalb fordert er seit einiger Zeit, dass in Schulen ein angemesseneres Leitbild des unternehmerischen Handelns vermittelt und zudem die traditionelle Unterscheidung zwischen Erwerbswelt hier und Privatheit dort überwunden werden sollte. Sie habe nämlich wenig mit dem ’wirklichen Leben’ und mehr mit einem theoretischen Denken in volkswirtschaftlichen Modellen zu tun“, so Andrea Bührmann.

Neueste Forschungsergebnisse diskutierten die Wissenschaftlerinnen im Juli bei der Tagung „Vielfalt in der Unternehmerschaft“ in Gelsenkirchen. Dabei wurde deutlich, „dass die faktisch zu beobachtende Vielfalt der unternehmerischen Aktivitäten keinesfalls der theoretisch unterstellten Eindimensionalität des Leitbildes vom männlichen Unternehmertum entspricht“.

Weitere Informationen:
Ein Tagungsband erscheint im Winter 2005/6: Andrea D. Bührmann / Katrin Hansen / Martina Schmeink / Aira Schöttelndreier (Hrsg.): Vielfalt in der Unternehmerschaft. Lit-Verlag Münster / New York

Kontakt:
Vertretungsprofessorin Andrea Bührmann, Ruf: 02 31/7 55 – 62 68,
E-Mail: abuehrmann@fb12.uni-dortmund.de

Media Contact

Ole Lünnemann idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-dortmund.de/

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