Rentenmarkt: Sorgenfreie Anleihe-Welt?

Seit dem Jahreshoch im März folgten die Renditen sowohl in den USA als auch in Euroland bei nur begrenzten Gegenreaktionen einem stetig fallenden Trend. Allein in den USA steht die zehnjährige Verzinsung derzeit noch über dem Jahresanfangsniveau, in Euroland liegt sie aktuell deutlich darunter und erreichte kürzlich mit 3,27 Prozent (Bundesanleihen) sogar ein neues Allzeit-Tief. Damit blieben Prognosen vom Jahresbeginn, die einen spürbaren Anstieg der Kapitalmarktrenditen unterstellten, bisher unerfüllt. Zwar gab es Umschichtungen in sicherere Staatstitel nach prominenten Rating-Herabstufungen im Unternehmensanleihesektor (GM und Ford). Die global kaum entkräftete Konjunkturskepsis trug in den letzten Wochen aber ebenfalls dazu bei, dass Bond-Investoren unter dem Strich weitgehend frei von Sorgen blieben.

Die Signale zur wirtschaftlichen Verfassung der weltweit tonangebenden US-Volkswirtschaft waren phasenweise durchweg negativ. Erst der deutlich besser als erwartet ausgefallene Arbeitsmarktbericht vom April und höhere März-Einzelhandelsumsätze gestalteten das Gesamtbild etwas ausgeglichener. Dadurch hat sich die Wahrscheinlichkeit für eine Zinspause der US-Notenbank zwar deutlich reduziert, das bisher von Skepsis geprägte Konjunkturbild vermögen jedoch auch diese Daten kaum nachhaltig aufzuhellen. Allenfalls im Vergleich zum Euro-Raum stellt sich die Perspektive besser dar, wie nicht zuletzt die robustere US-Valuta und der spürbar ausgeweitete Zinsunterschied andeuten.

Angesichts des eher tristen Makro-Umfeldes konzentrieren sich Bond-Anleger derzeit auf Teuerungsdaten. Lohnkosten, Import- und Produzentenpreise steigen in den USA zwar erkennbar. Längerfristige Inflationssorgen hatte das aber bisher nicht zur Folge, da die Produktivitätszuwächse weiterhin über den Erwartungen liegen und die Kapazitätsauslastung im produzierenden Gewerbe gemessen am fortgeschrittenen Konjunkturstadium (Jahr 5 des Aufschwungs) mit zuletzt 79,2 Prozent sehr gering ist. Auf Ebene der Verbraucherpreise sorgte die Nachricht, dass die US-Preise ohne Energie und Nahrungsmittel (Kernrate) im April unverändert blieben, für erneut steigendes Kaufinteresse bei Festverzinslichen.

Per saldo ist die Wahrnehmung der Rentenmarkt-Akteure derzeit selektiv. Zwar dürfte auch die jüngste Ölpreiskonsolidierung dazu beitragen, die Inflationsperspektive zu entspannen. Risiken aber bleiben am Rentenmarkt bestehen. Dazu zählen die ungewissen Folgen einer möglichen Liberalisierung des Währungsregimes in China oder die fortgesetzte Inflationierung bei US-Immobilienvermögen. Entsprechend dürfte die US-Notenbank an ihrem geldpolitischen Straffungskurs festhalten. Angesichts des vorerst ausgereizten Niveaus bei europäischen Langläufern bietet sich an, bei Neuanlagen auch mit Blick auf die vorläufig anhaltende Wartestellung der EZB kürzeren Laufzeiten den Vorzug zu geben.

Während bisher insgesamt nur geringe Zweifel an der relativen Robustheit der US-Wirtschaft bestehen, dominieren für den Euroraum ungeachtet eines im Vergleich zum vierten Quartal voraussichtlich besseren Anfangsquartals 2005 die vorsichtigen Töne. Zuletzt haben die EU-Kommission und der IWF ihre Euroland-Prognosen für 2005 auf 1,6 (Deutschland: 0,8) Prozent reduziert. Vor allem begrenzte Arbeitsmarkteffekte dürften einer nachhaltigen Belebung der Binnenkräfte noch entgegenstehen. Entsprechenden Druck signalisieren die März-Konjunkturindikatoren wie Euroland-Sentimentindex (minus 1,4 auf 97,4 Punkte) oder NTC Einkaufsmanagerindex (50,4 nach 51,9 Punkte). Das Preisklima in der Eurozone präsentiert sich im internationalen Vergleich gemäßigt. Dennoch dürfte auch die EZB eine Normalisierungsstrategie bei den Leitzinsen verfolgen und damit zur Unsicherheit beitragen. Für Neuanlagen in kürzeren Laufzeiten spricht daher vor allem der Vorteil höherer Anlagebeweglichkeit.

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Dr. Stefan Steib presseportal

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