Wachsende Armut: Deutsche wappnen sich gegen den finanziellen Absturz

Mehr als ein Drittel der Deutschen lebt mit der Angst, in Zukunft unter die Armutsgrenze zu rutschen. Nur 16 Prozent der Befragten schließen für sich das Risiko einer finanziellen Notlage vollkommen aus. Arbeitslose, Geschiedene und Studenten halten sich für besonders gefährdet. Zu diesem Ergebnis kommt der „Kundenkompass Armutsrisiken“ der Finanzdienstleistungsgruppe Delta Lloyd und des F.A.Z.-Instituts. Die Studie zeigt, wie die Deutschen ihre Lage einschätzen und mit dem wachsenden Armutsrisiko umgehen.

Schon heute leben in Deutschland 13,5 Prozent der Bevölkerung laut aktuellem Armutsbericht der Bundesregierung in relativer Armut – Tendenz steigend. Zwar ist das Armutsrisiko in Deutschland im internationalen Vergleich immer noch niedrig, doch die Deutschen stellen sich schon heute auf sinkende Lebensstandards ein. Dabei schätzen die Befragten aus den alten Ländern das Armutsrisiko mit 37 Prozent etwas geringer ein als die Ostdeutschen (39 Prozent). Auch das Vertrauen in die Solidargemeinschaft gibt Rückhalt: 70 Prozent der Bürger bewerten die Solidarität mit Menschen in Finanznöten als insgesamt hoch. Doch langfristig erwarten die Befragten einen drastischen Rückgang der Hilfsbereitschaft – im Osten wie im Westen der Republik.

Doch ist der Wille anderen Menschen zu helfen groß: 57 Prozent der Befragten unterstützen gegenwärtig mindestens eine Person finanziell. Die Bereitschaft und die Fähigkeit anderen mit Geld zu helfen, steigen erkennbar mit dem Einkommen. Doch auch jeder zweite Geringverdiener leistet Finanzhilfe. Meistens sind die eigenen Kinder die Empfänger der Unterstützung: Nahezu 53 Prozent der Befragten, die mindestens eine Person unterstützen, zahlen Unterhalt für den eigenen Nachwuchs. Obwohl die Ostdeutschen den eigenen Kindern öfter finanziell unter die Arme greifen, setzen vor allem die Westdeutschen auf die Unterstützung ihrer Kinder im Alter.
Bereitschaft der Bevölkerung, in 10 bis 20 Jahren Menschen in finanzieller Notlage zu unterstützen:

  • Sehr hoch: 3,1 Prozent
  • Hoch: 9,6 Prozent
  • Eher hoch: 20,6 Prozent
  • Eher gering: 30,6 Prozent
  • Gering: 22,6 Prozent
  • Sehr gering: 9,5 Prozent
  • Keine Angabe: 4,0 Prozent

Auf dem Land können sich die Deutschen im Notfall meist noch auf familiäre Bindungen verlassen. In den Städten hingegen bauen die Bürger auf heterogene Notfallnetze aus Freunden, Verwandten und Bekannten. Das Problem: Jeder sechste Erwachsene in Deutschland hat kein persönliches Rettungsnetz. Vor allem Geschiedene, Ältere und Geringverdiener fühlen sich kaum abgesichert. Das Risikobewusstsein der Menschen im ländlichen Raum und in Kleinstädten ist zum Teil deutlich stärker ausgeprägt als das von Großstadtbewohnern. Umgekehrt fühlen sich Großstädter für den Notfall besser abgesichert. Im Alter setzen die Deutschen für den Notfall durchschnittlich auf eineinhalb Menschen.

Oft ist von der „Erbengeneration“ die Rede, die ihren künftigen Lebensunterhalt zumindest teilweise mit geerbtem Vermögen bestreiten kann. Tatsächlich erwarten aber nur wenige eine große Erbschaft: Lediglich knapp jeder sechste Befragte hat nach eigenen Angaben Aussicht auf ein Erbe. Die Mehrheit der Bürger betreibt überhaupt keine Vorsorge für Angehörige. Dabei nehmen Verheiratete die Vorsorgeverantwortung für ihre Mitmenschen wesentlich ernster als Nichtverheiratete in einer festen Beziehung. Im Alter lässt die Vorsorge über Versicherungen nach, nicht aber die Sparbereitschaft. Die wichtigste Rücklage für Angehörige sind festverzinsliche Anlagen. Besserverdiener sichern auch gerne durch Immobilienkäufe ab.

Auf die eigene Vorsorge können sich nur wenige verlassen. Die Haushalte in Deutschland legen im Durchschnitt 12 Prozent des Nettoeinkommens zurück, doch dies reicht als Absicherung nicht aus. Zwei Drittel wollen daher in Zukunft entschiedener sparen als bisher. Besonders die Angst vor Armut im Alter motiviert die Befragten, mehr Geld zurückzulegen. An zweiter Stelle steht der Wunsch nach den eigenen vier Wänden. Am häufigsten nutzen die Deutschen festverzinsliche Sparanlagen zur Risikovorsorge (53,4 Prozent), gefolgt von der Kapitallebensversicherung (40,7 Prozent) und dem Immobilienkauf (39,5 Prozent). Jeder siebte Bürger bemüht sich nicht um finanzielle Risikovorsorge. Vor allem Personen mit einem Haushaltsnettoeinkommen unter 1.000 Euro vernachlässigen die Vermögensbildung für den Notfall.

Vorsorge gegen finanzielle Notlagen (Mehrfachnennungen möglich):

  • Festverzinsliche Sparanlagen: 53,4 Prozent
  • Kapitallebensversicherung: 40,7 Prozent
  • Immobilienkauf: 39,5 Prozent
  • Private Versicherung zur Absicherung der Lebensrisiken: 38,2 Prozent
  • Private Altersvorsorge: 37,3 Prozent
  • Betriebliche Altersversorgung: 31,2 Prozent
  • Investmentfonds: 26,8 Prozent
  • Aussichten auf Erbe: 13,8 Prozent
  • Keine der genannten Möglichkeiten: 9,9 Prozent
  • Keine Vorsorge möglich: 4,8 Prozent
  • Weiß nicht/keine Angabe: 3,2 Prozent

Ereignisse, die finanzielle Notlagen verursachen können (Mehrfachnennungen möglich):

  • Berufsunfähigkeit, Krankheit: 57,3 Prozent
  • Wirtschaftskrise, Inflation: 44,8 Prozent
  • Geringe gesetzliche Rente: 43,3 Prozent
  • Lange Arbeitslosigkeit: 42,6 Prozent
  • Tod eines Angehörigen: 19,1 Prozent
  • Opfer eines Kriminaldelikts: 18,1
  • Scheidung: 15,0 Prozent
  • Überschuldung: 14,4 Prozent
  • Falsche Geldanlage: 14,0 Prozent
  • Versorgungspflichten für Angehörige: 13,2 Prozent
  • Allgemeine Unsicherheit: 1,3 Prozent
  • Arbeitslosigkeit der Kinder: 0,1 Prozent
  • Umweltkatastrophe: 0,1 Prozent
  • Ausbleibende Mieteinnahmen: 0,1 Prozent
  • Krieg: 0,1 Prozent
  • Keine Gefahr einer finanziellen Notlage: 10,8 Prozent

Für den „Kundenkompass Armutsrisiken“ befragte die Cobus Marktforschung im Januar 2005 für Delta Lloyd und das F.A.Z.-Institut 1.000 deutschsprachige Bürger ab 18 Jahren. Die Befragten repräsentieren einen Querschnitt der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland. 48,1 Prozent der Befragten sind männlich, 51,9 Prozent weiblich. Sie wurden zufällig ausgewählt und über Telefon befragt. Für die Studie gilt die übliche Armuts-Definition der Europäischen Union, nach der eine Person als arm gilt, der weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens im Monat zur Verfügung stehen. In Deutschland liegt diese Armutsgrenze bei 938 Euro.

Media Contact

Dr. Mathias Oldhaver presseportal

Weitere Informationen:

http://www.deltalloyd.de

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