Rentenmarkt: Unverhoffter Kursschub

„Renten weiter freundlich“ – an Meldungen dieser Art haben sich die Anleger auf beiden Seiten des Atlantiks fast gewöhnt. Dabei dämpften zwar Ende September die Sitzungsprotokolle der US-Notenbank und der darin bekräftigte Wille, ein konjunkturell angemesseneres reales Leitzinsniveau zu etablieren, zunächst die Stimmung. Eine Reihe schwächer als erwartet ausgefallener Wirtschaftsdaten sowie neuerliche Wachstumszweifel angesichts rekordhoher Ölpreise bescherten Staatstiteln jedoch zuletzt unverhofft wieder Kurssteigerungen. Derzeit verzinsen sich zehnjährige US-Treasuries mit rund 4 Prozent und vergleichbare Bundesanleihen mit knapp 3,9 Prozent. Damit sind die Renditen jeweils bis auf 20 Basispunkte an die Jahrestiefs vom März herangerückt.

Insbesondere für die USA scheint die sommerliche Konjunkturdelle noch nicht überwunden. Im zweiten Quartal wuchs die weltweit führende Volkswirtschaft in erster Linie dank höherer Investitionen zwar mit annualisiert 3,3 Prozent spürbar stärker als zunächst veranschlagt. Auslaufende Steuererleichterungen und ölbedingte Effekte auf die verfügbaren Einkommen bremsen jedoch den privaten Verbrauch. Ein Ausgleich über eine verstärkte Belebung des Arbeitsmarktes ist auch im September nicht gelungen, denn die Zahl neu geschaffener Stellen verfehlte mit 96 Tsd. erneut die Prognosen. So setzt sich bei vielen Frühindikatoren die Korrektor der Erwartungen fort, während die aktuelle Lagebeurteilung in der Regel günstiger ausfällt. Diese Tendenz ist auch hierzulande – zuletzt beispielsweise im ZEW-Index – erkennbar: Positiven Meldungen wie den um 22 Prozent gestiegenen Maschinenbauaufträgen im August steht angesichts von Ölpreissorgen und noch anämischer Binnennachfrage eine zurückhaltende Perspektiveneinschätzung gegenüber. Nachdem auch die Europäische Zentralbank die hohen Ölpreise verstärkt als Konjunkturrisiko hervorhebt, befinden sich die gesamtwirtschaftlichen Prognosen für 2005 derzeit insgesamt vielfach auf dem Prüfstand.

In den USA wie auch in der Eurozone ist entsprechend die Sorge vor wachstumsgetriebenem Teuerungsdruck spürbar gesunken. Im Fahrwasser moderaterer Inflationsdaten (Deutschland September +1,8 Prozent, USA August +2,7 Prozent) werden auch die Leitzinsperspektiven wieder günstiger beurteilt. Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die US-Notenbank weiter auf eine Normalisierung des Leitzinsniveaus setzt und deshalb an ihrer Politik schonender Satzanhebungen festhalten dürfte. Auch die EZB hat bereits Wachsamkeit gegenüber potenziellen Inflationsrisiken signalisiert. Neben den Ölpreisen könnte hier nicht zuletzt der wenig stabilitätskonforme Umgang mit öffentlichen Defiziten verstärkt ins Blickfeld geraten. Dies dürfte insgesamt nicht spurlos an den Kapitalmarktzinsen vorbeigehen und so auf Basis des derzeit von hoher Sicherheitspriorität geprägten Kursniveaus den Spielraum für weitere Gewinne begrenzen. Der aktuell günstige Rating-Trend sowie das noch von geringen Wachstumssorgen geprägte Kursbild sprechen zudem dafür, Alternativen im Unternehmensanleihen-Sektor allenfalls limitiert zu nutzen.

Media Contact

Stefan Steib Landesbank Rheinland-Pfalz

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