Die Zinsrichtlinie: Ein Durchbruch?

Untersuchung des IFSt zur EU-Politik bezüglich der Besteuerung privater Auslandszinsen


Die vom Rat der Europäischen Union am 3.6.2003 erlassene Zinsrichtlinie soll ebenso wie die ergänzenden Abkommen mit der Schweiz, Liechtenstein und anderen Drittstaaten vom 1.7.2005 an in allen beteiligten Staaten und damit auch in Deutschland angewendet werden. Das hat der EU-Ministerrat am 28.6.2004 beschlossen. Der Geltungsbereich der Richtlinie erstreckt sich ausschließlich auf solche Zinserträge, die eine in einem EU-Staat ansässige natürliche Person in einem anderen EU-Staat oder einem abkommensmäßig „miteingebundenen“ Drittstaat (z.B. der Schweiz) bzw. Drittgebiet (z.B. den Kanalinseln) erzielt hat.

Zunächst wird ein gespaltenes System eingeführt: Alle EU-Staaten mit Ausnahme von Belgien, Luxemburg und Österreich melden künftig dem jeweiligen EU-Wohnsitzstaat des Kapitalanlegers „automatisch“ dessen Zinserträge. Belgien, Luxemburg und Österreich – voraussichtlich auch die angeschlossenen Drittstaaten (wie z.B. die Schweiz) und Drittgebiete – geben einstweilen keine Meldungen ab; statt dessen erheben sie eine Quellensteuer von zunächst 15 v.H., ab 1.7.2008 20 v.H. und ab 1.7.2011 35 v.H. Langfristig ist jedoch eine Beteiligung aller EU-Staaten an dem automatischen Informationsaustausch vorgesehen.

Gegenstand der vom Institut „Finanzen und Steuern“ e.V. (Bonn) herausgegebenen IFSt-Schrift Nr. 418 sind Entstehung, rechtlich-politischer Rahmen und Einzelinhalt der neuen Regelung. Ergänzt wird dies durch eine kritische Bewertung der jetzt nach jahrelangen Diskussionen gefundenen Lösung. Das Urteil fällt – bei aller Anerkennung, dass überhaupt ein Kompromiss möglich wurde – im Endergebnis negativ aus.

Auch das neue grenzüberschreitende Kontrollregime bietet trotz des hohen bürokratischen Aufwandes, der allen Beteiligten, insbesondere den Banken, zusätzlich abverlangt wird, keine Gewähr dafür, dass der Bezug von Auslandszinsen von nun an durchgängig steuerlich erfasst wird. Grund dafür sind schwerwiegende strukturelle Lücken und Schwachstellen der Neuregelung, die wohl auch in Zukunft kaum beseitigt werden können. Gefordert wird in der Arbeit daher ein Strategiewechsel. Nicht immer mehr Kontrolle – statt dessen sollte die Beseitigung der entscheidenden Ursache für das verbreitete Nichtdeklarieren von Auslandszinsen das Ziel sein. D.h., die hohe inländische Steuerlast auf Zinseinkünfte muss gesenkt werden. Modell könnte die Einführung einer moderaten Abgeltungssteuer sein, wie es sie schon in vielen EU-Staaten gibt.

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Clemens Esser idw

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