Das Sparverhalten in Europa ändert sich nur langsam

Sparquoten in Europa

Sparmotive dominieren die Geldvermögensbildung

Auch fünf Jahre nach Beginn der Währungsunion und des gemeinsamen Finanzbinnenmarktes hat sich an den nationalen Eigenarten im Sparverhalten der privaten Haushalte nur wenig geändert. Die nationalen Rahmenbedingungen dominieren nach wie vor sowohl den Umfang der Geldvermögensbildung als auch die Präferenzen für die verschiedenen Anlageformen. Dahinter stehen ganz offensichtlich unterschiedliche Sparmotive. Die Bedeutung der privaten Altersvorsorge in den einzelnen Ländern der EU dürfte dabei das hervorstechendste Merkmal sein. Länder mit einer langen Tradition kapitalgedeckter privater Altersvorsorge weisen in Europa nicht nur das höchste Geldvermögen pro Kopf aus, die Zusammensetzung des Geldvermögens in diesen Ländern unterscheidet sich auch recht deutlich von der in den übrigen Ländern.

An einem Ende der Skala findet sich Österreich. Dort dominiert nach wie vor die Geldanlage auf dem Sparbuch. Fast 56 % des Geldvermögens entfielen im Jahr 2002 hier auf die Rubrik Bargeld und Einlagen. Zwar ist die Bedeutung des Sparbuchs auch in Österreich seit Mitte der neunziger Jahre rückläufig, aber in keinem anderen Land in Europa vertrauen die Menschen so stark auf diese Sparform. In Deutschland besitzt diese Form der Vermögensbildung traditionell ebenfalls eine hohe Bedeutung. Allerdings ist der Anteil der Sparguthaben seit Mitte der neunziger Jahre von 42 % auf nur noch 36 % im Jahr 2002 gesunken und befindet sich damit im europäischen Mittelfeld.

Verzinsliche Wertpapiere besitzen nur in wenigen europäischen Ländern eine größere Bedeutung. Dies hängt häufig damit zusammen, dass staatliche Wertpapiere dort traditionell nicht als Sparform der privaten Haushalte betrachtet wurden. Zwar bemühen sich in den letzten Jahren zum Beispiel die französische und britische Regierung für staatliche Wertpapiere auch private Haushalte als Investoren zu gewinnen, aber der Anteil am gesamten Geldvermögen ist mit jeweils etwa 2 % recht klein. In Deutschland haben die privaten Haushalte dagegen rund 11 % ihres Geldvermögens in Geldmarkt- und Rentenpapieren angelegt.

Recht unterschiedlich ist in Europa auch die Bedeutung der Anteilsrechte. Dazu zählen Aktien, Beteiligungen und Investmentzertifikate. Die von den einzelnen Ländern zur Verfügung gestellten Daten lassen leider eine Differenzierung der Entwicklung zwischen diesen Anlageformen nicht zu. Grundsätzlich gilt jedoch, dass der Wert der Anteilsrechte in den zurück liegenden zehn Jahren den stärksten Schwankungen unterworfen war. Auf die Ursachen hierfür wird weiter unten noch genauer eingegangen. Tatsache ist auch, dass in jenen Ländern, in denen die kapitalgedeckte private Altersvorsorge eine große Bedeutung besitzt, die direkte Anlage in Aktien und Investmentzertifikaten von unterdurchschnittlicher Bedeutung ist.

Die längste Tradition mit einer kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge gibt es in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich. Die Ansprüche an Lebensversicherungen und Pensionsfonds summieren sich in beiden Ländern auf mehr als die Hälfte des Geldvermögens der privaten Haushalte. Auch in Dänemark und Schweden hat die Bedeutung der privaten Altersvorsorge seit Mitte der neunziger Jahre erheblich zugenommen. Belief sich der Anteil an Ansprüchen an Lebensversicherungen und Pensionsfonds am Geldvermögen 1995 noch auf 34 % in Dänemark und 27 % in Schweden so waren es im Jahr 2002 in beiden Ländern mehr als 40 %.

Die Auswirkungen auf die Vermögensbildung im Vergleich zu Ländern, die bei der Altersvorsorge noch überwiegend auf Umlageverfahren setzen, zeigt ein Blick in die Tabelle der Geldvermögen pro Kopf. Vor allem die Vermögenszuwächse der Pensionsfonds haben dazu geführt, dass das Geldvermögen pro Kopf im Vereinigten Königreich zwischen 1995 und 2002 um 75 % auf mehr als 69.000 Euro gestiegen ist. In Deutschland belief sich der Zuwachs im gleichen Zeitraum nur auf 32 %. Dabei war gleichwohl zu beobachten, dass die privaten Haushalte in Deutschland in den letzten Jahren der privaten Altersvorsorge ein größeres Augenmerk gaben, so dass deren Bedeutung für das Geldvermögen auch hierzu Lande etwas gestiegen ist. Allerdings ist es noch zu früh, um aus den vorliegenden Daten Auswirkungen des Altersvorsorgegesetzes ableiten zu können.

Der Einfluss des Börsencrashs auf das Geldvermögen der privaten Haushalte

In allen Ländern Europas hat die New Economy Blase an den Aktienmärkten erkennbare Spuren in der Entwicklung der Geldvermögen der privaten Haushalte hinterlassen. Generell ist festzustellen, dass das Ausmaß der Auswirkungen von der Bedeutung der Aktienmärkte für die Geldvermögensbildung der privaten Haushalte abhängig war.

Zwischen 1995 und 1999, dem Höhepunkt der Aktienhausse, sind die Geldvermögen der privaten Haushalte in Europa insgesamt und pro Kopf in allen Ländern kräftig gestiegen. Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der Aktien am gesamten Geldvermögen in allen Ländern spürbar. In allen Ländern verzeichneten die privaten Haushalte zwischen 1995 und 1999 mindestens eine Verdopplung ihres Aktienvermögens, in Österreich verdreifachte er sich und in Italien stieg er sogar um das Vierfache. Im danach folgenden Börsencrash ging dieser Vermögenszuwachs jedoch größtenteils wieder verloren.

Die Auswirkungen dieses Ereignisses auf das gesamte Geldvermögen variierte jedoch von Land zu Land sehr stark. Während in einigen Ländern, wie z.B. in Deutschland, der Vermögensverlust durch die Ersparnisbildung und die Vermögenszuwächse der übrigen Geldvermögensbestandteile weitgehend aufgefangen werden konnte und das Geldvermögen pro Kopf in den Jahren danach noch leicht stieg oder auf dem erreichten hohen Niveau stagnierte, mussten die privaten Haushalte in anderen Ländern deutliche Vermögensverluste hinnehmen. Dies war vor allem im Vereinigten Königreich der Fall, wo das Geldvermögen pro Kopf von 1999 bis 2002 um 19 % gesunken ist. Markante Geldvermögensverluste gab es darüber hinaus noch in Belgien, Frankreich und den Niederlanden. In diesen Ländern war der Rückgang des Wertes des Aktienvermögens überdurchschnittlich stark.

Das Sparverhalten hat sich wieder normalisiert

Die starken Vermögensschwankungen, die durch die Entwicklung der Aktienbörsen seit Mitte der neunziger Jahre ausgelöst wurden waren, sind selbstverständlich nicht ohne Einfluss auf das Sparverhalten in Europa geblieben. Der international zu beobachtende Trend einer rückläufigen Sparquote hat sich im Zuge der Börsenhausse noch verstärkt. In allen europäischen Ländern ist die Sparquote zwischen 1995 und 1999 zum Teil beträchtlich gesunken. Unterstellt man, dass die Haushalte über eine wenn auch nur vage Vorstellung eines optimalen Geldvermögensniveaus verfügen, dann ist diese Entwicklung leicht erklärlich.

Dank den Gewinnen an den Aktienbörsen stieg das Geldvermögen nicht nur absolut, sondern vor allem auch in Relation zum verfügbaren Einkommen. Die privaten Haushalte fühlten sich dadurch subjektiv reicher. Da die gesetzten Vermögensziele nun schneller erreicht werden konnten, wurden die Sparanstrengungen verringert. Mit anderen Worten, die Konsumausgaben stiegen, die Sparquote sank.

Mit dem Crash an den Aktienbörsen drehte sich diese Entwicklung um. Um trotz der Geldvermögensverluste an den Börsen die angestrebten Vermögensziele zu erreichen, mussten nun die Sparanstrengungen wieder erhöht werden. Die Sparquote stieg also wieder, und wie der Grafik zu entnehmen ist, in fast allen europäischen Ländern. Diese Entwicklung wurde zusätzlich durch die nicht nur in Deutschland einsetzende Diskussion um die Folgen der Überalterung der Gesellschaft unterstützt. Die Notwendigkeit einer privaten Altersvorsorge, die nicht zuletzt auch in der starken Zunahme der Ansprüche an Lebensversicherungen und Pensionsfonds erkennbar ist, dürfte deshalb nicht nur zu einer Umschichtung der ersparten Geldmittel, sondern auch zu einem Anstieg der Sparquote beigetragen haben.

Der Anstieg der Sparquote in Deutschland zwischen 1999 und 2003 von 9,8 % auf 10,8 % verlief demnach parallel zur Entwicklung in den übrigen europäischen Ländern. Die Versuche, diesen Anstieg als eine konjunkturschädliche Form von Angstsparen zu diffamieren, führen deshalb weitgehend an den Tatsachen vorbei. Ein Anstieg der Sparquote ist ganz im Gegenteil zwingend erforderlich soll die private kapitalgedeckte Altersvorsorge auf ein breites Fundament gestellt werden. Der Anstieg der Sparquoten in Deutschland und in den übrigen Ländern Europas ist vielmehr eine Rückkehr zu einem Normalniveau und deshalb kein Anlass zur Besorgnis.

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