Rentenmarkt: Für Entwarnung zu früh

Spekuliert wird seit einigen Wochen vor allem über das Ausmaß und die Geschwindigkeit, mit der die US-Notenbank die ultraniedrigen Leitzinsen auf ein konjunkturell angemesseneres Niveau schleusen dürfte. Entgegen der bisher überwiegenden Einschätzung, dass die Federal Reserve frühzeitig und entschlossen handeln werde, klangen Sorgen vor stark steigenden Zinsen zuletzt etwas ab. Eine vergleichsweise moderate US-Kerninflation im Mai stützt die Ansicht, dass nun auch dieser Zinserhöhungszyklus am 30. Juni nur mit einem kleinen Schritt um 25 Basispunkte beginnen könnte. Entsprechend folgte auf die deutlichen Renditeanstiege seit dem Jahrestief im März, in deren Verlauf insbesondere die Verzinsung zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen unter Überwindung eines drei Jahre alten Abwärtstrends kräftig um insgesamt 117 Basispunkte anzog, zuletzt eine etwas ruhigere Gangart. Die Treasury-Renditen bildeten sich von ihren Hochs zur Monatsmitte auf aktuell 4,69 Prozent zurück, während zehnjährige Bundesanleihen nach zuvor deutlich unterproportionalem Anstieg tendenziell seitwärts bei knapp unter 4,4 Prozent rentieren.

Das allgemeine konjunkturelle Szenario basiert trotz zwischenzeitlich dominierender Ölpreis- und Zinssorgen weiterhin auf einer intakten weltwirtschaftlichen Erholung. Bremsenden Faktoren stehen insgesamt positive gesamtwirtschaftliche Trends in den USA und Japan, die sich robuster als noch vor einigen Monaten angenommen darstellen, gegenüber. Zuletzt bestätigte beispielsweise der Internationale Währungsfonds seine Prognose von +4,6 Prozent für die globale Wirtschaft im laufenden Jahr. Mai-Daten wie die Einzelhandelsumsätze (+8,8 Prozent) oder die Industrieproduktion (+6,3 Prozent gegen Vorjahr) verdeutlichen das hohe Expansionstempo in den USA. In der Eurozone setzt sich getrieben von der Außenwirtschaft ebenfalls eine freundlichere Entwicklung durch, allerdings blieben bisher die für eine weitere Beschleunigung entscheidenden Impulse vom privaten Verbrauch auf breiter Front aus. Dies gilt insbesondere auch für Deutschland. So sind vereinzelt skeptische Stimmen (z.B. DIHK-Umfrage) zu den Erwartungen für das zweite Halbjahr vernehmbar, obwohl einige Prognosen, die im ersten Quartal zurückgenommen wurden, angesichts des bisherigen Jahresverlaufs eher wieder Aufwärtstendenz zeigen (z.B. IfW Kiel). Trotz möglicher Wachstumsbelastungen resultierend aus der hochdefizitären US-Leistungsbilanz, einer Abschwächung in China sowie einer Normalisierung der hochtourigen US-Wirtschaft infolge geringeren geld- und fiskalpolitischen Anschubs spricht einiges dafür, dass sich bei etwas verringertem Momentum sowohl die Expansion der Weltwirtschaft als auch in deren Fahrwasser der moderate Erholungskurs der Eurozone fortsetzen sollten.

Neben der konjunkturellen Perspektive steht der zunehmende Preisdruck auf den Vorstufen (Mai: US-Erzeugerpreise +5,0 Prozent gegen Vorjahr) sowie die beschleunigte Teuerung bei den Verbrauchsausgaben (Mai: Euroland +2,5 Prozent, USA +3,1 Prozent gegen Vorjahr) im Fokus. Wenngleich Produktivitätsgewinne und geringer Lohndruck in den USA die Gefahr von Zweitrundeneffekten aus den primär energiepreisbedingt höheren Inflationsraten derzeit mindern, ist es für eine generelle Entwarnung zu früh. Erst nach den ersten Zinsschritten in den USA dürfte das Bild erkennbar aufklaren, so dass trotz attraktiver gewordener Verzinsungen vorerst weiter Augenmaß bei Neuanlagen in langen Laufzeiten geboten ist.

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Stefan Steib LRP

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