Rogowski: Die Regierung hat es in der Hand, ob die Konjunktur aufwärts oder abwärts geht 

Jochen Seufert


"Wir haben eine Wachstumsdelle. Trotz der weltwirtschaftlichen Risiken besteht kein Anlass zum Pessimismus, denn wir haben ein großes Potenzial, um kräftiger zu wachsen und die Arbeitslosigkeit abzubauen", erklärte Michael Rogowski, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), auf der Hannover Messe. Ein nur mäßiges Wachstum sei kein Schicksal, in das man sich fügen müsse. Die Regierung könne entscheidend dazu beitragen, dass die Konjunktur aufwärts und nicht abwärts gehe. Die Politik setze zu sehr auf Regulierung, Verbote oder Interventionen. "Wenn wir mehr auf die Märkte und den Wettbewerb vertrauen, können wir viele Probleme leichter lösen", betonte Rogowski.

      Das Ende des zehnjährigen Booms in den USA habe Auswirkungen auf die Geschäftserwartungen der deutschen Unternehmen. Eine Wiederholung der amerikanischen Entwicklung sei in Deutschland und Europa wegen der strukturellen Unterschiede nicht wahrscheinlich.

      Für das laufende Jahr sei beim deutschen Ausfuhrvolumen mit dem beachtlichen Zuwachs von zehn Prozent zu rechnen. "Damit bleibt der Export der Motor der deutschen Konjunktur", sagte der BDI-Chef. Dies sei allerdings auch nötig, "sonst könnten wir unser chronisches Leistungsbilanzdefizit überhaupt nicht finanzieren." Die Ausrüstungsinvestitionen der Industrie seien stabil, wenn auch die Dynamik nicht mehr so hoch sei wie im Vorjahr. Hauptstütze der Konjunktur bleibe weiterhin die Industrie. Zwar seien die Auftragseingänge zu Jahresbeginn schwächer gewesen, doch lägen die Auftragsbestände nach wie vor auf so hohem Niveau, dass sich die gute Produktionsentwicklung, wenn auch mit geringerer Dynamik, fortsetzen werde. "Hätte die Politik nur mehr Mut zu strukturellen Reformen, könnte unser Wirtschaftswachstum auch in diesem Jahr kräftiger ausfallen", mahnte Rogowski.

      Zur Lage in den neuen Bundesländern erklärte der BDI-Präsident: "Der Osten steht nicht auf der Kippe. Es blühen zwar nicht alle Landschaften, aber wir dürfen die Fortschritte nicht zu gering veranschlagen." Es müsse noch viel aufgeholt werden, doch die vielen nach der Wende gegründeten Unternehmen bildeten inzwischen das Rückrat des ostdeutschen Aufschwunges. Es zeichne sich bereits ab, dass das wirtschaftliche Leistungsgefälle nicht mehr pauschal von West nach Ost verlaufe, sondern zwischen einzelnen Regionen sowohl im Westen wie im Osten. Daher mache eine Fortsetzung der Sonderförderung für Unternehmen in den neuen Bundesländern nach dem Jahr 2004 keinen Sinn mehr. Die Förderung sollte innerhalb eines bundesweit einheitlichen Systems organisiert werden, forderte Rogowski. "Unternehmen, die sich bis 2004 nicht aus eigener Kraft behaupten können, werden auch durch dauerhafte Förderung nicht wettbewerbsfähig."

      Um die hochentwickelte deutsche Volkswirtschaft auf einen beschäftigungsintensiven Wachstumskurs zu bringen, forderte der BDI-Präsident eine durchgreifende Liberalisierung des Arbeitsmarktes, die Fortsetzung der Steuerreform, eine Verbesserung der Infrastruktur und eine Beseitigung der Engpässe in Bildung und Qualifikation.

      Die Regulierungsfreude der Regierung auf dem Arbeitsmarkt sei zu Lasten der Arbeitslosen gegangen. Die Verschärfungen bei den befristeten Beschäftigungsverhältnissen, bei der Teilzeitregelung und als Spitze des Eisbergs beim Betriebsverfassungsgesetz schraube die Einstellungsschwelle bei den Unternehmen nach  oben. "Unsere hohe Arbeitslosigkeit lässt sich nicht durch Gesetze abschaffen – sondern nur mit mehr Wachstum", so Rogowski.

      Der Mittelstand sei besonders unzufrieden mit Rot-Grün, weil die Steuerreform die Personenunternehmen erst sehr viel später und weniger kräftig entlaste als die Kapitalgesellschaften. "Wenn die Koalition die bereits vorgesehene Tarifentlastung für die Personenunternehmen vorzöge, wäre dies auch für die Konjunktur das richtige Zeichen", forderte der BDI-Chef. Bei den Abschreibungen gebe es immer noch einen offenen Dissens mit der Regierung über die Belastungswirkungen. "Wir verlangen, dass sich die Regierung an ihre Zusage hält, die Wirtschaft nicht mit mehr als 3,5 Mrd. DM zu belasten. Diese Belastung muss gleichmäßig auf den gesamten Unternehmensbereich verteilt werden." Zu den Vorschlägen zur Fortentwicklung der Unternehmensbesteuerung erklärte Rogowski: "Sie enthalten richtige Ansätze. Insgesamt fehlt es allerdings an Mut".

      Um dem Wachstum Schub zu geben, sei auch eine bessere Infrastruktur nötig. Das bezog Rogowski nicht nur auf höhere Investitionen. "Vor allem brauchen wir auf den Infrastrukturmärkten wie den Energie- oder Verkehrsmärkten mehr Wettbewerb. Damit halten wir die Kosten niedrig und ermöglichen mehr Beschäftigung." Doch die Regierung konterkariere die ersten Wettbewerbserfolge in den Energiemärkten. Von den Preisvorteilen in Höhe von insgesamt 15 Mrd. DM aufgrund des intensiveren Wettbewerbs kassiere der Staat etwa 11 Mrd. DM durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das Kraft-Wärme-Kopplungs-Sicherungs-Gesetz oder die Stromsteuer. Im Verkehrsbereich sei die Infrastruktur dem erwarteten Verkehrsaufkommen "schlicht nicht gewachsen", so Rogowski.

      Um das Wirtschaftswachstum langfristig abzusichern, müsse Deutschland "sofort die Bildungsanstrengungen drastisch erhöhen", mahnte der BDI-Präsident. Der Fachkräftemangel sei bereits eine starke Wachstumsbremse. "Inzwischen muss jedes sechste Unternehmen Innovationsprojekte aufschieben oder abbrechen, weil ihm die notwendigen Fachleute fehlen", warnte er. Mit Zuwanderung allein sei dieser Engpass nicht zu beseitigen. Dazu müssten jetzt Reformen im Schul- und Hochschulbereich angepackt werden.

      "Wenn wir jetzt die letzte Stufe der Steuerreform vorziehen und mit der Liberalisierung der Infrastrukturmärkte positive Fakten schaffen, dann wären das die Eckpfeiler für eine konstruktive Wirtschaftspolitik, auf die unsere Gesellschaft wartet", appellierte Rogowski an die rot-grüne Koalition. Die Bundesregierung habe es in der Hand, die Weichen noch in dieser Legislaturperiode richtig zu stellen. "Sie ist dafür verantwortlich, dass es aufwärts und nicht abwärts geht."

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