RUB-Studie: Mittelstand und Banken in der Beziehungskrise

Sie sind monogam, treu – und trotzdem kriselt es in ihrer Beziehung. Fast 50 Prozent der Mittelständler machen im Schnitt seit über 25 Jahren Geschäfte mit ihrer Hausbank, ebenso viele haben nur maximal zwei Bankverbindungen. Die Treue wird nicht belohnt: Für 45 Prozent der Unternehmen haben sich die Kreditbedingungen verschlechtert, die Mittelständler bewerten die Beratungsqualität ihres Kreditinstituts nur noch als „mäßig“. Das sind zentrale Ergebnisse der jüngsten Branchenbefragung des Instituts für Kredit- und Finanzwirtschaft der RUB (ikf) in Kooperation mit der internationalen Unternehmensberatung „paul und collegen“ unter 3.500 Mittelständlern in wirtschaftlichen Kernzonen Nordrhein-Westfalens.

Breite Befragung

Im Sommer 2003 hat das ikf gut 3.500 Mittelständler schriftlich zu ihrer momentanen Finanzierungssituation befragt. Mit einem Rücklauf von 14 Prozent (knapp 500 Unternehmen) ist es eine der breitesten Befragungen zu diesem Thema in Deutschland. Die Befragten sind „typische“ Mittelständler mit einem Umsatz unter 50 Millionen Euro im Jahr und einem durchschnittlichen Umsatz von 7,2 Millionen Euro. Die Ergebnisse ihrer Studie „Szenen einer Ehe – Mittelstand und Banken in der Beziehungskrise?“ haben Dr. Michael Paul (Unternehmensberatung paul und collegen), Prof. Dr. Stephan Paul und Dr. Stefan Stein (beide ikf) nun vorgestellt.

Banken ohne Profil

Ehen, die über 25 Jahre dauern – wo gibt es das noch? Im deutschen Mittelstand: Die Loyalität der Unternehmer zu ihrer Hausbank ist außerordentlich hoch. Vom Girokonto über die Kreditkarte und Wertpapieranlagen bis zur individuellen Kreditvergabe nehmen sie das gesamte Leistungsspektrum ihrer Hausbank in Anspruch. 66 Prozent der Befragten haben auch ihre private Bankverbindung bei demselben Kreditinstitut. Doch den Banken mangelt es an Profil: Die Wahrnehmung der einzelnen Kreditinstitute variiert kaum, keine Bank kann sich aus der Sicht der Befragten anders als die Konkurrenz am Markt positionieren.

Alle Institute ziehen die Kreditschraube noch einmal an

Dass sich die Bedingungen bei der Kreditvergabe verschlechtert haben, sehen die befragten Unternehmer über alle Institutsgruppen hinweg ähnlich. Insbesondere bei den Sparkassen stellt aber die Hälfte der Kunden eine Verschlechterung fest: Die Sparkassen ziehen die Kreditschraube an, viele Mittelständler verlieren damit einen ihrer letzten „Zufluchtsorte“, da die Sparkassen in dieser Gruppe einen Marktanteil von über 50 Prozent haben.

Was bringt Basel II?

Ab 2007 ist geplant, EU-weit neue Eigenkapitalregeln für Banken einzuführen (Basel II genannt). Doch schon weit vor der Einführung verläuft die Kreditvergabe nach strengeren Maßstäben. 45 Prozent der Unternehmen bewerten die Kreditbedingungen heute als „schlechter“, davon sind große wie kleine Mittelständler gleichermaßen betroffen – sogar ein Drittel der Unternehmen, die nach eigenen Angaben über eine „gute Bonität“ verfügen. In den Augen ihrer Kunden beraten die Banken nicht ausreichend: „Die ikf-Qualitätsampel der Bankberatung steht auf gelb/rot“, warnen die Bochumer Wirtschaftswissenschaftler auf Grund ihrer Ergebnisse.

Die Paartherapie

Aus der Ist-Analyse leiten die Forscher eine Soll-Situation ab. Die oberste Regel der „Paartherapie“ lautet: „Man muss mehr miteinander reden“. Die Kommunikation zwischen Banken und Mittelstand muss dringend verbessert werden, insbesondere mit Blick auf Basel II. Nach welchen Kriterien Banken ab 2007 unter der neuen EU-Richtlinie Kredite vergeben, müssten sie bereits jetzt transparent machen. Die Kunden andererseits müssten frühzeitig das Gespräch mit ihrer Bank suchen und nicht erst kommen, wenn es schon „lichterloh brennt“, so die Studie. Von den Mittelständlern verlange die Situation mehr Flexibilität und die Bereitschaft, alte Zöpfe abzuschneiden. Die Institute müssten mit den Kunden ein klares Vorgehen besprechen und sich selbst ein deutliches Profil am Markt geben, urteilen Paul, Paul und Stein.

Die lachenden Dritten

Die lachenden Dritten der Beziehungskrise könnten so genannte „regionale Mittelstandfonds“ sein, schreiben die Forscher. Nach Einschätzung der Befragten verzeichneten diese Fonds in Zukunft den größten Bedeutungszuwachs unter allen Finanzierungsformen. Dabei wird auf regionaler Ebene Geld gesammelt, über das Unternehmen aus der Region wiederum verfügen können. Dies ermöglicht zum Beispiel auch Nichtbanken, als Finanzdienstleister aufzutreten. Wenn es also weiter kriselt in der alten Ehe, bietet sich hier vielleicht die Möglichkeit für einen „lukrativen“ Seitensprung.

Bezug der Studie

Die Studie kann via E-Mail unter ikf@rub.de oder berlin@paulcollegen.com kostenlos bezogen werden.

Weitere Informationen

Dr. Stefan Stein, Institut für Kredit- und Finanzwirtschaft (ikf), Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der RUB, Tel. 0234/32-25344, E-Mail: stefan.stein@rub.de

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Dr. Josef König idw

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