EU fördert mit Agrarpolitik die Entwicklungsländer

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, ist zuversichtlich, dass die WTO-Verhandlungen in Cancun an der europäischen Landwirtschaft und an der EU Agrarpolitik nicht scheitern werden. „Die EU ist mit ihren Reformen zur Agrarpolitik seit 1992, die für die Bauern sehr schmerzhaft waren, gut aufgestellt und hat in den bisherigen Verhandlungen gerade im Hinblick auf die Entwicklungsländer entscheidende Verhandlungsfortschritte ermöglicht“, erklärte Sonnleitner vor Journalisten in Berlin.

Die zwischenzeitliche Einigung zwischen der EU und den USA sei eine erfolgversprechende Verhandlungsgrundlage und ein sehr positives Signal für Konjunktur und weltweite Wirtschaftsbelebung. Diese Einigung habe auch vollen Eingang in das Kompromisspapier des WTO- Ratsvorsitzenden Pérez de Castillio gefunden. Dieser Kompromiss übervorteile niemanden, die Entwicklungsländer könnten ihre Spielräume nutzen und die Industriestaaten beseitigten den Exportwettlauf auf Kosten des Staates. Was bisher noch fehle und nachgeholt werden müsse, seien klare Prinzipien und Regeln für den Tier-, Natur- Umwelt- Verbraucherschutz. Es sei völlig unverständlich, warum Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast und EU-Agrarkommissar Franz Fischler gerade in diesen für die Verbraucher und die Landwirte in Europa wichtigen Fragen nicht härter auftreten würden. Es mache keinen Sinn, zu Hause hohe Auflagen in der Tierhaltung als gesellschaftspolitisch erwünscht einzufordern, auf internationalem Parkett in der WTO- Verhandlungsrunde aber noch nicht einmal den „Fuß in die Tür zu bekommen“. Tierschutz wie Verbraucherschutz seien unteilbar, betonte Sonnleitner.

Mit den drei Agrarreformen von 1992, 1999 und 2003 gab es innerhalb von elf Jahren drei grundlegende Entscheidungen, die die europäischen Landwirte weltmarktfähiger gemacht hätten und mit denen Handelsbarrieren abgebaut worden seien, betonte Sonnleitner. Direktzahlungen, die die Landwirte in der EU als teilweisen Ausgleich für Preissenkungen ihrer Produkte auf Weltmarktniveau erhielten und die weitgehend oder vollständig von der Produktion entkoppelt worden seien, böten heute keinen Anreiz mehr für eine Überproduktion. Deshalb gehörten die Zeiten struktureller Milchseen, Getreide- und Rindfleischberge in der EU heute der Vergangenheit an. Der Bauernpräsident betonte, dass die EU als einziger Akteur im Weltagrarhandel Stilllegungen von Getreideflächen in größerem Ausmaß durchführe und zudem die eigene Milch-, Rindfleisch-, Zucker- und Stärkeproduktion durch Marktordnungen begrenze. Dadurch würden die Weltmärkte wesentlich entlastet und stabilisiert.

Die immer wieder im Hinblick auf die Märkte in den Entwicklungsländern kritisierten Exporterstattungen der EU seien in den vergangenen zehn Jahren radikal zurückgefahren worden, und zwar von 37 Prozent im Jahr 1990 auf nur noch 8 Prozent in 2001. Ein weiterer Abbau werde angestrebt und sei möglich, wenn sich alle Anbieter auf dem Weltmarkt in den anstehenden WTO-Verhandlungen verpflichteten, ihre Exportförderung zurückzufahren. „Dies gilt auch für die versteckten Exportförderungen der USA oder der Cairns-Länder mit verbilligten Exportkrediten, steuerlichen Exportvergünstigungen und Nahrungsmittelhilfe“, forderte Sonnleitner.

Die EU habe der Dritten Welt auch im Hinblick auf die Förderung ihrer wirtschaftlichen Entwicklung und zur Bekämpfung des Hungers einzigartige und vorbildliche Handelsbedingungen eingeräumt. Die Agrarexporte aus der Dritten Welt in die EU seien beispielgebend. Denn seit dem Jahr 2001 dürfen die 49 ärmsten Staaten mit 630 Millionen Einwohnern faktisch alle Güter in die EU zollfrei exportieren. 70 Prozent aller Agrarprodukte dieser Staaten würde die EU aufnehmen, betroffen seien rund 900 Agrarprodukte. Bereits heute importiere die EU mehr Agrargüter aus den Entwicklungsländern als USA, Kanada, Japan, Australien und Neuseeland zusammen. Zudem verpflichtete sich die EU, den 71 Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP-Staaten) ab dem Jahr 2005 praktisch für alle Produkte freien Marktzugang in die EU zu gewähren.

Sonnleitner wies deshalb die in der öffentlichen Diskussion häufig vorgebrachte Kritik, die EU-Agrarpolitik immer wieder als handelshemmend und für Armut und Hunger in der Welt verantwortlich zu machen, entschieden zurück. Von den weltweit 800 Millionen hungernden Menschen würden 70 Prozent Bauern sein. „Wenn Bauernfamilien hungern müssen, dann kann nicht die EU-Agrarpolitik schuld sein, dann stimmt bei den Regierungen dort etwas nicht“, schlussfolgerte Sonnleitner. Tatsächlich seien die Ursache für Hunger, Verelendung und Verschuldung ungerechte Besitzverteilung, Landvertreibung, Umweltzerstörung, kriegierische Auseinandersetzungen sowie Korruption. Voraussetzung für eine ausreichende Nahrungsmittelproduktion seien das gesicherte und geschützte Recht der Bauern auf Eigentum funktionierende Märkte für Boden und Kapital, die Förderung des Humankapitals durch Ausbildung und Beratung sowie ein angemessener Außenschutz für die dortigen Agrarmärkte. Sonnleitner bewertete die Tatsache, dass sich die Staaten selbst den Status eines Entwicklungslandes geben könnten, für die Verhandlungsposition der Entwicklungsländer bei der WTO-Runde als nachteilig. Ein Ölland wie Bahrein, eine Weltmacht wie China oder der aggressivste Agrarexporteur der Erde überhaupt, Brasilien, würden sich so in eine Reihe mit Entwicklungsländern wie Mali, Niger oder Burkina Faso stellen. „Wer wirklich fairen Welthandel will, der darf davor jetzt nicht die Augen verschließen“, betonte Sonnleitner.

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Dr. Michael Lohse Deutscher Bauernverband

Weitere Informationen:

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