EU-Osterweiterung: Verstärkte Anstrengungen zur Modernisierung der Infrastruktur notwendig


DIW Berlin: Forcierung der Marktwirtschaft wichtiger als Finanzspritzen

Die europäische Infrastrukturpolitik steht vor einem Dilemma: Einerseits liegt die Infrastrukturausstattung der mittel- und osteuropäischen Beitrittsländer noch weit unterhalb des EU-Durchschnitts, z.B. in den Bereichen Verkehr, Energie- und Wasserversorgung. Andererseits sind die Finanzierungsmittel sowohl in den Beitrittsländern als auch in Brüssel knapp bemessen. Zur Linderung des Problems schlägt das DIW Berlin in seinem aktuellen Wochenbericht 37/2002 vor, die Privatisierung und Liberalisierung in den Beitrittsländern zu beschleunigen und die Rahmenbedingungen für Public-Private Partnerships zu verbessern. Ein Beispiel dafür ist der Bau der Autobahn A2 Warschau-Frankfurt/Oder(-Berlin), welcher bei richtigen Rahmenbedingungen weitgehend mit privatem Kapital finanziert werden kann.
Der Investitionsbedarf der 10 EU-Beitrittskandidaten (Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn) zur Erreichung des durchschnittlichen EU-Ausstattungsniveaus beläuft sich auf über 500 Mrd. Euro. Hiervon entfallen auf den Verkehrsbereich 90 Mrd. Euro, auf die Telekommunikation 60 Mrd. Euro, die Wasserwirtschaft 180 Mrd. Euro, den Energiesektor 110 Mrd. Euro sowie auf weitere Maßnahmen im Umweltbereich 70 Mrd. Euro. Dem stehen bisher Investitionen von etwa 100 Mrd. Euro gegenüber, im Wesentlichen durch Pilotkredite internationaler Entwicklungsbanken angestoßen. Sie können diese Aufgabe jedoch nicht unbegrenzt übernehmen. Somit bleiben große Gebiete Mittel- und Osteuropas infrastrukturell EU-Regionen „zweiter Klasse“, und es besteht die Gefahr eines dauerhaften Gefälles zwischen alten und neuen EU-Ländern.
Ungarn, Polen und Estland sind am weitesten im Reformprozess fortgeschritten, das Schlusslicht bildet die Slowakische Republik. Am deutlichsten sichtbar ist der Aufholprozess in der Telekommunikationsinfrastruktur, wo Länder wie Ungarn und Slowenien bereits den EU-Durchschnitt erreicht haben. Im Verkehrssektor gibt es vor allem Engpässe bei der Entwicklung von Schnellstraßen und Autobahnen. Im Energiesektor besteht ein erhebliches Einsparpotential, die Wasserwirtschaft hat aufgrund veralteter Strukturen den höchsten finanziellen Aufholbedarf.
Das DIW Berlin weist anhand von Sektoranalysen nach, dass die Verbesserung der marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen mittelfristig vielversprechender ist als die einseitige Konzentration auf die Bereitstellung finanzieller Mittel. Hierzu gehören die Privatisierung und Liberalisierung der Infrastruktursektoren, stabile rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen sowie die – zugegebenermaßen schmerzhafte – Erhöhung von Nutzungsgebühren (z.B. in den Bereichen Wasser, Strom, Gas) sowie die Einführung von Autobahngebühren.
Die gesamte Untersuchung ist soeben als Buch in englischer Sprache veröffentlicht worden:
Christian von Hirschhausen: Modernizing Infrastructure in Transformation Economies – Paving the Way to European Enlargement. Preis 55 GBP, 288 Seiten, brosch., ISBN 1-84376-113-0. Verlag Edward Elgar Publishing, Cheltenham, UK, and Northampton, MA USA
Eine begrenzte Zahl von Rezensionsexemplaren kann bei der Pressestelle bestellt werden.

Media Contact

Dipl.Volkswirtin Dörte Höppner idw

Weitere Informationen:

http://www.diw.de/

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