Aktienmarkt: Ausgehöhltes Anlegervertrauen

An den internationalen Aktienbörsen grassiert weiterhin die Angst. Das ohnehin von zahlreichen US-Bilanzskandalen schwer angeschlagene Vertrauen der Investoren wurde durch die Insolvenz des amerikanischen Telefongiganten WordCom neuerlich massiv erschüttert. Zusätzlich fielen aber auch die bisher im Rahmen der laufenden Quartalsberichtssaison präsentierten Unternehmensausblicke mehrheitlich enttäuschend aus. Neben trüben Geschäftsaussichten von US-Technologiekonzernen haben in Europa u. a. die schwachen Prognosen von Ericsson, SAP, Epcos und Siemens die Marktteilnehmer geschockt. Zwar konnte die zeitweise von Panik begleitete Talfahrt am Mittwoch letzter Woche durch eine beeindruckende Gegenbewegung dank massiver Shorteindeckungen zunächst einmal gestoppt werden; ob damit aber schon die ersehnte Trendwende eingeleitet wurde, scheint allerdings zweifelhaft.

Inzwischen wachsen die Befürchtungen, der rasante Kursverfall könne vor allem die amerikanische Konjunkturerholung gefährden. Die jüngsten Äußerungen Alan Greenspans über die längerfristig guten Perspektiven der US-Wirtschaft vermochten die wachsende Skepsis nicht zu zerstreuen. Zunehmende Sorge macht sich breit, dass die aus dem Absacken der Aktienmärkte resultierenden negativen Vermögenseffekte via Investitonszurückhaltung und gedämpfte Ausgabenfreude der Konsumenten nachteilig auf die Realwirtschaft durchschlagen. In letzter Zeit veröffentlichte „harte“ Daten (z. B. im Juni mit plus 1,1 Prozent stärker als erwartet gestiegene Einzelhandelsumsätze, um 0,8 Prozent höhere Industrieproduktion bei von 75,6 auf 76,1 Prozent verbesserter Kapazitätsauslastung) signalisieren jedoch eine Fortsetzung des US-Aufschwungs, der im Juni stark um 3,8 Prozent gesunkene Auftragseingang für langlebige Güter ist möglicherweise aber bereits ein Hinweis auf eine Abschwächung der Tourenzahl.

In Euroland lässt eine ausgeprägtere konjunkturelle Dynamik ohnehin weiter auf sich warten. Angesichts der auf hohem Niveau verharrenden Arbeitslosigkeit ist insbesondere eine verbesserte Konsumneigung nicht in Sicht. Positive Akzente setzte zwar zuletzt der leichte Anstieg der Euroland-Industrieprodukution (im Mai plus 0,1 Prozent gegenüber Vormonat), einige maßgebliche Frühindikatoren haben das Erholungszenario aber wieder eingetrübt. So war der Ifo-Geschäftsklimaindex für Westdeutschland im Juli mit 89,9 nach 91,3 Punkten zum zweiten Mal in Folge rückläufig, wobei die befragten Unternehmen insbesondere die Aussichten in den kommenden sechs Monaten deutlich schlechter beurteilten. Mit Blick auf die zu konstatierende Fragilität des hiesigen Konjunkturaufschwungs, der bei sich fortsetzender Dollarschwäche zusätzlich beeinträchtigt werden würde, ist bei den Schätzungen für die Unternehmensergebnisse weiterhin Revisionsbedarf einzukalkulieren. Das inzwischen erreichte tiefe Kursniveau sollte vorerst nur von langfristig orientierten Anlegern mit Mut zum Risiko zu Engagements genutzt werden.

Rentenmarkt: Run auf erstklassige Bonität

Die panikartigen Abflüsse aus den internationalen Aktienbörsen sowie Ratingverschlechterungen am Unternehmensanleihemarkt bis hin zur Worldcom-Insolvenz haben den Staatstiteln und Schuldnern bester Qualität in den letzten Wochen einmal mehr Zustrom verschafft. Damit einhergehend sorgten zunehmende Zweifel an der Stärke der US-Wirtschaft für Rendite-Jahrestiefs. Die Verzinsung 10jähriger Treasuries rutschte seit Jahresmitte um fast 0,5 auf 4,36 Prozent ab, die Rendite der als Euro-Benchmark fungierenden Bundesanleihe gab um gut 0,2 auf zuletzt 4,72 Prozent nach.

Auch nach den erlittenen Vertrauensschäden im Corporate Sector spricht jenseits des Atlantiks – und somit auch global – grundsätzlich einiges noch für fortdauernde Wirtschaftserholung. So ist z.B. die Industrieproduktion im 2. Quartal nicht zuletzt im Zuge wieder beginnenden Lageraufbaus kräftig geklettert und die Kapazitätsauslastung erreichte mit 76,1 (nach 75,5) Prozent Vorjahresniveau. Ausbleibende Dynamik bei den Unternehmensinvestitionen hat aber die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der von niedrigen Zinsen stimulierte Konsum (Juni-Einzelhandelsumsätze +1,1 Prozent) gegenüber der Aktienbaisse nicht immun bleiben kann. Als Marktbelastung zeichnet sich andererseits mit dem wieder ins Minus rutschenden US-Haushalt (für 2002 Defizit von 165 Mrd. Dollar angekündigt) gepaart mit dem anhaltend hohen Leistungsbilanzdefizit eine Rückkehr der „Twin Deficits“ aus den 80er Jahren ab. Auch wenn Notenbank-Chef Greenspan seine Wachstumserwartung für 2002 und 2003 zuletzt angehoben hat, signalisieren die Hinweise auf die aktuell erkennbare Fragilität der Expansion und der sinkende Teuerungsdruck (Juni-Inflation mit 1,1 Prozent auf niedrigstem Stand seit 1964), dass Zinsstraffungen wohl auf frühestens Jahresende zu vertagen sind.

In der Eurozone bleiben per saldo die Auftriebskräfte verhalten. In Deutschland (Ifo) wie auch in den Niederlanden trübte sich zuletzt das Geschäftsklima zwar merklich ein. Dagegen erwiesen sich beispielsweise die Konsumausgaben in Frankreich (Juni +1,0 Prozent nach Rückgang von 1,2 Prozent im Vormonat) als recht robust. Die Europäische Zentralbank hat indes die erwartete Wachstumsbeschleunigung auf die Potenzialrate von 2 bis 2,5 Prozent auf das Jahresende verschoben. Die komfortable Lage an der Preisfront (Juni-Inflation Eurozone 1,8 Prozent, vorläufige deutsche Juli-Rate 1,0 Prozent) sollte bei anhaltender Entspannung auf den Vorstufen (deutsche Importpreise im Juni 5,2 Prozent unter Vorjahr) ungeachtet des noch hohen M3-Geldmengenwachstums (Jahresrate Juni von 7,1 Prozent) vorläufig Bestand haben, allerdings laufen die günstigen statistischen Basiseffekte aus und könnten zu wieder höheren Zuwächsen bei den Preisindizes führen. Den Frankfurter Währungshütern werden jedoch vorläufig die aus Börsen- und Dollarschwäche resultierenden Risiken Zurückhaltung nahelegen.

Auf Sicht dürften die Aktienbörsen Haupttaktgeber am Bondmarkt bleiben. Im Zuge einer Beruhigung der derzeit grassierenden Risikoaversion und bei Ausbleiben konjunktureller Schocks ist allerdings mit Kursrückschlägen und wieder höheren Langfristrenditen zu rechnen, zumal eine stärkere Mittel-Inanspruchnahme durch wieder zunehmende Staatsverschuldungen bevorsteht. Per saldo empfiehlt sich momentan für Neuengagements eine Bevorzugung der kürzeren Laufzeiten.

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Hans Beth ots

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