Die "virtuelle Fabrik" in weiter Ferne

"Virtuelle" Fabrik bieten enorme wirtschaftliche Potenziale: Betriebe, die mit anderen zusammen in flexiblen Netzwerken gemeinsam Systeme anbieten, weisen eine durchschnittliche Wertschöpfung von 87 000 Euro je Mitarbeiter auf.

Zusammenarbeit führt zu deutlich höherer Produktivität / Umfrage unter 1630 Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes / Die beste Kooperation gewinnt

Firmenübergreifende Zusammenarbeit eröffnet kleinen und mittleren Unternehmen große Chancen, am Markt erfolgreich zu sein. Das zeigt eine Erhebung des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik und Innovationsforschung ISI, Karlsruhe, zu Innovationen in der Produktion unter 1 630 Firmen aus den Kernbereichen des Verarbeitenden Gewerbes. Nach der Untersuchung des Fraunhofer ISI arbeitet dort fast jeder zweite Betrieb mit anderen zusammen, entweder um gemeinsam komplexe Systeme anbieten zu können oder um eigene Kapazitäten besser auszulasten.

Aber nur sehr wenige Betriebe setzen auf Netzwerke mit mehreren Partnern oder gar auf so genannte „virtuelle“ Fabriken. Daher schreibt das Fraunhofer ISI zusammen mit weiteren Partnern derzeit den Wettbewerb „Die beste Kooperation“  aus. Er soll einen Anreiz schaffen, diese Lücke zu schließen.

Netzwerke bieten kleinen und mittleren Unternehmen enorme wirtschaftliche Potenziale, wie die Analysen der Fraunhofer-Forscher zeigen. Demnach erzielen Betriebe, die mit anderen zusammen in flexiblen Netzwerken ganze Systeme anbieten, eine durchschnittliche Wertschöpfung von 87 000 Euro je Mitarbeiter. Bei Betrieben, die nicht auf diese Weise mit anderen kooperieren, liegt der Vergleichswert bei 76 000 Euro. Unternehmen, die in Netzwerken zum Systemangebot produzieren, weisen zugleich ein durchschnittliches Umsatzwachstum von 15 Prozent pro Jahr aus. Betriebe ohne vergleichbare Produktionskooperationen kommen dagegen im Schnitt nur auf 12 Prozent.

Derzeit sind 46 Prozent der deutschen Betriebe aus den Kernbereichen des Verarbeitenden Gewerbes in Produktionskooperationen eingebunden. Doch nur 8 Prozent der Unternehmen produzieren in Netzwerken mit mehreren Partnern gleichzeitig. Und vom Netzwerk zur „virtuellen Fabrik“ ist es ein noch weiterer Weg. Eine „virtuelle Fabrik“ nutzt avancierte Techniken zur zwischenbetrieblichen Vernetzung. Dazu gehört der standardisierte Datenaustausch mit Kunden oder Zulieferern. Übrig bleiben nach dieser Definition noch 3 Prozent der Betriebe, die diesem Leitbild in Ansätzen nahe kommen.

Es sind insbesondere große Unternehmen, die untereinander kooperieren (58 Prozent). Sie bieten mehr Anknüpfungspunkte. Seltener kooperieren kleine Unternehmen (43 Prozent), die nach Ansicht der Fraunhofer-Forscher damit Chancen vergeben, ihre begrenzten Ressourcen zu bündeln.

Signifikante Unterschiede zeigen sich auch im Ost-/West-Vergleich. Während in den alten Bundesländern 43 Prozent der Unternehmen Partnerschaften mit anderen Betrieben eingehen, liegt der Wert in den neuen Bundesländern bei 58 Prozent.

Bei der Zusammenarbeit unterscheiden die Forscher des Fraunhofer ISI zwei Arten: In vertikalen Kooperationen arbeiten Betriebe unterschiedlicher Produktionsstufen zusammen. Das erlaubt ihnen, gemeinsam qualifizierte Zusatzleistungen und integrierte Systemlösungen anzubieten. Insgesamt 24 Prozent der betrachteten Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe kooperieren in dieser Form, überdurchschnittlich häufig Hersteller von Geräten der Elektrizitätserzeugung und -verteilung (31 Prozent) sowie der Maschinenbau (28 Prozent).

Bei der horizontalen Kooperationen arbeiten Betriebe der gleichen Produktions- oder Marktstufe zusammen, um ihre Kapazitäten besser auslasten zu können. Solche Kooperationen werden von 36 Prozent der Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe eingegangen, überdurchschnittlich stark von Herstellern von Gummi- und Kunststoffwaren (44 Prozent). Der flexible Austausch von Kapazitäten bietet sich vor allem dann an, wenn ab und zu ein Auftrag ansteht, für den Kapazitäten gebündelt werden müssen. Daher sind hier Einzel- und Kleinserienfertiger mit 40 Prozent am häufigsten anzutreffen.

Nicht alle Unternehmen verfolgen den Aufwand und Nutzen ihrer Kooperationsaktivitäten konsequent. Zwar messen drei Viertel der vertikal kooperierenden Betriebe ihren Erfolg an der erzielten Umsatzsteigerung und 62 Prozent der horizontal kooperierenden dokumentieren ihre Kapazitätsauslastung. Doch weniger als die Hälfte der Betriebe kontrollieren, ob sie tatsächlich Kosten einsparen. Eine noch geringere Zahl misst den Zeitaufwand. Dabei trägt die bewusste Messung von Zielgrößen sowie die gezielte Steuerung einer Kooperation maßgeblich zum Erfolg der Zusammenarbeit bei.

Um Unternehmen auf die Vorteile zwischenbetrieblicher Zusammenarbeit aufmerksam zu machen, schreibt das Fraunhofer ISI zusammen mit dem Institut für Fabrikanlagen und Logistik IFA der Universität Hannover sowie der Wochenzeitschrift Wirtschaftswoche und dem Fachmagazin Industriemanagement zurzeit den Wettbewerb „Die beste Kooperation 2002 – Produzieren mit Erfolg“ aus. Der Wettbewerb wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmenkonzept „Forschung für die Produktion von morgen“ gefördert und soll gerade kleine und mittelständische Unternehmen ansprechen.

Der Bewerbungsbogen, der gleichzeitig eine Checkliste für die Leistungsfähigkeit einer Kooperation darstellt, kann aus dem Internet heruntergeladen werden.
Die vorliegende Untersuchung stützt sich auf Daten von 1.630 Firmen aus den Kernbereichen des Verarbeitenden Gewerbes. Sie bilden einen repräsentativen Querschnitt. Die Chemische Industrie ist zu 10 Prozent, Hersteller von Gummi- und Kunststoffwaren sind zu 13 Prozent, Hersteller von Metallerzeugnissen zu 25 Prozent und der Maschinenbau zu 28 Prozent vertreten.

Das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung ISI erweitert das naturwissenschaftlich-technisch orientierte Fachspektrum der Fraunhofer-Gesellschaft um wirtschafts- und gesellschaftspolitische Aspekte. Dazu analysiert es technische Entwicklungen sowie deren Marktpotenziale und Auswirkungen auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Die interdisziplinär zusammengesetzten Teams des Instituts konzentrieren sich insbesondere auf die Bereiche Energie, Umwelt, Produktion, Kommunikation und Biotechnologie sowie auf die Regionalforschung und Innovationspolitik.

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Gerhard Samulat idw

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