Mobil ist modern: Verkehrspolitik nach menschlichem Maß

„Wollen wir aus dem Fiaker aussteigen?“
Verkehrssoziologe fordert Umdenken: Mobilität als Wesenselement der Moderne


Berlin Keine Klagen mehr über Staus, Lärm, Schmutz des Verkehrs, weg von den strengen Forderungen nach Verkehrsvermeidung. Hin zu einem neuen Verständnis der Mobilität als Wesenselement der modernen Welt. Stephan Rammler, Politikwissenschaftler und Soziologe am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), fordert in seiner Untersuchung zur „Mobilität in der Moderne“ eine neue Perspektive für Verkehrspolitiker, -planer und -forscher. Er reiht die Selbstbeweglichkeit („Automobilismus“) ein in unser gesellschaftliches Leitbild vom Wohlstandswachstum, von Demokratie, relativer Gleichheit, Freiheit und Freizügigkeit. Deshalb – so Rammler – müssten alle Versuche, die negativen Folgen von Verkehr über Mobilitätsverzicht einzudämmen, fehlschlagen.

Der Klassiker der Soziologie, Max Weber, formulierte, die Moderne sei kein Fiaker, aus dem man an der nächsten Ecke aussteigen könne. Rammler greift das Bild auf und fordert alle Verkehrstheoretiker und -praktiker auf, die Frage konsequent zu stellen: „Wollen wir tatsächlich aus dem Fiaker aussteigen und Verkehr reduzieren und vermeiden? Wenn wir gleichzeitig wissen, dass die Entgrenzung von ökonomischen, politischen und kulturellen Räumen vorangeht?“

Der bisherigen Verkehrsforschung wirft Rammler vor, sich dieser grundlegenden Frage nicht gestellt zu haben. Sie sei vor allem ökonomisch, planerisch und technisch orientiert gewesen und habe den Menschen als „Beförderungsfall“ gesehen. Rammler will eine Verkehrssoziologie begründen, die den Menschen mit seinen Bedürfnissen als Teil einer modernen Gesellschaft in den Mittelpunkt rückt. Rammler: „Freizügigkeit, ungehinderte Kommunikation und der grenzenlose Raum gehören zu den grundlegenden Versprechen der modernen Gesellschaft. Sie sind auch Bedingungen für unsere demokratische und marktwirtschaftlich geprägte Gesellschaft.“ Das habe die Verkehrspolitik bisher ignoriert. Denn man könne nicht Verkehrsvermeidung durchsetzen, ohne die Wachstumslogik unserer Lebensweise zu durchbrechen.

Eine Verbindung von Nachhaltigkeit und Verkehr sieht Rammler nur als möglich an durch Effizienzsteigerung, durch eine Optimierung unseres Verkehrssystems und durch konsequente Orientierung an den menschlichen Bedürfnissen und Motiven. Rammler: „Eine Verkehrspolitik nach menschlichem Maß erfordert auch eine bessere Kenntnis menschlicher Maßstäbe im Verkehr.“

Rammlers Plädoyer für eine neue Verkehrssoziologie beruht auf seiner umfangreichen Suche nach den „Spuren des Verkehrs“ in der Soziologie. Nach seinem Befund trugen bereits die soziologischen „Klassiker“ wie beispielsweise Adam Smith, Max Weber, Herbert Spencer und Karl Marx erstaunlich viel zu einem soziologischen Verständnis der Mobilität bei.


Bei Nachfragen: Stephan Rammler, WZB,
T: 030/25491-241, rammler@wz-berlin.de
Ingrid Hüchtker, Pressereferat, T: 030/25491-510, huechtker@wz-berlin.de

Stephan Rammler, Mobilität in der Moderne, Geschichte und Theorie der Verkehrssoziologie,
Berlin: edition sigma 2001, 270 S.

Stephan Rammler, „Mobilität in der Moderne, Verkehrssoziologie – Geschichte und Theorie“, in:
WZB-Mitteilungen 94, S. 14-16, als pdf-Datei im Internet

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Burckhard Wiebe idw

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