Neue Lösungsansätze für Probleme im Schienenverkehr

DFG-Schwerpunktprogramm legt Abschlussbericht vor

Schneller, stärker, schwerer. Im Eisenbahnverkehr ist in den letzten Jahrzehnten die Fahrgeschwindigkeit, die Antriebsleistung und die Achslast kontinuierlich erhöht worden. Diese wachsenden Belastungen führen zu Schädigungen und Verschiebungen der Schottersteine unter den Schwellen sowie im gesamten Untergrund. Die dabei entstehenden Gleisverformungen verursachen einen ungleichförmigen Profilverschleiß an den Rädern sowie Schäden auf Lauffläche von Rad und Schiene. Dies beeinträchtigt nicht nur den Fahrkomfort, sondern auch die Sicherheit und kann im Extremfall zu katastrophalen Unfällen wie 1998 in Eschede führen. Zusätzlich werden Wartungsarbeiten entlang der Gleise in immer kürzeren Abständen nötig. Dies führt zu hohen Instandhaltungskosten. Das Schwerpunktprogramm „Systemdynamik und Langzeitverhalten von Fahrwerk, Gleis und Untergrund“ setzte sich zum Ziel, diese Belastungsvorgänge wissenschaftlich zu beschreiben und mit den erarbeiteten Lösungsansätzen langfristig zu Verbesserungen im Bahnverkehr beizutragen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) förderte das Schwerpunktprogramm von 1996 bis 2002 mit mehr als sechs Millionen Euro.

Im Gegensatz zu den bisher eher detailorientierten Untersuchungen nahmen die Forscher in diesem Schwerpunktprogramm das Gesamtsystem in den Blick. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von 15 Universitäten und weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen untersuchten die dynamischen Wechselwirkungen von Fahrzeug, Gleis und Untergrund sowie das Langzeitverhalten der Komponenten des Gesamtsystems.

Bei Zugfahrten wirken starke Kräfte auf Schienen, Schwellen und Untergrund ein. Diese verursachen unter den Schwellen so genannte Setzungen. Das bedeutet, dass die einzelnen Schottersteine sich nach unten und zur Seite verschieben und somit unter den Schwellen Hohlräume entstehen. Fährt ein Zug über diese hohlgelagerten Schwellen, führt dies zu hohen dynamischen Belastungen an Rädern und Schienen, die wiederum auf den Schotter zurück übertragen werden. Bisher konnten diese Vorgänge wissenschaftlich nur unzureichend beschrieben und berechnet werden. Im Schwerpunktprogramm testeten die Forscher unterschiedliche Belastungssituationen an Versuchsanordnungen, die teilweise sogar im Maßstab 1:1 gebaut waren. Aufgrund der erzielten Messergebnisse entwickelten sie neue Rechenmodelle für das Verhalten des Schotters. So konnten die Ingenieure der Universität Karlsruhe die elastische Federwirkung der Schotterschicht exakter beschreiben. Parallel dazu erstellte die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung ein neues Setzungsmodell und Forscher an der Universität Hannover entwickelten neue Simulationswerkzeuge. Diese Modelle flossen in weiterführende Simulationen ein, die das Ziel hatten, den Schichtaufbau des Schotters zu optimieren. Den Wissenschaftlern der Technischen Universität Berlin gelang es, die Wechselwirkungen der einzelnen Komponenten von Untergrund, Gleis und Fahrzeug zu berücksichtigen und miteinander zu verknüpfen. Diese Erkenntnisse könnten dazu beitragen, den Schotter zukünftig so zu schichten, dass eine stabilere Schüttung entsteht. Dadurch würden die zeitlichen Abstände der Gleisinstandsetzung vergrößert und die Kosten gesenkt.

Der Kontakt von Rad und Schiene stellt die zentrale Verbindung bei Schienenfahrzeugen dar. Um die Wechselwirkung zwischen Fahrzeug und Schiene beschreiben zu können, müssen die Reibungskräfte berechnet werden, die beim Beschleunigen und Abbremsen entstehen und den Verschleiß an Rad und Schiene verursachen. Ingenieure der Technischen Universität Dresden entwickelten ein neues Berechnungsverfahren für diese Vorgänge, mit dem sich auch Rückschlüsse auf den Prozess der Materialermüdung ziehen lassen.

Im Blickpunkt der Forschungen stand neben den Wechselwirkungen auch das Langzeitverhalten von Untergrund, Gleis und Fahrwerk. Forscher der Technischen Universität Darmstadt untersuchten experimentell, wie sich die Gleise bei Verformungen des Untergrundes langfristig verändern, und entwickelten entsprechende Rechenmodelle. An den Universitäten Stuttgart, Braunschweig und Rostock wurde auch das Langzeitverhalten der Räder unter verschiedenen Beanspruchungen simuliert. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf dem Phänomen der so genannten „unrunden Räder“. Aufgrund eines ungleichförmigen Profilverschleißes an den Rädern entstehen diese Verformungen. Sie können zu einem kurzfristigen Abheben der Räder sowie zu einem deutlichen Brummgeräusch führen, was für den Fahrgast eine starke Komforteinbuße darstellt. Die Ergebnisse der Simulationen zeigen, dass dieser ungleichförmige Verschleiß auch ohne Gleisverformungen auftreten kann und vermutlich von der Geschwindigkeit abhängig ist. Die Stuttgarter Wissenschaftler erarbeiteten daher Vorschläge für neue Radkonstruktionen.

Die Untersuchungen aus den einzelnen Teilprojekten des Schwerpunktprogramms lieferten Ergebnisse, die mögliche Grundlagen für zukünftige technische Entwicklungen in Konstruktion, Wartung und Reparatur bieten und damit langfristige Problemlösungen im Bahnverkehr versprechen.

Weitere Informationen erteilt:

Prof. Dr.-Ing. Karl Popp
Institut für Mechanik der Universität Hannover
Tel.: 0511/762-4161
Email: popp@ifm.uni-hannover.de

Media Contact

Dr. Eva-Maria Streier idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-hannover.de

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