Fundierte Baugrunderkundung statt Kosten-Bumerang beim Offshore-Ausbau

Die gestern angekündigte Verzögerung beim Bau einer Umspannplattform für den Windpark SylWin1 vor Sylt beschert der Offshore-Windenergie aktuell negative Schlagzeilen.

Durch die späte Entdeckung weicher Sedimentschichten kann der Bau des Umspannwerkes nicht wie geplant durchgeführt werden – das Fundament der Plattform muss für diesen Untergrund deutlich tiefer verankert werden. Eine kostspielige Entdeckung, die bereits in der Voruntersuchungsphase hätte auffallen können – neue Verfahren für seismische Untersuchungen, wie sie vom Fraunhofer IWES eingesetzt werden, liefern belastbare Daten zur Schichtung des Meeresbodens.

Eine umfassende Voruntersuchung geht jedoch über die Pflichtanforderungen im Genehmigungsprozess hinaus und wird oft „weggespart“ – mit bis zu hundertfachen Folgekosten.

In der Vorerkundungsphase ist der Entwickler eines Windparks verpflichtet, mittels geophysikalischer Vermessungen die grundlegende Eignung für eine Bebauung nachzuweisen. Dabei werden die geologischen Verhältnisse eines Gebiets oft mit Hilfe einfacher hochfrequenter Einkanalseismik schnell und großflächig erfasst. Allerdings lässt sich damit die Schichtung des Meeresbodens meist nur bis in Tiefen von 20 bis 30 Meter hinein sicher erfassen. Die Gründungstiefe für die Befestigung von Offshore-Fundamenten beträgt aber mindestens 50 Meter, bei schwierigem Baugrund auch bis zu 100 Meter.

Die Kosten, die der Betreiber bei dieser Methode zunächst einspart, haben nachträglich oft einen hohen Preis: Stellt sich heraus, dass die Tragfähigkeit des Meeresbodens durch weichere Sedimentschichten stark beeinträchtigt ist, ziehen weitreichende Anpassungen an der Gründungsstruktur empfindliche Verzögerungen und damit immense Folgekosten wie beim aktuellen Beispiel nach sich. Dabei muss kein Entwickler dieses Risiko eingehen – die Technologie, die Fehleinschätzungen deutlich reduzieren kann, ist einsatzbereit.

„Die Technologie ist verfügbar und kann die Baugrundrisiken beim Offshore-Ausbau stark reduzieren. Damit kann eine verlässliche Planungsgrundlage für Kosten- und Aufbaupläne erstellt werden“, bringt Dr. Bernhard Lange, Leiter der Abteilung Windparkplanung und -betrieb beim Fraunhofer IWES, die Vorteile auf den Punkt.

Zusammen mit der Universität Bremen haben IWES-Wissenschaftler ein speziell für die Anforderungen der Offshore-Windindustrie optimiertes mehrkanalseismisches Messgerät entwickelt und bei Messfahrten in Nord- und Ostsee erprobt. Damit werden Eindringtiefen von über 200 Metern realisiert. Der Meeresboden wird also bis zur Fundamentsohle abgebildet, komplexere Strukturen, wie die in der Nordsee weit verbreiteten eiszeitlichen Rinnen, die die Tragfähigkeit des Bodens beeinträchtigen können, werden klar dargestellt.

Auf Basis dieser hochaufgelösten Messung lassen sich belastbare dreidimensionale Bodenmodelle entwickeln. Dennoch entscheiden sich viele Windparkentwickler nur für die Einhaltung der rechtlichen Mindestanforderungen, um Mehrkosten in der Planungsphase zu vermeiden. Dass die Folgekosten schnell das Hundertfache betragen und dem Image der Offshore-Windenergie nachhaltig schaden, wird ausgeblendet. Zudem können zeitliche Verzögerungen von mehreren Jahren entstehen – keine guten Aussichten für eine zügige Energiewende.

„Es ist abzusehen, dass sich ‚böse Überraschungen‘ wie bei SylWin 1 wiederholen werden, wenn die gängige Praxis bei den geologischen Voruntersuchungen nicht verbessert wird. Seit Jahren betrachten wir mit großer Sorge den Trend, kurzsichtig den Aufwand in der Erkundungsphase auf Kosten von Qualität, Planungssicherheit und Nachhaltigkeit zu reduzieren“, so Prof. Volkhard Spieß, Geowissenschaftler von der Universität Bremen.

Für weitere Informationen:

Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik
Fraunhofer IWES | Bremerhaven
Am Seedeich 45
27572 Bremerhaven, Germany
Britta Rollert, Leitung Marketing und Kommunikation
Telefon: +49 471 14 290-220
Fax +49 471 14 290-111
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Weitere Informationen:

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