Dentaltechnik als Vorreiter für das e-Manufacturing von Metallprodukten

Das Schichtbau-Verfahren Direktes Metall Laser-Sintern (DMLS) entstand einst als Methode des Rapid Tooling und Rapid Prototyping. Über mehrere Innovationsstufen hinweg hat es sich inzwischen weiter entwickelt zur Schlüsseltechnologie für e-Manufacturing, der schnellen und kostengünstigen Direktproduktion auf der Basis elektronischer Daten. Die Firma Sirona nutzt das Laser-Sintern zur Herstellung individualisierter Serienprodukte aus Metall. Seit April 2006 fertigt der Konzern mit dem Verfahren Zahnersatz aus einer speziellen Kobalt-Chrom- Legierung und steigert so die Effizienz von Dentallabors.

Wenn sich Dr. Günter Saliger zum Zahnarzt begibt, kreisen seine Gedanken vermutlich um Fragen der Prozessoptimierung und der Werkstoff-Entwicklung. Und das aus guten Gründen. Denn der Physiker arbeitet in der CAD/CAM-Division von Sirona Dental Systems, einem der führenden Hersteller in der Dentaltechnik-Branche. Hier ist er verantwortlich für das Serviceprodukt infiniDent. Der Begriff steht für ein derzeit einzigartiges Dienstleistungsangebot, bei dem Saliger und sein achtköpfiges Team für Dentallabors in ganz Europa die Funktion der verlängerten Werkbank übernehmen. Bereits seit 2004 produzieren sie im Auftrag von Zahntechnikern mit modernen Technologien und speziellen Fertigungsanlagen Kronen- und Brückengerüste aus keramischen Werkstoffen wie etwa Zirkonoxid und Aluminiumoxid. Dass das Fertigungszentrum von infiniDent seit Sommer diesen Jahres nun auch Zahnersatz aus Metall herstellen kann, kommt einer kleinen Revolution gleich.

Möglich wurde dieser Durchbruch durch die enge Zusammenarbeit mit dem deutschen Systemhersteller EOS Electro Optical Systems. Das Unternehmen mit Sitz im bayerischen Krailling ist der führende Vertreter der Laser-Sinter-Technologie und liefert komplette Systemlösungen für Schlüsselbranchen wie die Medizintechnik, Luft- und Raumfahrt oder die Automobilindustrie.

Ursprünglich wurden die EOS-Anlagen zum Rapid Prototyping und Rapid Tooling im Rahmen von Entwicklungsprozessen eingesetzt. Heute geht der Trend zur Losgrößen angepassten Serienproduktion – dem e-Manufacturing. Im Kunststoffbereich ist e-Manufacturing basierend auf dem Laser- Sintern heute fast schon eine feste Größe. Bei der Herstellung von Metallteilen beginnt es gerade, sich als Verfahrensersatz zu etablieren – zum Beispiel als saubere, effiziente Alternative zum Gießen. Und genau das ist auch der springende Punkt im Fall Sirona.

Schluss mit Guss

Während das Gießen mit all seinen aufwendigen Vor- und Nacharbeiten früher das einzig relevante Formgebungsverfahren für Zahnersatz aus Metall war, können sich die Dentallabors heute des Laser-Sinterns im Serviceangebot von infiniDent bedienen. „Damit befreien wir den Zahntechniker quasi vom schmutzigen Teil seiner Arbeit. Er muss sich weder mit dem Anstiften oder Einbetten noch mit dem Gießen oder gar dem Ausbetten und Putzen eines Gussrohlings aufhalten, sondern kann sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren, wie etwa das keramische Verblenden des metallenen Gerüsts“, erläutert Günter Saliger. Eben dieses Metallgerüst – die anatomisch-statische Basiskonstruktion des Zahnersatzes – wird im Fertigungszentrum von infiniDent mit Hilfe des Direkten Metall Laser-Sinterns (DMLS) hergestellt. Dazu kommt die EOSINT M 270 Technologie zum Einsatz, die eine biokompatible Kobalt-Chrom-Legierung (inCoris NP) verarbeitet, die EOS nach Vorgaben der Dentaltechniker von Sirona in den letzten Monaten speziell für Zahnersatz entwickelt hat.

Laser-Sintern ist ein Schichtbauverfahren, das – abhängig von Größe und Geometrie – kleine bis große Serien wirtschaftlich fertigt. Dabei werden die Produkte mit 100%iger Dichte direkt – also völlig ohne Formwerkzeug – in einem generativen Verfahren aufgebaut, indem pulverförmige Werkstoffschichten durch einen per Präzisionsoptik gelenkten Laserstrahl verschmolzen werden. Die dazu erforderliche steuerungstechnische Datenbasis für die Lasertechnik wird aus den Geometriedaten bekannter 3D CAD-Programme wie etwa Solid Works, ProEngineer, Catia oder AutoCAD generiert.

Dentale Direktproduktion

In der Dentaltechnik kommen diese Steuerungsdaten aus dem CAD/CAM-System inlab/inEos von Sirona, das unter den Zahntechniklabors in Deutschland weit verbreitet ist. Diese prozessorientierte Komplettlösung beinhaltet unter anderem einen modernen 3D-Scanner (inEos) und ein leistungsfähiges 3D CAD-Programm (inLab 3D). Mit dem Scanner werden die auf der Basis der patientenindividuellen Gebissabdrücke erstellten Gipsmodelle digitalisiert.

Im CAD-Programm konstruiert beziehungsweise restauriert der Zahntechniker das Gerüst für den metallenen Zahnersatz am Bildschirm. Die dabei gewonnenen CAD-Daten werden anschließend via Internet an das Fertigungszentrum von infiniDent übertragen. Hier prüft ein Sirona-Techniker den eingegangenen Datensatz auf Vollständigkeit, bereitet die Daten für das Laser-Sintern vor und übermittelt sie an die Steuerung der EOSINT M 270. Sind ausreichend Kronen- oder Brückengerüste für eine Charge zusammen gestellt, startet der Laser umgehend mit der Produktion. Schicht für Schicht und in einem Zeitraum von nur wenigen Stunden fertigt die Anlage mehrere hundert Zahnersatz-Einheiten aus dem CoCr- Pulver. Die Baugeschwindigkeit liegt bei circa 3 Minuten pro Zahnkrone.

Bis zu 80.000 Einheiten und mehr können jährlich auf diesem Weg auf einer Anlage produziert werden, wobei das Laser-Sintern Brückengerüste von bis zu sechs Gliedern möglich macht. Und die Lieferzeit ab Auftragsbestätigung liegt bei gerade mal drei Tagen höchstens! Das sind drei Tage, die das Dentallabor an Zeit gewinnt für die Bearbeitung weiterer Aufträge. „Die Durchlaufzeiten verkürzen sich durch den Einsatz der Laser- Sinter-Technologie auf ein Minimum. Das ist gleichzusetzen mit einem enormen Produktivitätszuwachs und einem spürbaren Technologieschub für das Dentallabor“, sagt infiniDent-Chef Saliger. Zum Vergleich: Während ein routinierter Zahntechniker an einem Arbeitstag etwa zehn Kronen bearbeitet, entstehen in der Laser-Sinter-Anlage viele hundert Gerüste pro Tag – auf stets gleich bleibendem hohen Qualitätsniveau. Und zu einem unschlagbaren Preis von gerade mal 19,90 Euro pro Einheit.

„Zum Einsatz der EOSINT M 270 als technologischem Herzstück im e-Manufacturing-Prozess von infiniDent gibt es derzeit keine wirkliche Alternative. Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ist das Direkte Metall Laser-Sintern (DMLS) dem Gießen oder auch der mechanischen Fertigung um Längen voraus“, betont Saliger.

Das nutzbare Volumen der Anlage mit 250 mm x 250 mm x 215 mm bietet ausreichend Raum für den Bau von Hunderten von Zahnkronen und Brückengerüsten in einem Arbeitsgang. Aufgrund der Schichtdicken von nur 20 Mikrometer und dem feinen Laserfokus lassen sich dabei selbst filigrane Geometrien und detaillierte Strukturen exakt darstellen. Das sind Argumente, die DMLS auch fürAnwendungen außerhalb der Medizintechnik interessant werden lässt! In vielen Fällen ist die leichte Oberflächenrauheit der Bauteile von großem Vorteil. Bei der infiniDent-Produktion verbessert sich dadurch beispielsweise die Adhäsion zwischen dem Kobalt-Chrom des Zahnersatzgerüstes und der anschließenden Verblendung aus Keramik.

Individuell in Serie

Das Beispiel Sirona unterstreicht zunächst die richtungsweisende Bedeutung des Direkten Metall Laser-Sinterns für die weitere Entwicklung von e-Manufacturing in der Dentaltechnik. Gleichzeitig verdeutlicht das infiniDent-Projekt aber auch das eigentlich faszinierende Moment des Verfahrens: Die kostengünstige Herstellung von Serienprodukten mit stark individualisiertem Charakter. Schließlich gleicht ja kein Zahnersatz dem anderen! Obwohl also jedes Teil ein Unikat darstellt, geht es kostengünstig und effizient in die Serie. Allein aus diesem Grund dürfte das Laser-Sintern auch für viele andere Fachgebiete der Medizin- und Orthopädietechnik zunehmend an Attraktivität gewinnen. Welche Rolle das Verfahren als Alternative für die Serienproduktion metallener Bauteile zukünftig über die Branchengrenzen hinweg spielen wird, hängt dann in entscheidendem Maße auch von der Entwicklung weiterer Metallwerkstoffe ab, die den stets wachsenden Anforderungen an Festigkeit, Temperaturbeständigkeit und Präzision gerecht werden. Die Mühlen bei EOS mahlen schnell: Im September ist Edelstahl als weiterer DMLS-Werkstoff auf den Markt gekommen. Titan wird im Frühjahr 2007 folgen, während ein Teil der Entwickler bereits an den nächsten, noch geheimen, Lösungen forscht.

Martina Methner Martina Methner ist seit 2002 bei der EOS GmbH Electro Optical Systems tätig und zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Die Unternehmen

EOS und e-Manufacturing

Das 1989 gegründete Unternehmen EOS Electro Optical Systems ist Weltmarktführer im Bereich Laser-Sintern. Die Technologie, ursprünglich entwickelt zum Rapid Prototyping, etabliert sich sowohl im Kunststoff- als auch im Metallbereich als Schlüsseltechnologie für e-Manufacturing. Es löst insbesondere bei kleinen bis mittleren Serien oder bei individuellen und komplexen Produkten immer öfter traditionelle Herstellungsverfahren ab. EOS hat sein letztes Geschäftsjahr am 30. September 2006 mit einem vorläufigen Umsatz von 51 Millionen Euro abgeschlossen und beschäftigt derzeit weltweit mehr als 200 Mitarbeiter, davon über 180 an seinem Hauptsitz in Krailling bei München.

Sirona und infiniDent

Die 1997 aus der Dentalsparte der Siemens hervorgegangene Sirona Dental Systems GmbH gilt als international führender Hersteller dentaler Ausstattungsgüter. Im Juni 2006 übernahm das Unternehmen den USRöntgenspezialisten Schick Technologies, Inc. Seitdem ist die Sirona Dental Systems, Inc. an der US-Technologiebörse Nasdaq notiert. Derzeit beschäftigt Sirona rund 1.900 Mitarbeiter. Das Unternehmen bestimmt wesentlich die technologischen und praxiswirtschaftlichen Standards der Zahnbehandlung. Sirona ist absoluter Marktführer bei CAD/CAM-Systemen zur Herstellung von keramischem und metallenem Zahnersatz. Seit 2004 bietet der Konzern die technologiegestütze Dienstleistung infiniDent an.

Media Contact

Martina Methner EOS GmbH

Weitere Informationen:

http://www.eos.info

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