Die eierlegende Wollmilchsau?

Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag schließt Studie über Perspektiven der Brennstoffzellen-Technologie ab

Neuartiger Antrieb von Kraftfahrzeugen, Ersatz von Batterien oder Akkus in Elektrogeräten bis hin zum Einsatz als Kraftwerk, dazu Brücke in die solare Wasserstoffwirtschaft – das Potenzial der Brennstoffzelle ist erst in Ansätzen erkennbar. Tatsächlich ist sie ein Multitalent: Der Wirkungsgrad von Brennstoffzellen-Systemen ist besser, der Verbrauch an Brennstoffen geringer, und auch die Schadstoffbilanz spricht im Vergleich zu herkömmlichen Technologien für die Brennstoffzelle. Dazu arbeitet sie geräuschlos. Andererseits ist der Preis noch sehr hoch, und einige technische Hindernisse sind noch zu überwinden. Wann wird die Brennstoffzellen-Technologie den Markt erobern? Welchen Markt? Welche Randbedingungen unterstützen oder behindern die Einführung? Auf all diese Fragen gibt die jüngste Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) Auskunft. Das TAB wird seit seiner Gründung vor elf Jahren vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des Forschungszentrums Karlsruhe betrieben.

Brennstoffzellen sind hocheffiziente Energieumwandler: Zugeführter Wasserstoff reagiert mit Sauerstoff. Dabei entstehen Strom, Wärme und Wasser. Der Strom ist direkt nutzbar, der verlustreiche Weg über Wärme und mechanische Energie entfällt. Der Brennstoffzelle kann ein Gasprozessor, ein so genannter Reformer, vorgeschaltet werden, der den Wasserstoff aus Erdgas, Benzin, Methanol, Biomasse oder anderen Energieträgern gewinnt. Neuere Entwicklungen erlauben auch eine Umwandlung von Methanol oder Gas direkt in der Brennstoffzelle.
Die Studie des TAB ist nach Anwendungsfeldern in drei Teile gegliedert: „Mobile Anwendungen“, „Stationäre Energieversorgung“ und „Tragbare Kleingeräte“. Für jeden Teil werden Potenziale der Brennstoffzellen-Technologie zusammengestellt, ökologische und ökonomische Aspekte beleuchtet, politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen bzw. Handlungsmöglichkeiten untersucht und weiterer Bedarf an Forschung und Entwicklung definiert.
Mit dem Einsatz von Brennstoffzellen kann ein erhebliches Marktpotenzial erschlossen werden. Umweltfreundlichere Anwendungen im Straßenverkehr, effizientere und ökologisch vorteilhaftere Anlagen zur Wärme- und Stromerzeugung sind in Sicht. Das Marktsegment tragbarer elektronischer Kleingeräte sollte aufgrund der schnellen Austauschbarkeit von Akkumulatoren oder Batterien gegen Brennstoffzellen am schnellsten erschließbar sein.

Das Auto der Zukunft – mobile Anwendungen
Die Einführungsstrategien der Automobilindustrie liegen auf dem Tisch: In drei bis vier Jahren wird es funktionsfähige und bezahlbare Fahrzeuge mit Brennstoffzellen auf dem Markt geben. Diese Autos verbrauchen weniger Kraftstoff, haben geringere Schadstoffemissionen und sind leiser.
Die Ökobilanz weist Vorteile in Abhängigkeit vom eingesetzten Brennstoff auf: Werden die Fahrzeuge mit Wasserstoff betrieben, der durch regenerativ erzeugte Elektrizität gewonnen wurde, ergeben sich im Vergleich zu konventionellen Motoren Vorteile in jeder Kategorie: weniger Schadstoffe, die zu Luft-, Boden- oder Gewässerbelastungen führen, weniger Emission krebserregender Substanzen, weniger Treibhausgase und geringerer Verbrauch erschöpflicher Energieträger.
Wird Methanol oder Benzin als Kraftstoff eingesetzt, sind die Beiträge zum Treibhauseffekt mit Verbrennungsmotoren vergleichbar, der Verbrauch erschöpflicher Energieträger ist ungünstiger. Biokraftstoffe auf der Basis von Energiepflanzen haben vor allem in der Kategorie Gewässer- und Bodenbelastung eine schlechtere Bilanz.
Einige wichtige Effekte bei Einführung der Brennstoffzellen-Technologie im Automobil sind absehbar: Da die wichtigsten Kraftstoffe Wasserstoff und Methanol aus verschiedenen Primärenergieträgern herstellbar sind, können regional unterschiedliche Energieträger für den Straßenverkehr eingesetzt werden. Damit wird auch ein gleitender Übergang in eine regenerative Treibstoffversorgung möglich.
Offen sind noch Fragen nach dem „richtigen“ Kraftstoff, dem Nachweis der Funktionstüchtigkeit im praktischen Betrieb, der Verringerung der hohen Kosten, der Markteinführung und der Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur.

Das Kraftwerk der Zukunft – stationäre Energieversorgung
Wie beim Kraftfahrzeug sind auch bei Kraftwerken – abhängig vom eingesetzten Brennstoff – Verbesserungen der Ökobilanz zu erwarten. Neu ist die mit der Brennstoffzelle technisch attraktive Perspektive, eine gekoppelte Strom- und Wärmeerzeugung im Haus- und Siedlungsbereich einzusetzen. In der Energietechnik ist der breite Einsatz von Brennstoffzellen am ehesten hier zu erwarten.
Da die Brennstoffzelle selbst nur Wasserdampf an die Umgebung abgibt, führt eine direkte Wasserstoffversorgung vor Ort zu einer wenig komplexen Anlage ohne Schadstoffemissionen, womit ein Beitrag zur lokalen Emissionsminderung geleistet werden könnte. Emissionen werden jedoch bei der Bereitstellung von Wasserstoff auf fossilem Wege freigesetzt. Insofern ist unter Umweltgesichtspunkten eine regenerative Bereitstellung des Wasserstoffs zu bevorzugen.
Bei den fossilen Energieträgern schneidet Erdgas günstiger ab als Heizöl. Trotz des höheren Wirkungsgrades von Methanol im Vergleich zum Heizöl-Einsatz in Brennstoffzellen-Blockheizkraftwerken werden die höheren Emissionen bei der Herstellung von Methanol nicht kompensiert. Aus Klimaschutz-Gründen wäre der Einsatz von Erdgas sinnvoller. Ein damit verbundener Mehrverbrauch an Erdgas – verstärkt durch Zuwächse in anderen Bereichen (z. B. Fahrzeuge, Kraftwerke) – ist allerdings aus strategischen Gründen (z. B. Importabhängigkeit, Verknappung fossiler Ressourcen) nicht unproblematisch.
Eine Analyse der ökonomischen Aspekte von Brennstoffzellen-Systemen in der Hausenergieversorgung zeigt, dass sie zwar von der Schwelle zur Wirtschaftlichkeit noch entfernt sind, dass diese aber im Vergleich zur mobilen Anwendung leichter erreichbar sein dürfte.
Bei der industriellen Energieversorgung werden wegen sinkender Strompreise und zunehmender Planungsunsicherheit Anlagen mit geringeren Anfangsinvestitionen zur Zeit bevorzugt. Brennstoffzellen-Systeme sind deshalb benachteiligt. Außerdem besteht hier vor dem Aufbau von Pilotanlagen noch erheblicher Entwicklungsbedarf im materialtechnischen Bereich und bei der Optimierung des Gesamtsystems in Bezug auf Langzeitstabilität.

Die Batterie der Zukunft – tragbare Kleingeräte
In Kleingeräten haben Brennstoffzellen gute Chancen, erhebliche Marktanteile zu gewinnen. Der Energieverbrauch neuer Kleingeräte nimmt schneller zu als die Energiedichte neuer Batterien. Kürzere Betriebszeiten sind die Folge. Hier wird der Einsatz von Brennstoffzellen attraktiv, weil einerseits zu erwarten ist, dass der Markt für Kleingeräte weiter expandiert, andererseits aus der vergleichsweise kurzen Lebensdauer von Akkumulatoren und Batterien eine schnelle Austauschmöglichkeit folgt.
Die Vorteile von Brennstoffzellen gegenüber Batterien und Akkumulatoren liegen in deutlich erhöhten netzunabhängigen Betriebszeiten bei effektiver Nutzung eines begrenzten Platzangebotes, günstigem Gewicht, flexibler Lastdynamik und relativ niedrigen Betriebstemperaturen. Darüber hinaus haben Brennstoffzellen eine höhere Lebensdauer; Selbstentladung oder Memory-Effekte treten nicht auf. Die höheren Anschaffungskosten werden dadurch relativiert – das Kostenniveau von Lithium-Ionen-Akkumulatoren scheint erreichbar.
Forschungsbedarf besteht noch bei der Erhöhung der Leistungsdichte der Brennstoffzellen und einer Verbesserung der Zuverlässigkeit des Gesamtsystems. Von den bekannten Speichervarianten für Wasserstoff kommen momentan im Wesentlichen Metall-Hydridspeicher zum Einsatz. Beim Einsatz von Druckwasserstoffspeichern sind Sicherheitsfragen, etwa beim Transport der Kleingeräte in Flugzeugen, noch ungeklärt. Nanospeicher wären optimal, sind jedoch noch nicht verfügbar.

Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung ist eine selbständige wissenschaftliche Einrichtung, die den Deutschen Bundestag und seine Ausschüsse in wissenschaftlichen und technischen Fragen berät. Das TAB wird vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des Forschungszentrums Karlsruhe betrieben. Zum Arbeitsprogramm des TAB gehören die Durchführung von Projekten der Technikfolgenabschätzung sowie die Beobachtung wichtiger wissenschaftlich-technischer Trends und damit zusammenhängender gesellschaftlicher Entwicklungen.
Die Studie des TAB zur „Brennstoffzellen-Technologie“ kann bezogen werden beim
Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag
Neue Schönhauser Straße 10
10178 Berlin
Telefon: 030 / 28491-0, Fax: 030 / 28491-119

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Inge Arnold idw

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