Dresdner Innovation für optimierte Kunststoffe: Kopplung Verarbeitung und Elektronenstrahlbehandlung

Dresdner Innovation für optimierte Kunststoffe: Elektronenstrahlbehandlung direkt an Verarbeitung gekoppelt


Wissenschaftler aus dem Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e. V. (IPF) haben eine neue Methode zur Modifizierung, d. h. gezielten Eigenschaftsanpassung und -veränderung, von Kunststoffen entwickelt. Sie beruht auf der direkten Kopplung industriell etablierter Verfahren der Kunststoffverarbeitung mit der Elektronenstrahlbehandlung der entstehenden Materialien und bietet neben einem großen Potential zur Eigenschaftsoptimierung auch verfahrenstechnische und betriebswirtschaftliche Vorteile.

Elektronenstrahlbehandlung wird bereits seit mehreren Jahrzehnten eingesetzt, um durch die Einwirkung energiereicher Elektronen die Eigenschaften von Kunststoffprodukten gewissermaßen nachträglich und zusätzlich zu verändern. So werden heute mittels Elektronenbestrahlung z. B. Kunststoffrohre für Fußbodenheizungen mit sehr hoher Wärmestabilität und Dauerstandsfestigkeit oder Kunststoffisolationen für hochbelastete Elektrokabel oder Wärme-Schrumpf-Verpackungsfolien industriell erzeugt.

Heutiger Stand der Technik ist, dass die zu bestrahlenden Produkte bei Kunststoffverarbeitern auf bekannte Art und Weise erzeugt und anschließend zu einem Bestrahlungs-Dienstleister über teilweise weite und inzwischen kostspielige (LKW-Maut, Kraftstoffpreise) Entfernungen transportiert werden. Nach Zwischenlagerung, Elektronenbestrahlung und Rücktransport zum Kunststoffverarbeiter verkauft dieser das modifizierte Kunststoffendprodukt dann an seine Kunden in aller Welt.

Wissenschaftlern aus der Arbeitsgruppe um Prof. Michael Stephan und Helmut Dorschner vom Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden (IPF) ist es nunmehr gelungen, die Herstellung des Kunststoffendproduktes unmittelbar mit der elektronenstrahlinduzierten Veränderung der Werkstoffeigenschaften zu verbinden. Dazu wurde im IPF eine spezielle Versuchsanlage entwickelt und gebaut, mit der gezeigt werden konnte, dass es möglich ist, eine übliche Kunststoffverarbeitungsmaschine direkt mit dem Elektronenbeschleuniger zu koppeln und Extrusion und Bestrahlung in nur einem kontinuierlichem Verfahren zu verbinden. Die bereits erwähnten betriebswirtschaftlichen und verfahrenstechnischen Nachteile der bisher üblichen Praxis können dadurch deutlich reduziert werden.

Darüber hinaus bietet die neue, zum Patent angemeldete Verfahrensweise aber noch weitere Möglichkeiten: Da im Gegensatz zur bisherigen Praxis die Modifizierung durch Elektronenstrahlen hier nicht nach der Extrusion, d.h. am bereits ausgehärteten, bereits abgekühlten Kunststoff, sondern gleich im noch heißen Schmelzezustand des Thermoplasts erfolgt, werden unter Ausnutzung der geänderten Reaktionsbedingungen noch zusätzliche werkstoffliche Verbesserungen in den Kunststoffeigenschaften erzielt, die mittels der bisher üblichen Produktionsweise nicht erreicht werden konnten. So können beispielsweise wärmeformstabile, spannungsrissbeständige und flammfeste Kunststoffe ohne den Zusatz von häufig gesundheits- und umweltschädlicher Modifizierungshilfsmittel erzeugt werden, die den hohen Anforderungen beim Einsatzes in der Elektro- und Elektronikindustrie, im Verkehrswesen und in öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen sehr gut genügen.

Die ersten Forschungsergebnisse aus Dresden wurden bereits weltweit vorgestellt. Derzeit wird intensiv daran gearbeitet, unterschiedlichste Kunststoffe auf diese neue Art und Weise zu behandeln, die erreichten Eigenschaftsänderungen zu analysieren und praktische Nutzungen anzuregen.

Ohne den vielfältigen Einsatz von Kunststoffen ist das heutige Leben nicht mehr vorstellbar, beispielsweise in Elektrotechnik und Elektronik, als Verpackungsmaterial, im Bau- und Verkehrswesen, in der Medizintechnik, in Freizeit und Sport oder im Spielwarenbereich. Das hohe Entwicklungstempo in diesen Anwendungsgebieten stellt hohe Anforderungen an die Weiterentwicklung der jeweiligen spezifischen Kunststoffeigenschaften, die nicht immer durch die kunststofferzeugende und -verarbeitende Industrie selbst befriedigt werden können.

Seit der Entdeckung der Elektronenstrahlung sind zahlreiche wertvolle und segensreiche Anwendungen für diese entwickelt worden: das Röntgen und damit zusammenhängend die Computer-Tomographie, das Fernsehen, die Elektronenmikroskopie, das Schmelzen, Schweißen, Schneiden und Verdampfen von Metallen etc. Energiereiche Elektronen werden außerdem auch für die effektive und umweltfreundliche Sterilisation medizintechnischer Kunststoffprodukte, wie z.B. von Infusionsbeuteln- und -schläuchen, Kathetern, Spritzen, Medikamentenverpackungen oder OP-Textilien effektiv eingesetzt. Auch das Beizen von Saatgut gegen Pilzbefall und das Sterilisieren von Lebensmitteln sowie die Aufbereitung von Abgasen aus Kohlekraftwerken mit energiereichen Elektronen wird heute bereits weltweit industriell durchgeführt. Elektronen können mit hohen Geschwindigkeiten und umweltschonend Lackschichten auf Dekorfolien fixieren oder Druckfarben auf Papier trocknen.

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Kerstin Wustrack idw

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