Wie individuell kann personalisierte Medizin sein?

Der kranke Mensch und das persönliche Erleben der Erkrankung war für Viktor von Weizsäcker (1886 – 1957), den Heidelberger Begründer der Psychosomatischen Medizin, ein zentrales Forschungsthema. Vom 23. bis 25. Oktober 2014 befasst sich die Viktor von Weizsäcker Gesellschaft bei ihrer 20. Jahrestagung zum Thema „Der kranke Mensch“ mit verschiedenen Aspekten der individuellen Krankheitserfahrung und des Umgangs damit im Rahmen heutiger Therapie- und Betreuungskonzepte. Veranstaltungsort ist die Medizinische Universitätsklinik Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 410, 69120 Heidelberg. Alle Interessierte sind willkommen, Studenten können kostenlos teilnehmen.

Die interessierte Bevölkerung ist zudem herzlich zum öffentlichen Eröffnungsvortrag am Donnerstag, 23. Oktober, eingeladen, die Teilnahme ist kostenlos. Ab 19.30 Uhr spricht der Baseler Philosoph Professor Dr. Emil Angehrn zum Thema „Der kranke Mensch. Leiden und Krankheit als Herausforderung der Philosophie“.

Professor Dr. Wolfgang Herzog, Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik an der Medizinischen Universitätsklinik, Dekan der Medizinischen Fakultät Heidelberg und Mitorganisator der Veranstaltung, steht im Vorfeld der Tagung gerne für Interviews zur Verfügung. Journalisten sind während der gesamten Tagung willkommen.

Heidelberg wichtigste Wirkungsstätte des Begründers der Psychosomatik

Heidelberg war die wichtigste Wirkungsstätte des bedeutenden Neurologen und Internisten Viktor von Weizsäcker. In Stuttgart geboren und aufgewachsen, absolvierte er sein Medizinstudium zum Teil in Heidelberg und arbeitete später als Medizinalpraktikant und Assistent u.a. in der Medizinischen Universitätsklinik. Nach der Habilitation zwischen seinen Einsätzen im ersten Weltkrieg wurde ihm 1920 die Leitung der neurologischen Abteilung übertragen. 1941 erhielt er einen Lehrstuhl für Neurologie in Breslau, floh aber zum Kriegsende zurück nach Heidelberg und leitete dort ab 1945 die Abteilung für Allgemeine Klinische Medizin, den Vorläufer der heutigen Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik. 1957 starb er nach längerer Krankheit in seiner Wahlheimat Heidelberg.

Bereits 1926 kritisierte von Weizsäcker in seinem Buch „Der Arzt und der Kranke“ die „nicht zu leugnende Tatsache, dass die gegenwärtige Medizin eine eigene Lehre vom kranken Menschen nicht besitzt. Sie lehrt Erscheinungen des Krankseins, Unterscheidung von Ursachen, Folgen, Heilmitteln der Krankheiten, aber sie lehrt nicht den kranken Menschen.“ Um diesem Missstand entgegenzutreten begründete er mit seinem Mentor Ludolf Krehl die „Heidelberger Schule der Anthropologischen Medizin“. Sie sieht den kranken Menschen nicht mehr als Objekt des ärztlichen Handelns, sondern als Subjekt, dessen Empfinden die Erkrankung maßgeblich mit beeinflusst, und den sie daher als ganze Persönlichkeit mit Körper, Geist und Seele zu erfassen versucht. Auf den Punkt bringt es ein Satz von Ludolf Krehl: „Wir behandeln keine Krankheiten, sondern kranke Menschen.“

Von Weizsäckers Lehren in der modernen Medizin: Steht der Patient oder doch die Krankheit im Mittelpunkt?

In wie weit die Ziele der Anthropologischen Medizin in der heutigen Medizin verwirklicht oder auch nicht verwirklicht sind, diskutieren Ärzte, Philosophen und Medizinhistoriker bei der Jahrestagung unter anderem am Beispiel der sogenannten personalisierten Medizin, die besonders in der modernen Krebstherapie angestrebt wird. Welche Person ist hier gemeint und wird der Patient als Person beachtet? Wird die alleinige Einteilung und Behandlung der Patienten z.B. nach Tumormerkmalen oder Immunstatus der jeweiligen Krankheitswirklichkeit des Betroffenen gerecht? Während der Onkologe Professor Dr. Dirk Jäger, Direktor der Abteilung Medizinische Onkologie im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg von klinischen Erfahrungen und wissenschaftlichen Konzepten der individualisierten Medizin berichtet, wird die Münchener Medizinhistorikerin Professor Dr. Dr. Mariacarla Gadebusch Bondio sich der ideengeschichtlichen Problematik dieses neuen Verständnisses von Person und Individuum zuwenden.

Ein weiteres Thema ist der Wandel im Krankheitsbild speziell im Bereich der psychosomatischen Erkrankungen. Hier sind individuelles Erleben und Ausprägung der Erkrankung aufs Engste verwoben. Der Münchener Psychosomatiker Professor Dr. Peter Henningsen zeigt in seinem Beitrag, dass es eine Vielzahl „moderner Krankheiten“ gibt, die manche Einsichten der Medizinischen Anthropologie Weizsäckers in neuem Licht erscheinen lassen. Die Experten aus Deutschland und dem Ausland beleuchten den kranken Menschen – gemäß der interdisziplinären und auch geisteswissenschaftlichen Ausrichtung der Weizsäcker-Gesellschaft – aus Sicht der Philosophie und Ethik über die Religion bis zur Medizin. Im Mittelpunkt steht der psychosomatische Zugang, der neue Wege zu einer heilsamen und unterstützenden Begleitung des Patienten im Sinne der anthropologischen Medizin eröffnet.

Weitere Informationen und Anmeldung unter:
http://viktor-von-weizsaecker-gesellschaft.de/veranstaltungen.php?id=9&sID=1…

Ansprechpartner für Journalisten:
Professor Dr. Wolfgang Herzog
Ärztlicher Direktor
Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik
Medizinische Universitätsklinik Heidelberg
Tel: 06221 56-8649 (Sekretariat)
E-Mail: psychosomatik@med.uni-heidelberg.de

Kontakt:
Priv. Doz. Dr. Jobst-Hendrik Schultz
Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik
Medizinische Universitätsklinik Heidelberg
Tel: 06221 56-8649 (Sekretariat)
E-Mail: psychosomatik@med.uni-heidelberg.de

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang

Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit ca. 2.200 Betten werden jährlich rund 116.000 Patienten voll- bzw. teilstationär und rund 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.500 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.

www.klinikum.uni-heidelberg.de

Bei Rückfragen von Journalisten:
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