Wenn die Welt langsam verstummt

Schlechteres Hören gehört zum Älterwerden wie das schlechtere Sehen. Doch bei weitem nicht nur ältere Menschen leiden an einem Hörverlust. Immer häufiger sind auch Erwerbstätige und junge Menschen von Gehörschäden betroffen, oft bedingt durch Lärm im Berufsalltag oder in der Freizeit. Nach Schätzungen des Deutschen Schwerhörigenbundes sind bereits mehr als die Hälfte der Deutschen zumindest leicht, über 35 Prozent sogar bereits mittelgradig schwerhörig.

„Das bedeutet, dass sie beispielsweise in einem Gespräch ihr Gegenüber schlechter verstehen, wenn dieser den Kopf während der Unterhaltung zur Seite dreht“, erklärt Dr. Thomas Braunschweig, Hörexperte am Universitätsklinikum Jena und Präsident der diesjährigen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie (DGA).

Oft geschieht die Schädigung schleichend, viele Betroffene entwickeln über die Zeit effektive Kompensationsmechanismen. „Wir sehen oft bei unseren Patienten, dass diese Lippenlesen gelernt haben, ohne es selbst zu merken“, so Braunschweig. „Bei einer Prüfung des Gehörs stellt sich dann heraus, dass bereits ein Großteil des Hörvermögens unbemerkt verloren gegangen ist.“

Dass Schwerhörigkeit dabei ist, zu einem Massenphänomen zu werden, davon ist Prof. Dr. Patrick Zorowka, Uniklinikdirektor aus Innsbruck und Präsident der DGA, überzeugt. „Das liegt zum einen natürlich am steigenden Altersdurchschnitt der Bevölkerung“, so der Phoniater. Damit steigt automatisch auch die Zahl der altersbedingt Schwerhörigen an. Zum anderen erwarten die Experten aber eine Zunahme bleibender Gehörschäden, die durch Lärm verursacht wurden.

„Wer sich regelmäßig und lange großen Lautstärken aussetzt, schädigt die empfindlichen Haarzellen im Innenohr und lässt faktisch sein Gehör vorzeitig altern“, so Zorowka. Das betrifft vor allem berufsbedingten Lärm, aber auch Freizeitlärm. Der beginnt bei Lautstärken ab 80 Dezibel, alles darüber ist Lärm.

Solche Lärmpegel entstehen schnell – beispielsweise an einer vielbefahrenen Kreuzung. Zum Vergleich: ein normales Gespräch erfolgt bei ca. 55-65 Dezibel. Auch das Hören von Musik über Kopfhörer, oft mit 100 dB, übersteigt die Lärmgrenze. „Die Auswirkungen der lauten Freizeitgestaltung auf das Gehör werden wir aber erst in den kommenden Jahrzehnten sehen“, so Zorowka.

Bereits jetzt muss hingegen den Auswirkungen von berufsbedingtem Lärm begegnet werden. Dieses Thema ist daher einer der Schwerpunkte der am 9. März 2011 beginnenden Jahrestagung in Jena. Etwa 500 Teilnehmer aus dem deutschsprachigen Raum, darunter neben HNO-Ärzten und Hörtechnikern auch Ingenieure, Physiker und Pädagogen, werden unter anderem über die Möglichkeiten effektiven Lärmschutzes und des Einsatzes von Hörgeräten und Hörprothesen (Cochlea-Implantate) im Beruf beraten.

„Wir rechnen mit einer zunehmenden Zahl hörbehinderter Beschäftigter“, so Braunschweig. „Es ist wichtig, dafür zu sorgen, dass ihnen eine weitere Berufstätigkeit ermöglicht wird – durch angepassten Lärmschutz ebenso wie durch gezielten Hörgeräteeinsatz.“

Terminhinweis: 9. bis 12. März 2011, Jena
„Lärm und Gehör“, Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie (DGA)
Ernst-Abbe Campus, 077743 Jena
Öffentliche Veranstaltung : 10. März, 19.00 Uhr
Abendvortrag „Sinne zum Anfassen“, Prof. Peter Fauser, Imaginata Jena
Hörsaal 1, Ernst-Abbe Campus, 077743 Jena
Kontakt:
Dr. Thomas Braunschweig, Tagungspräsident
Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Jena
Tel. 03641/935434
E-Mail: thomas.braunschweig@med.uni-jena.de

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Helena Reinhardt Universitätsklinikum Jena

Weitere Informationen:

http://www.uni-jena.de

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