Thema Tod: Tabuverlust und neue Grenzen

Der Tod steht heute in der Kluft zwischen gestiegener öffentlicher Wahrnehmung und dem Verlust der direkten Erfahrung mit dem Sterben.

Dieser Entwicklung widmet sich die Tagung „Tod und Sektion“, die heute, Dienstag, an der TU-Berlin stattfindet. Eingebettet ist die Tagung in das interdisziplinäre Forschungsprojekt der Volkswagenstiftung „Tod und toter Körper“, das Veränderung des Umgangs mit dem Tod in der gegenwärtigen Gesellschaft untersucht, speziell am Beispiel der Obduktionsmüdigkeit im deutschsprachigen Raum.

Einen starken Zwiespalt im Umgang mit dem Tod erkennt Hubert Knoblauch, der Veranstalter der Tagung. Einerseits sei der Tod mehr denn je in der Öffentlichkeit präsent. „Der tote Körper begegnet uns in den Medien mit einem Realismus, der früher kaum vorstellbar war. Hinweise dafür sind der Umgang mit dem Thema in US-amerikanischen und deutschen Sendungsformaten ebenso wie der Erfolg der Körperwelten-Ausstellungen“, so der Soziologe im pressetext-Interview. Trotz dieser häufigen Konfrontation sinke die direkte Erfahrung mit dem Tod. „Menschen werden immer älter, wodurch die Zahl der Sterbenden kurzfristig relativ sinkt, außerdem sterben viele einsam im Pflegeheim oder im Krankenhaus statt in der Familie, wodurch der Tod aus den sozialen Kreisen ausgelagert sind.“

Bestimmte Aspekte des Todes seien noch immer tabuisiert. Am deutlichsten manifestiert sich das für Knoblauch im Umgang mit dem menschlichen Leichnam. „Die Obduktionsrate ist in den letzten Jahrzehnten dramatisch gesunken. Der Wunsch nach einem intakten Körper auch nach dem Tod nimmt zu, zudem bringt das Öffnen des Leichnams zur Feststellung der tatsächlichen Todesursache den Spitälern wenig Geld, obwohl diese Untersuchung hohen epidemiologischen Wert hat“, so der Berliner Forscher.

Als eine Gegenbewegung zu der fehlenden Auseinandersetzung mit dem Sterben sieht Knoblauch die Hospizbewegung. „Nach Zeiten starker Medikalisierung und Hospitalisierung bringt sie den Vorgang des Todes stärker ins Bewusstsein. Die Mitarbeiter der Hospizbewegung kümmern sich freiwillig um sterbende Menschen, die sie zunächst noch gar nicht kennen. Dabei gewinnen sie selbst eine Vertrautheit mit dem Tod.“ Durch den Anstieg der Bevölkerung im hohen Alter werde der Tod für immer mehr Menschen zu einem wichtigen Anliegen. „Wir sollten mehr über den Tod reden“, schließt der Berliner Soziologe.

Media Contact

Johannes Pernsteiner pressetext.deutschland

Weitere Informationen:

http://www.todundtoterkoerper.eu

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