Tag der Biowissenschaften 2013

Über 200 Teilnehmer aus allen Teilen Deutschlands haben sich beim Tag der Biowissenschaften am 31.Oktober 2013 in Stuttgart intensiv mit dem Thema Biodiversität beschäftigt.

Beleuchtet wurden verschiedene Facetten des Themas, vor allem in Hinblick auf Forschung, Ausbildung und Gesellschaft. Die Biowissenschaften stellen für die ökologische und ökonomische Zukunftssicherung wichtiges Grundlagenwissen zur Verfügung. Nur auf dieser Basis können wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Abwägungen erfolgen. Allerdings besteht großer Handlungsbedarf im Hinblick auf die stärkere Einbeziehung der Öffentlichkeit und die Sicherung attraktiver Berufschancen für Nachwuchskräfte.

Der traditionsreiche „Tag der Biowissenschaften“ fand in diesem Jahr als Kooperationsveranstaltung des Verbandes Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO e. V.), der Umweltakademie Baden-Württemberg sowie des Bundesverband Beruflicher Naturschutz (BBN) statt. Die über 200 Teilnehmer der Tagung waren sich einig, dass das Verständnis von Biodiversität, also der Vielfalt an Fauna, Flora und Lebensräumen angesichts der globalen Herausforderungen in den Bereichen Klima, Lebensräume, Ernährung und Wirtschaft essenziell ist. Den Biowissenschaften komme dabei eine Schlüsselfunktion zu, da diese wichtiges fachliches und methodisches Wissen zur Verfügung stellen, mit deren Hilfe Biodiversität auf allen Ebenen erfasst, in ihrer funktionellen Zusammensetzung untersucht und im Hinblick auf ihre Entwicklung in Zeit und Raum bewertet werden kann. „Zur Erforschung der Biodiversität tragen eben nicht nur die „klassischen“ Disziplinen wie, Zoologie oder Botanik bei, sondern – je nach Betrachtungsebene – auch die Genetik, die Molekularbiologie, die Bioinformatik und die Ökologie“, betont Prof. Wolfgang Nellen, Präsident des VBIO.

„Anhäufung von Wissen nutzt einer auf intakte ökologische Systeme angewiesenen Menschheit nichts, wenn eine zunehmende Zahl von Bürgern immer weniger Artenkenntnisse haben. Selbst viele Biologie-Lehrer können heute oft keine Amsel von einem Spatz mehr richtig unterscheiden“ so Dr. Karin Blessing, Vorsitzende des VBIO Baden-Württemberg und stellvertretende Leiterin der Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg.

Es sei kein Wunder, wenn immer mehr Kinder angesichts zunehmender Naturentfremdung meinen, dass Kühe lila sind und Fischstäbchen im Meer schwimmen. Blessing forderte mehr Anstrengungen in der Wissenschafts- und Kulturpolitik, um der enormen Wissenserosion in Sachen Natur entgegenzuwirken.

Prof. Dr. Gerhard Haszprunar vom Lehrstuhl für Systematische Zoologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München gab im Einführungsvortrag einen Überblick über aktuelle Entwicklungen und zukünftige Herausforderungen für Forschung, Ausbildung, Politik und Gesellschaft im Bereich der Biologischen Vielfalt.

Drei Themenkreise bildeten den Rahmen für die daran anschließenden Impulsreferate und intensiven Diskussionsbeiträge der Sprecher aus Wissenschaft, Lehre und Berufspraxis: Der Stellenwert von Biodiversität in Schule und Hochschule, die beruflichen Tätigkeitsfelder im Bereich der Biodiversität sowie der gesellschaftliche Kontext biologischer Vielfalt.

„Zwischen TOSCA und PISA“ erkunden die Redner die Relevanz von biologischem Wissen in unserem heutigen Bildungssystem. Hier besteht – so die einhellige Meinung der Teilnehmer- Handlungsbedarf, damit auch zukünftig ausreichend Fachleute zur Verfügung stehen, die Tiere und Pflanzen zuverlässig bestimmen können und einen Überblick über die Biologie und Ökologie der Arten haben. Dabei ist offensichtlich, dass die Begeisterung für die biologische Vielfalt häufig früh in der Kindheit geweckt wird. Aufgabe von Schule und Hochschule ist es, das entsprechende Interesse und die Begabungen zu fördern und weiter zu entwickeln. Dass nur derjenige, der die Natur kennt, auch die Umwelt schützen kann erläuterte Prof. Lissy Jäkel von der PH Heidelberg. Artenwissen bedeutet dabei nicht, möglichst viele Tier-, Pflanzen- oder Pilzarten nur namentlich zu kennen, sondern Wissen über Organismen, Lebensansprüche und Zusammenhänge realitätsnah anzuwenden. Artenwissen sei im Kontext naturwissenschaftlicher Grundbildung die Fähigkeit, mit den Kenntnissen über Tiere, Mikroorganismen, Pilze und Pflanzen ökologische Zusammenhänge zu erfassen, zu interpretieren und möglichst nachhaltig zu beeinflussen.

Das zentrale Problem bei der Biodiversität ist der Fachkräftemangel „in Sachen Natur“, dieser wurde unter der Überschrift „Taxonomen dringend gesucht!“ bei den Teilnehmern lebhaft diskutiert und Praxisbeispiele aus der Perspektive von Behörden, Planungsbüros und jungen Biowissenschaftlern vorgestellt. Wie die Beiträge zeigten, ist dabei die Situation durchaus widersprüchlich. Denn es ist keineswegs so, dass der Mangel an Experten zu einer Verteuerung ihrer Tätigkeit geführt hat. Im Gegenteil: Häufig wird bei Monitoringprojekten o. ä. der billigste Anbieter ausgewählt. Kein Wunder, dass Nachwuchskräfte ihre Chancen in diesem Bereich beruflich Fuß zu fassen, skeptisch einschätzen. „Um diese negativen Rückkoppelungen zu durchbrechen, brauchen wir gute Arbeitsplätze für gut ausgebildete Experten“, so das Fazit der Diskussionsteilnehmer.

Ein weiterer Themenkreis stellte die Wechselwirkungen zwischen Biodiversität und Gesellschaft in den Mittelpunkt. „Biodiversität bereichert – nicht nur ökologisch!“ so die Ausgangsthese. Die Referenten zeigten auf, wie das umfassende Wissen über Arten die Grundlagen für nachhaltige Entwicklung gerade in Zeiten des Klimawandels schaffen kann. Um die Herausforderungen zu bewältigen sind dabei auch neuartige Ansätze in der Biodiversitätsforschung gefragt. Letztlich geht es auch um den Dienstleister Natur und die Frage, was uns Biodiversität und „die Natur“ heute noch wert sind.

Über alle individuellen Antworten hinaus ist dies vor allem auch eine gesellschaftliche Frage mit erheblichen Implikationen für Wirtschaft und Politik. Daher ist es umso bedeutsamer, die aktuelle und zukünftige Bedeutung der Biodiversität mehr in das öffentliche Bewusstsein zu bringen. „Dies ist auch dringend nötig“, so Dr. Karin Blessing von der Akademie für Umwelt- und Naturschutz in Baden-Württemberg und Organisatorin der Veranstaltung „denn das Ziel der Nationalen Biodiversitätsstrategie, dass bis 2012 mindestens 75% aller Bundesbürger ausreichende Kenntnisse über Biologische Vielfalt und ein entsprechendes Verständnis haben, wurde mit nur 22% leider weit verfehlt“.

Um genau diese Breitenwirkung zu erzielen, richtete sich der Tag der Biowissenschaften 2013 ganz bewusst nicht nur an Wissenschaftler, sondern vor allem auch Schüler, Studenten und Lehrer, die sich aktiv an der Diskussion beteiligten. Eine besondere Ehrung erfuhren nochmals 16 von insgesamt 50 Karl – von – Frisch – Preisträgern des Abiturjahrgangs 2013. Diesen Preis vergibt der VBIO kompetitiv nur an die jeweils besten Abiturienten eines Bundeslandes.

Eine Übersicht über das Programm finden Sie unter www.tag-der-biowissenschaften.de

Weitere Informationen
Dr. Kerstin Elbing, VBIO Geschäftsstelle Berlin, Tel. 030-2789-1916, elbing@vbio.de

Dr. Karin Blessing, Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg, Tel. 711-126-2808, Karin.Blessing@um.bwl.de

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Dr. Kerstin Elbing idw

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