Der Plant Biology Kongress 2012

In Freiburg präsentieren derzeit Pflanzenforscher aus aller Welt ihre neuesten Forschungsergebnisse. Mit etwa 1.000 Teilnehmern aus 63 Ländern ist der Kongress der diesjährig größte Pflanzenforschungskongress Europas. Forscher aller Disziplinen kommen bei der Tagung zusammen – sogar aus dem All gibt es Neues aus der Pflanzenforschung.

Seinen Schwerpunkt legte das diesjährige Treffen auf Themen mit globaler Bedeutung. „Die zukünftige Ernährung einer explodierenden Weltbevölkerung, deren Energieversorgung und Klimawandel sind unglaubliche Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen“, sagt Wilhelm Gruissem, Co-Organisator und Leiter der Professur für Pflanzenbiotechnologie der ETH Zürich. „Diesen Fragen kann auch die Grundlagenforschung nicht mehr ausweichen. Wir freuen uns deshalb bei diesem Kongress zu sehen, dass Pflanzenforscher aus den unterschiedlichsten Disziplinen sich darüber Gedanken machen, wie man helfen kann.“

Pflanzenforschung gegen Welthunger und Klimawandel

Eröffnet wurde der Kongress vom Vize -Präsident der amerikanischen Samuel Roberts Noble Foundation Richard Dixon mit einem Vortrag über eine neue gentechnisch veränderte Luzerne-Sorte. Luzerne, auch Schneckenklee genannt, wird weltweit als Vieh-Futter angebaut. Die Zellwände der neuen Sorte sind biotechnologisch so verändert, dass Kühe bei deren Verdau weniger Methangase ausstoßen, die ansonsten in großen Mengen bei der Viehproduktion anfallen und den Treibhauseffekt verstärken. Richard Dixon gilt als Koryphäe auf dem Gebiet der angewandten Pflanzenforschung und ist weltweit einer der meistzitierten Biologen.

In vielen Vorträgen geht es um Möglichkeiten, die Produktivität, Stresstoleranz oder Qualität von Kulturpflanzen zu verbessern. Beachtliche Fortschritte hat beispielsweise die Entwicklung des Golden Rice gemacht, einer Reissorte, die genetechnisch mit Vitamin A angereichert ist. Aktuelle Ernährungsstudien zeigen, dass der Biotech-Reis tatsächlich eine positive Auswirkung auf die Ernährung bei Kindern hat. „Die Chancen sind groß, dass Golden Reis im nächsten Jahr in Bangladesch und auf den Philippinen zugelassen wird“, sagt Wilhelm Gruissem, dessen Team derzeit eine Reissorte mit verbessertem Eisengehalt entwickelt. „Immer mehr Ernährungsphysiologen, die sich mit Mikronährstoffen in Entwicklungsländern beschäftigen sind mittlerweile bereit, dem Golden Rice eine Chance zu geben.“

Entgiftung mit gentechnisch veränderten Pflanzen

In den über 600 wissenschaftlichen Beiträgen des Kongresses geht es jedoch nicht ausschließlich um Biotechnologie. Forscher präsentieren auf der Tagung Ergebnisse zu allen wichtigen Grundlagenfragen zur Physiologie, Signalprozessen, Evolution und Ökologie von Pflanzen. Dass auf diese Weise auch neue Ideen entstehen, wie Ergebnisse der Grundlagenforschung für neue Anwendungen genutzt werden können, zeigen unter anderem die Vorträge aus der Phytoremediation. Diese forscht an neuen Möglichkeiten, gentechnisch veränderte Pflanzen zur Sanierung verseuchter Böden einzusetzen. Durch gentechnische Eingriffe lässt sich die Kapazität von Pflanzen Böden zu entgiften steigern. Diesem Forschungszweig wird auf Grund der Knappheit an landwirtschaftlicher Nutzfläche weltweit an Bedeutung gewinnen. Auch in der EU, wo ca. 16% aller Böden auf Grund von Kontaminationen von der Nahrungsmittelproduktion ausgeschlossen sind.

Schwerelose Pflanzenzucht

Als besonders horizonterweiternden Exkurs dürften viele Forscher auch den Workshop Plant Biology in Space in Erinnerung behalten. Die NASA und die European Space Agency (ESA) nutzten den Kongress für ein gemeinsames Treffen, um Ergebnisse aus zwei Jahrzehnten Pflanzenforschung im Weltraum vorzustellen. Erstaunlicherweise, so einer Erkenntnis der Pflanzenforschung im All, funktionieren Wassertransport und die meisten anderen grundlegenden Pflanzenprozesse auch ganz ohne Schwerkraft. Bei der Pflanzenforschung in Schwerelosigkeit geht es jedoch nicht nur darum, den Einfluss der Schwerkraft auf pflanzliches Wachstum und den Stoffwechsel zu verstehen. Auch zunächst utopisch anmutende Visionen ziehen die Wissenschaftler in Betracht. Langfristig soll es möglich werden in Raumstationen, Kulturpflanzen „extraterrestrisch“ anzubauen. Damit wäre der Weg weg von der Tube hin zu frischen Gerichten vorgezeichnet. Neben den grundlegenden Erkenntnissen ist vor allem für längere Missionen oder für komplexere Recyclingprozesse in Weltraumlaboratorien diese Forschung relevant.

Grundlagenforschung und angewandte Forschung besser vernetzen

Mit dem thematisch breit angelegten Programm möchte der Kongress vor allem die Grundlagenforschung mit der angewandten Forschung besser vernetzen. Um dies zu erreichen einigten sich die zwei größten europäischen Verbände für Pflanzenwissenschaften, der (FESPB), und der European Plant Science Organisation (EPSO) erstmals darauf, den Kongress gemeinsam zu veranstalten. „Die Stimmung und die bisherige Resonanz ist sehr gut“, freut sich Co-Organisator Heinz Rennenberg, der an der Universität Freiburg die Professur Baumphysiologie leitet. „Die Verschmelzung von Grundlagen- und angewandter Forschung ist uns gelungen!“

Unterstützung erhielt der Kongress in seinen Vorbereitungen auf breiter Front von der DFG, der Industrie und Wissenschaftsverlagen, die auch mit Ausstellungen auf der Tagung vertreten sind. Enttäuscht sei man dagegen über die Reaktion der Landesregierung gewesen, die man für die Eröffnungsfeier des internationalen Kongresses gewinnen wollte. Eine Tagung zu eröffnen, bei der er es auch um das Thema Gentechnik geht, lehnte man in Baden-Württemberg ab. Eine verpasste Gelegenheit meint Rennenberg: „Bei verantwortlichen Politikern erwarte ich selbstverständlich, dass sie sich auch einer kritischen Diskussion stellen. Da es sich um eine internationale Tagung handelt, hat uns das besonders getroffen.“ Die internationalen Forscher reagierten auf diese Nachricht anscheinend eher gelassen: „Man kann es so sehen“, so Rennenberg, „diese Haltung ist natürlich für andere Länder auch eine Chance, da wir Entwicklungen in einigen Forschungsbereichen aus der Hand geben.“

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