Personalisierte Medizin im Fokus: Frontiers in Medicinal Chemistry tagt in Tübingen

In diesem Jahr steht vor allem die personalisierte Medizin im Fokus des Programms. Daneben bilden Entzündungen, Stoffwechselerkrankungen und Diabetes weitere Schwerpunkte der Tagung, die gemeinsam von der Fachgruppe Medizinische Chemie der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) und der Fachgruppe Pharmazeutische/Medizinische Chemie der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) veranstaltet wird.

Die Konferenz startet am Sonntag, dem 16. März, mit einem Highlight für Medizinalchemiker: Professor Dr. Hans-Georg Rammensee, Universität Tübingen, hält den Eröffnungsvortrag „Towards Patient-specific Cancer Immunotherapy“.

Der vielfach ausgezeichnete Forscher – er erhielt u.a. 1992 den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 1993 den Robert-Koch-Preis, 1996 Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Preis und 2013 den Deutschen Krebshilfe Preis – adressiert damit das zukunftsweisende Feld der personalisierten Medizin.

Krebszellen weisen auf ihrer Oberfläche Strukturmerkmale auf, die sowohl für die Tumorart, aber auch für den jeweiligen Patienten hochspezifisch und einzigartig sind. Darauf aufbauend erläutert Rammensee in seinem Beitrag wie Medizinalchemiker mit analytischen Verfahren diese Strukturmerkmale identifizieren und anschließend maßgeschneiderte Peptide – kurze Ketten verschiedener Aminosäuren, die selektiv an die identifizierten Strukturen auf der Zelloberfläche binden – synthetisieren können.

Diese Peptide entfalten ihre Wirkung dann zwar nur beim jeweilig untersuchten Patienten, aufgrund ihrer Individualität zeigen sie dafür aber eine äußerst hohe Wirksamkeit. Rammensee geht in seinem Beitrag sowohl auf die Vorzüge der Methode ein, spricht aber auch die Frage der Machbarkeit und bestehende Herausforderungen auf dem Weg zur personalisierten Medizin an.

Die individuellen Unterschiede von Patienten auf zellulärer Ebene thematisiert auch der Beitrag von Professor Dr. Matthias Schwab vom Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie in Stuttgart. Sein Vortrag „Cancer Pharmacogenomics: Impact and Future Perspectives“ greift die Herausforderung auf, dass viele Medikamente – gerade in der Onkologie – ein sehr enges therapeutisches Fenster aufweisen, der Mengenunterschied zwischen einer heilsamen und einer toxischen Wirkung also nur äußerst gering ist.

Die Reaktion eines Patienten auf ein Medikament wird dabei von einer Kombination genetischer Faktoren und von Umwelteinflüssen bestimmt. Medizinalchemiker können die modernen Verfahren der Epigenetik – also die Untersuchung, welche Faktoren die Aktivität eines Gens und damit die Entwicklung der Zelle festlegen – nutzen, um künftig präziser vorherzusagen, wie die Wirkung eines Medikaments auf bestimmte Patientengruppen sein wird. So ermöglichen sie eine individuellere und effektivere Krebstherapie für den einzelnen Erkrankten.

Gegen Ende der Konferenz werden der Innovationspreis in Medizinisch/Pharmazeutischer Chemie und die drei Promotionspreise der GDCh-Fachgruppe vergeben. Der Innovationspreis wurde Junior-Professor Dr. Peter Wich, Universität Mainz, für seine Arbeiten u.a. zu neuartigen Polysaccharid-basierten Materialien für den gezielten Wirkstofftransport oder die Entwicklung dynamischer und bioinspirierter Nanomaterialien zur Untersuchung und Manipulation der Wechselwirkungen in zellulären Umgebungen zuerkannt. Dr. Miriam Sindelar erhält einen Promotionspreis für ihre Doktorarbeit an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dort beschäftigte sie sich mit einem Screening-Verfahren zur Bestimmung der Affinität von Substanzbibliotheken gegenüber einem spezifischen Target (z.B. Proteine oder Rezeptoren).

Sindelar gelang die Erweiterung der Anwendung auf membranständige Targets, was bislang nicht möglich war. Dr. Florian Rechenmacher wird für seine Promotion an der Technischen Universität München ausgezeichnet, in der er selektive Integrin-Inhibitoren synthetisierte und untersuchte. Integrine sind Proteine, die in allen tierischen Zellmembranen vorkommen und u.a. für die Signalübermittlung zwischen den Zellen und ihrer Umgebung verantwortlich sind. Die Veränderung der Bindung zwischen den Integrinen und den sie bindenden Molekülen ist mittlerweile zu einem wichtigen Anliegen der modernen Wirkstoffforschung geworden. Mit Dr. Matthias Wirth erhält ein Chemie-Informatiker einen Promotionspreis. Wirth fertigte seine Arbeit am Merck Serono Forschungszentrum in Genf an und ermöglicht mit seinen Ergebnissen die Anwendung von in-silico Methoden als Filterkriterium für nachfolgende klassische biochemische Screening-Verfahren.

Weitere Informationen zur Konferenz im Internet unter http://www.gdch.de/medchem2014.

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) gehört mit rund 31.000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat 27 Fachgruppen und Sektionen, darunter die Fachgruppe Medizinische Chemie mit über 820 Mitgliedern, vornehmlich Chemiker und Pharmazeuten aus Hochschule und Industrie. Die Fachgruppe will Brücken schlagen zwischen Chemie, Biologie, Medizin und Pharmazie. Sie befasst sich gebietsübergreifend mit Fragen der modernen Arzneimittelentwicklung, insbesondere der Wirkstofffindung, der Leitsubstanzoptimierung unter Einbeziehung moderner Technologien wie kombinatorische Synthese, Hochdurchsatz-Screeningsysteme auf der Basis molekularbiologischer Grundlagen, Drug Design, Molecular-Modelling, quantitative Struktur-/Wirkungsanalysen, Pharmakokinetik und Metabolismus.

http://www.gdch.de

Media Contact

Dr. Renate Hoer GDCh

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