Operation, obwohl der Schmerz noch erträglich ist?

Fast 400 Erkrankungen an den unterschiedlichsten Organen zählen zum rheumatischen Formenkreis. Insofern haben die Rheumatologen nicht nur die bei Bewegung schmerzenden Gelenke im Blick.

Nicht selten sind die Sehnen in Mitleidenschaft gezogen. Die sucht man zwar mit Medikamenten zu behandeln, aber manchmal ist der Griff zum Skalpell sinnvoll und notwendig. Dem widmet sich die Konferenz „Möglichkeiten und Grenzen der Rheumachirurgie“, die am 12. November 2008 vom Rheumazentrum am Universitätsklinikum Leipzig organisiert wird.

„Wir unterscheiden degenerative und entzündliche rheumatische Erkrankungen, wie zum Beispiel die rheumatoide Arthritis“, erläutert Prof. Christoph G.O. Baerwald, der Leiter der Sektion Rheumatologie an der Universität Leipzig. „Bei der rheumatoiden Arthritis greift das Immunsystem, die körpereigene Abwehr, fälschlicherweise die eigenen Gewebe an, indem Zellen aus dem Blut in das Bindegewebe der Gelenke und Sehnen eindringen.“ Was diese Zell-Aggression auslöst, ist bislang nahezu unbekannt.

Höchstwahrscheinlich spielen genetische Faktoren eine Rolle. Dass Frauen häufiger erkranken als Männer, lässt schlussfolgern, dass Hormone im Spiel sind. Erwiesenermaßen sind auch Raucher stärker betroffen. Aber weder der Einfluss von körperlicher Belastung noch von Einflüssen wie Feuchtigkeit oder Kälte ist nachweisbar.

Ohne erkennbaren äußeren Anlass kommen die Schmerzen. Und nicht nur bei Senioren. Am häufigsten beginnt die Erkrankung zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr sowie im Rentenalter. Hände, Knie oder Füße sind nicht mehr problemlos zu bewegen, Gelenke schwellen an, sind überwärmt und gerötet. Vor allem am Morgen ist jeder Schritt oder jeder Griff ein Problem. Dann kann die Entzündung mal für eine gewisse Zeit Ruhe geben, um sich ein paar Tage oder Monate später unvermindert oder gar stärker zurückzumelden.

Schicksal also. Und man kann, vom Nichtrauchen mal abgesehen, nicht vorbeugen. Auch eine ursächliche Behandlung, also die Beseitigung der entzündungsauslösenden Zellen, ist bislang nur unzureichend möglich. Der Betroffene muss sich also mit der rheumatoiden Arthritis einrichten. Was nicht heißt, dass er ihr hilflos ausgeliefert ist. Die verschiedensten Medikamente helfen, die Immunreaktion zu unterdrücken sowie die Schmerzen zu beherrschen und die Entzündung zu begrenzen.

Die Aufmerksamkeit der Mediziner richtete sich bislang vorrangig auf die Gelenke der Patienten. Deren Schwellung oder Überwärmung ist zu ertasten, das Röntgenbild macht Veränderungen sichtbar. „Deshalb wollten wir das Interesse der Kollegen auf die oft im Schatten der Gelenke stehenden Sehnen lenken. Diese spielen für die Entstehung typischer rheumatischer Deformitäten beispielsweise am Fuß oder an der Hand eine wichtige Rolle“, erläutert Dr. Roger Scholz von der Orthopädischen Klinik des Universitätsklinikums und wissenschaftlicher Leiter der Veranstaltung. „Deren Hülle, die Sehnenscheide, ist in die entzündlichen Prozesse einer rheumatoiden Arthritis zumeist eingebunden. Auch hier gibt es zunächst Medikamente und andere konservative Therapiemöglichkeiten. Allerdings haben die ihre Grenzen.

Und dann bietet sich eine Operation an, bei der das krankhafte Schleimhaut-gewebe der Sehnenscheide entfernt wird. Damit wird der Entzündungsherd reduziert und die Sehne langfristig geschützt. Je früher das geschieht, desto wahrscheinlicher wird die lokale Ausbreitung der Erkrankung verlangsamt oder gestoppt beziehungsweise das Reißen der angegriffenen Sehnen verhindert.“ Mitunter obliegt es der Rheumachirurgie auch, bereits gerissene Sehnen mit Hilfe von „Nachbarsehnen“ zu rekonstruieren.

Weil die Erkrankung der Sehnen oft erst vergleichsweise spät mit Schmerzen einhergeht, hat der Rheumachirurg mitunter die schwere Aufgabe, dem Patienten die Vorteile einer Operation zu erläutern: „Es ist dem Betroffenen nicht immer leicht zu vermitteln, dass eine Operation auch ohne starke Schmerzen und bei noch erhaltener Funktion erforderlich ist“, so Scholz. „Die Entfernung der Sehnenscheide geschieht ja sozusagen prophylaktisch. Auch der Riss einer Sehne muss nicht mit einem dramatischen Ereignis verbunden sein. Mitunter bemerkt der Patient nur, dass er irgendeinen Handgriff nicht mehr ausführen kann.

Aber man darf hier die Rekonstruktion nicht lange hinausschieben.“ Dass hinter den Abläufen der rheumatoiden Arthritis noch so viele Fragezeichen stehen, ist für die Rheumatologen natürlich eine Herausforderung. An der Universität Leipzig laufen deshalb derzeit Studien zu genetischen Risikofaktoren der Krankheit und es werden Mechanismen der rheumatoiden Entzündung an Zellen und in Tiermodellen studiert. Außerdem wird untersucht, inwieweit Wechselwirkungen mit dem Stress und dem autonomen Nervensystem des Patienten bestehen. Andere Forschungseinrichtungen widmen sich aktuell den am Entzündungsprozess beteiligten Zellen, den Botenstoffen, die deren Aktionen lenken und möglichen Therapien zu deren Ausschaltung.

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Christoph Baerwald
Telefon: 0341 97-24710
E-Mail: christoph.baerwald@medizin.uni-leipzig.de

Dr. med. Roger Scholz
Telefon: 0341/9723875
E-Mail: roger.scholz@medizin.uni-leipzig.de

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Dr. Bärbel Adams Universität Leipzig

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