Der Markt für MVNO-Geschäftsmodelle in Deutschland wächst weiter

Wie sieht der Mobilfunkmarkt der Zukunft aus? Nach einer Studie der Augsburger Forschungsgruppe wi-mobile existieren allein in Deutschland derzeit 146 Mobilfunkmarken. Bislang hat sich ein knappes Drittel der deutschen Mobilfunkkunden für eine andere Marke als T-Mobile, Vodafone, E-Plus oder O2 entschieden – wie auch in anderen Industrien geht die Tendenz mit zunehmender Marktreife immer stärker zur Segmentierung. Wie wird vor diesem Hintergrund die Zukunft der Mobilfunknetzbetreiber (MNO) aussehen? Diese und weitere Fragen diskutiert die Konferenz MCTA 2010, zu der die Augsburger wi-mobile-Forscher für den 1. und 2. Februar 2010 nach Berlin einladen.

Wie stehen deutsche MVNO-Geschäftsmodelle im internationalen Vergleich da? Was brauchen MVNO-Geschäftsmodelle, um sich erfolgreich am deutschen Mobilfunkmarkt etablieren und langfristig bestehen zu können? Welche Partner sind hierzu notwendig und welche Strategien müssen verfolgt werden? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die 10. Konferenz Mobile Communications – Technologien, Märkte, Anwendungen (MCTA 2010) am 1. und 2. Feruar 2010 in Berlin.

118 Unternehmen bieten 146 Mobilfunkmarken an

Der stetig wachsende Marktanteil von MVNO-Geschäftsmodellen zeigt deren zunehmende Bedeutung am Mobilfunkmarkt. Während etwa Großbritannien und die Niederlande bereits die Konsolidierungsphase erreicht haben, kommen hierzulande noch immer mehr neue Marken hinzu als vom Markt verschwinden. Im Oktober 2004 startete der erste MVNO Tchibo mobil als Joint Venture der Handelsmarke Tchibo und O2 Germany, heute existieren nach einer aktuellen wi-mobile-Studie 146 Mobilfunkmarken, die von 118 Unternehmen angeboten werden. Einige Anbieter, wie beispielsweise Webmobilisten, SIMply oder blau.de, verfolgen dabei eine Mehrmarkenstrategie, um bestimmte Zielgruppensegmente besser zu erreichen. Neben eigens als MVNO gegründeten Tochterfirmen von MNO, Service Providern oder Telekommunikationsanbietern haben sich inzwischen auch branchenfremde Unternehmen etabliert, deren Kerngeschäft nicht im Mobilfunk liegt. Vor allem Unternehmen mit etablierten Vertriebskanälen, Kundenstamm und Marken bieten ihren Kunden zusätzlich Mobilfunkprodukte mit eigenem Branding an. Insgesamt befinden sich dabei 37 Prozent der MVNO-Geschäftsmodelle im Netz von E-Plus, 27 Prozent im Netz von Vodafone, 24 Prozent im Netz von T-Mobile und gerade einmal 12 Prozent im Netz von O2.

Veränderung der Marktstrukturen im Mobilfunksektor

Diese Partnerschaften in der Wertschöpfungskette tragen zu einer Veränderung der bestehenden Marktstrukturen im Mobilfunksektor bei. E-Plus zum Beispiel beginnt bereits, sich mit der eigenen Marke aus dem Endkundengeschäft zurückzuziehen und konzentriert sich auf den Wholesalebereich, der auch bei den anderen MNO stark an Bedeutung gewonnen hat. „Die Frage, wie der MNO der Zukunft aussehen wird, ist offen“, so Dr. Key Pousttchi, Leiter der Forschungsgruppe wi-mobile. „Auf der einen Seite sehen wir Entwicklungen wie bei E-Plus, auf der anderen Seite ist es wenig wahrscheinlich, dass sich in einigen Jahren noch jeder MNO ein eigenes Mobilfunknetz leisten kann. Wir erforschen derzeit, wie der MNO der Zukunft dann aussehen könnte.“

Wie im derzeitigen Umfeld von hohem Wettbewerbsdruck um den Endkunden und undurchsichtigen Marktstrukturen nachhaltig erfolgreiche Wholesale-Partnerschaften zwischen MNO und MVNO aussehen können, wird Peter Hoffmann, Vice President International Mobile Wholesale der Deutsche Telekom AG auf der MCTA am 02.02.2010 anhand internationaler Beispiele und Vergleiche erläutern.

Typisierung von MVNO-Geschäftsmodellen

Ein erster Teil der Forschung von wi-mobile bezieht sich dabei auf die derzeitigen MVNO-Modelle. Ein MVNO kann prinzipiell vom Vertrieb bis hin zum Betrieb eines eigenen Mobilvermittlungsnetzes alle Wertschöpfungsstufen übernehmen, die traditionell vom MNO betrieben wurden – also alles außer der Luftschnittstelle. Bis heute existieren jedoch weder in Europa noch in Deutschland einheitliche Definitionen und Regulierungen. Um mehr Transparenz in die Marktstrukturen zu bringen und einheitliche Standardtypen zu entwickeln, hat die Forschungsgruppe wi-mobile eine Studie zur Zukunft des Mobilfunkmarktes und zur Klassifizierung der verschiedenen MVNO-Geschäftsmodelle in Deutschland durchgeführt. Demzufolge existieren sechs MVNO-Standardtypen, die je nach Wertschöpfungstiefe und Strategie unterscheiden.

o Typ 1: Branded Reseller wie BILDmobil, ALDItalk oder envacom sind der in Deutschland am häufigsten umgesetzte MVNO-Standardtyp. Der Fokus des Geschäftsmodells liegt dabei auf dem Vertrieb und Marketing von SIM-Karten mit eigenem Branding. 60% der Branded Reseller beziehen ihre Netzkapazitäten hierzu von Enablern wie z.B. vistream oder ensercom. „Das Enablingmodell bietet uns heute die notwendige Flexibilität Mobilfunkprodukte bereitzustellen. Zukünftig werden wir unser Augenmerk verstärkt auf mobile Dienste legen und dafür Enabling Funktionen nutzen. Mobilfunk als flächendeckendes Daten-Transportmittel ist ein wichtiger Eckpfeiler, um Zugang zu hochverfügbaren, zielgruppengerechten IT-basierten Diensten für End-to-End Mobile Internet in der Cloud anbieten zu können. Die Partnerschaft mit einem Enabler wie ensercom bleibt ein wichtiger Erfolgsfaktor, um auf den wesentlichen Kundenutzen zu fokussieren.“ so Hans-Peter Eitel, CEO von MBD Mobile Breitbanddienste.

o Typ 2: Bei Service Providern handelt es sich um Telekommunikationsunternehmen die auf den Vertrieb von Mobilfunkleistungen spezialisiert sind wie z.B. debitel oder The Phone House. In der Wertschöpfungskette übernehmen Service Provider die Elemente des Vertriebs und Marketings, Kundenservice sowie Buchhaltung und Fakturierung.

o Typ 3: Enhanced Service Provider sind Unternehmen aus der Telekommunikationsbranche, die bereits über Ressourcen und Kompetenzen in der Telekommunikationsindustrie verfügen wie z.B. EWE Tel oder Pro Net. Dabei betreibt ein Enhanced Service Provider vom Vertrieb bis hin zu eigenen Anwendungs- und Serviceplattformen alle Wertschöpfungsstufen selbstständig.

o Typ 4: White Label Service Provider sind in ihrer Wertschöpfung mit einem Enhanced Service Provider vergleichbar, vertreiben ihre Mobilfunkprodukte jedoch nicht selbst direkt an den Endkunden, sondern ausschließlich über Vertriebspartner mit Fremdmarken. „Enabler sind das schnelle und flexible Bindeglied zwischen Netzbetreibern und Mehrwerte-Anbietern, die mit ihren skalierbaren, flexiblen Systemen die Integration von Mobilfunk in andere Geschäftsmodelle wirtschaftlich effizient realisieren. Darüber hinaus bieten die Enabler den Branded-Resellern auch die Adaption von AGBs und Endkundenrechnungen an, wodurch Mobilfunk zum Träger von Kundenbindungs- und wirklichen Mehrwertesystemen wird“, so Carsten Becker, CEO von ensercom und White Label Service Provider für 7 Branded Reseller.

o Typ 5: Ein Full MVNO wie ring ist in Deutschland bisher einzigartig, da es sich hierbei um Unternehmen handelt, die über Erfahrungen und technisches Know-how im Betrieb eines Mobilvermittlungsnetzes verfügen.

o Typ 6: Der Mobile Virtual Network Enabler (MVNE) ist das Pendant zu einem Full MVNO. Im Gegensatz zum Full MVNO vertreibt dieser seine Mobilfunkprodukte jedoch nicht selbst direkt an den Endkunden, sondern über Partner. Helmut an de Meulen, Geschäftsführer der Materna GmbH, die den ersten und bisher einzigen MVNE vistream in Deutschland gegründet hat, wird im Rahmen des Konferenzprogrammes der MCTA am 02.02.2010 in Berlin die Relevanz eines Enablers für MVNO-Geschäftsmodelle betrachten.

Weiterentwicklung der MVNO-Geschäftsmodelle

Seit dem Start des ersten MVNO haben sich die Geschäftsmodelle stark sich weiterentwickelt. Dabei existieren verschiedene Generationen von MVNO-Geschäftsmodellen. Die erste Generation von MVNO bestand im Wesentlichen aus sogenannten „No-Frills“-Anbietern, die das Ziel der Kostenführerschaft verfolgten und sich vor allem durch „SIM-only“-Produkte und sehr günstige Sprachtarife auszeichneten. Die geringe Differenzierung des Angebotes und die sich immer stärker angleichenden Endkundenpreise führten zu einem starken Preiswettbewerb. Die zweite Generation begann ihr Angebot stärker von dem der Wettbewerber zu differenzieren. Einige MVNO haben sich auf reine Datentarife spezialisiert. „Mobile Breitbanddienste bieten enorme Entwicklungs- und Differenzierungspotentiale jenseits des ausgetretenen Pfades der 120 % Mobilfunkdurchdringung in der Bevölkerung“, so Hans-Peter Eitel. Darüber hinaus werden dem Kunden verstärkt mobile Mehrwertdienste und der kostenlose Zugang zu mobilen Portalen angeboten, um sich von den Wettbewerbern zu differenzieren und Kunden zu binden.

Workshop-und Konferenzprogramm der MCTA 2010

Neben der Betrachtung von MVNO-Geschäftsmodellen verspricht auch das übrige Konferenzprogramm spannend zu werden. Unter dem Motto „Science meets industry“ bietet die MCTA neben den Bereichen M-Payment, M-Banking, Mobile Business Processes und der Entwicklung von Mobilfunkmärkten ein breites Themenspektrum von Anwendungen wie Mobile Marketing, Mobile Ticketing und Mobile Entertainment. Das Programm beinhaltet Vorträge, Panels sowie je eine Case Study Session und eine Mobile Application Demo Session. Die Vorträge und Diskussionen auf der MCTA werden von einer Reihe hochrangiger Experten bestritten, auch das Networking kommt nicht zu kurz – zum Abschluß wird die Konferenz wieder mit „Cocktails & Jazzmusik“ ausklingen. Die MCTA ist der einzige Major Industry Event der Branche, der von einer Universität ausgerichtet wird.

Anmeldung unter http://www.mcta.de. Anmeldeschluss ist der 20. Januar 2010.

Weitere Informationen zur Konferenz:

Cornelia Noglinski
Tagungssekretariat MCTA 2010
Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Systems Engineering
Universität Augsburg, 86135 Augsburg
Telefon +49 (821) 598 4449, cornelia.noglinski@wi-mobile.de
Pressekontakt:
Dr. Key Pousttchi
Forschungsgruppe wi-mobile
Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Systems Engineering
Universität Augsburg, 86135 Augsburg
Telefon +49 (177) 6319508, presse@wi-mobile.de
Über die Augsburger Forschungsgruppe wi-mobile
Die Forschungsgruppe wi-mobile ist mit Anwendungen der Mobilfunk- und weiterer drahtloser Kommunikationstechnologie befasst. Gegründet 2001 am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Systems Engineering der Universität Augsburg (Prof. Dr. Klaus Turowski), integriert sie als Forschungsgruppe modernen Typs in einem Drei-Säulen-Modell Forschung auf internationalem Niveau, Beratungsprojekte für nationale und internationale Unternehmen sowie Lehrveranstaltungen für Studenten und Industrieteilnehmer. Besondere thematische Schwerpunkte bilden Mobile Payment/Mobile Banking, Mobile Marketing, mobile Geschäftsprozesse und die Weiterentwicklung von Mobilfunkmärkten und Geschäftsmodellen.

Media Contact

Klaus P. Prem idw

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