Durch Einblicke in die molekularen Welten: Arzneimittelforschung auf höchstem Niveau

Zu den Höhepunkten der diesjährigen Tagung zählen die Verleihung des Innovationspreises an Dr. Daniel Rauh vom Zentrum für Chemische Genomik am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund, der Eröffnungsvortrag von Professor Dr. Hans V. Westerhoff, Direktor des Manchester Centre für integrative Systembiologie, sowie Highlight-Vorträge, die die Immuntherapie von Krebserkrankungen, die Synthese eines Hemmstoffes zur Behandlung von Diabetes Typ 2 und anderer Enzym-Inhibitoren sowie die Synthese und molekulare Charakterisierung von zytotoxisch wirkenden Naturstoffen zum Inhalt haben.

Daniel Rauhs Arbeitsgruppe befasst sich mit der Frage, wie sich auf Grundlage des Wissens über die chemische Zusammensetzung des menschlichen Genoms neue Arzneimittel entwickeln lassen. Die Untersuchungsmethoden führen dabei zunächst zu einem besseren Verständnis, wie sich Proteine, die „chemischen Produkte der Gene“, in ihrer komplexen Umgebung verhalten. Bessere Kenntnisse zu diesen molekularen Netzwerken sind für die Entwicklung neuer Therapeutika essentiell auch für die Behandlung von Krebserkrankungen, wie Rauh in seinem Preisträgervortrag am Beispiel der Behandlung von Lungenkrebs aufzeigt. Hier gilt es, die Epidermal Growth Factor Receptor Kinase (EGFR), ein Enzym, dessen Proteinfunktionen sich bei Lungenkrebs falsch verhalten, zu hemmen (inhibieren). Nach ersten Therapieerfolgen mit kleinen Naturstoffen abgeschauten Molekülen musste man feststellen, dass der Tumor gegenüber diesen neuen Arzneimitteln resistent wurde. Diese Tumor-Mutationen müssen nun auf ihrer molekularen Grundlage erforscht werden, zumal andere zunächst Erfolg versprechende EGFR-Inhibitoren nicht die gewünschte Wirkung zeigten. Rauh bearbeitet dieses Forschungsgebiet und ähnlich gelagerte Forschungsfelder disziplinen- und institutsübergreifend mit großem Erfolg und Erkenntnisgewinn. Die Verleihung des Innovationspreises basiert vor allem auf einem neuen von Rauh entwickelten Hochdurchsatz-Screening-Verfahren, das bereits von zwei internationalen Pharmafirmen für die Suche nach neuen Kinase-Inhibitoren eingesetzt wird.

Hans V. Westerhoff ist ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Systembiologie, in der ein Gesamtbild der dynamischen Vorgänge des Lebens – vom Genom über die Zelle bis hin zum gesamten Organismus – erarbeitet werden soll. Letztlich geht es um die Frage „Was ist Leben?“, die Westerhoff beispielsweise an seiner früheren Wirkungsstätte, der Freien Universität Amsterdam, in dem Symposium „Towards a Philosophy of Systems Biology“ (Juni 2005) behandelt wissen wollte. Von einem umfassenden Verständnis der Lebensprozesse ist man noch weit entfernt, aber weltweit wird, ausgehend von experimentellen und theoretischen Ansätzen in der Molekularbiologie, Biochemie und Biophysik und mit Hilfe mathematischer computergestützter Modellierungen, an den Grundlagen für ein Bild über das Leben geforscht. Diese Grundlagenforschung verfolgt jedoch auch den Zweck besserer Diagnosemöglichkeiten und neuer Therapieansätze in der Medizin.

Neben derzeitigen Therapieansätzen mit kleinen Molekülen ist die Immuntherapie mit Antikörpern, das sind Immunoglobuline, also sehr komplexe Proteine, ein weiteres aktuelles Gebiet in der Arzneimittelforschung und -entwicklung. Dr. Horst Lindhofer von der Münchner Trion Pharma GmbH berichtet über den ersten Vertreter einer bispezifischen, trifunktionalen Antikörper-Familie auf dem Markt, das 2009 in Europa zugelassene Catumaxomab zur Immuntherapie von Krebserkrankungen. Eigentlich obliegt es den Antikörpern im menschlichen Körper, kranke Zellen zu erkennen und zu vernichten. Bei Krebserkrankungen wuchern solche Zellen weiter, und da ist es nahe liegend, mit Antikörpern „von außen“ nachzuhelfen, also das Immunsystem zu stimulieren. Die neuen Antikörper weisen durch ihre besondere Struktur, bestehend aus einem Maus-Antikörper, der Krebszellen erkennt, und einem Ratte-Antikörper, der T-Killer-Zellen bindet, zwei unterschiedliche spezifische Bindungsstellen auf. Mit einem dritten funktionalen Teil werden weitere Abwehrzellen, die zum körpereigenen Immunsystem gehören, stimuliert. Dieses trifunktionale Prinzip soll bewirken, dass die Vernichtung von Krebszellen 1.000 Mal effizienter ist als bei herkömmlichen Antikörpern. Die Erfahrungen, die bislang vorliegen, gaben Anlass, diese Arbeiten in den Highlight-Vorträgen vorzustellen.

Die Tagung in Münster behandelt als weitere Schwerpunkte Ionenkanäle, die bei der Nervensignalweiterleitung und damit u.a. bei Erkrankungen des Zentralen Nervensystems eine wesentliche Rolle spielen, Nanotechnologie und Medizin sowie seltene Erkrankungen.

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) gehört mit rund 29.000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat 26 Fachgruppen und Sektionen, darunter die Fachgruppe Medizinische Chemie mit etwa 760 Mitgliedern, vornehmlich Chemiker und Pharmazeuten aus Hochschule und Industrie. Die Fachgruppe will Brücken schlagen zwischen Chemie, Biologie, Medizin und Pharmazie. Sie befasst sich gebietsübergreifend mit Fragen der modernen Arzneimittelentwicklung, insbesondere der Wirkstofffindung, der Leitsubstanzoptimierung unter Einbeziehung moderner Technologien wie kombinatorische Synthese, Hochdurchsatz-Screeningsysteme auf der Basis molekularbiologischer Grundlagen, Drug Design, Molecular-Modelling, quantitative Struktur-/Wirkungsanalysen, Pharmakokinetik und Metabolismus.

Media Contact

Dr. Renate Hoer idw

Weitere Informationen:

http://www.gdch.de

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