Die Welt aus der Perspektive des Erregers sehen

„In einer zunehmend komplexen Welt sind die Augen – zusammen mit den Händen – das wichtigste Tool des Wissenschaftlers“, so Brockmann, der zu komplexen Systemen in der Biologie und insbesondere in der Infektionsepidemiologie forscht.

Zentral sei hier die Konnektivität zwischen den Knoten eines Netzwerks: „Einem Erreger ist die tatsächliche Entfernung zwischen zwei Punkten egal, Hauptsache, es gibt viel genutzte Verkehrswege und es geht schnell“. Die Anwendung der Netzwerktheorie zeige erneut geometrische Ausbreitungsmuster, die bei der Beobachtung der herkömmlichen Landkartendarstellung eher chaotisch wirkten.

2014 hatte Brockmann mit seinem Team die mögliche Ausbreitung von Ebola über den Luftverkehr modelliert und für die 1.227 größten Flughäfen weltweit das relative Risiko für den Import des Erregers berechnet. „Für uns ist das eine Anwendung unseres Modells. Wir haben es jetzt auch für die Modellierung der Verbreitung des Zikavirus genutzt“.

Von Bucheckern zur Vorhersage von Hantavirus-Fällen im Folgejahr

Für die Verbreitung zoonotischer Erkrankungen auf nationaler Ebene sind die herkömmlichen geographischen Darstellungen dagegen immer noch nützlich. Deshalb sind in Projekten der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen verschiedene Landkarten und Atlanten entwickelt worden.

Beispielsweise leitet die Risikolandkarte für Hantaviren in Baden-Württemberg (http://www.hanta-vorhersage.de) aus verschiedenen Baum- und Beerenbeständen sowie vor allem aus der jährlichen Menge der reifen Bucheckern, der Buchenmast, eine Vorhersage für das Auftreten von Hantavirus-Erkrankungen in der Bevölkerung im Folgejahr ab – Bucheckern sind eine wichtige Futterquelle für die Rötelmaus, das Überträgertier des Hantavirus. Die Buchenmast und Klimadaten werden jährlich aktualisiert, eine Vorhersage für 2017 ist bereits abrufbar. „Wir werden ein ziemlich ausgeprägtes Hantajahr bekommen“, schlussfolgert Stefan Brockmann (Gesundheitsamt Reutlingen) aus der aktuellen Simulation.

Ab 2017 soll auch ein Zeckenatlas entstehen. Hierfür wird auf das Citizen-Science-Prinzip zurückgegriffen, und die Bevölkerung wird aufgefordert, Zecken an die Universität Leipzig zu senden.

Weiterhin viele ungeklärte Fragen in der Zoonosenforschung

„Die Zoonosenforschung hat nach wie vor eine hohe Bedeutung vor allem für die Gesundheitsvorsorge, aber letztlich auch für die Sicherheit und die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes“, sagte Prof. Dr. Stephan Ludwig (Institut für Molekulare Virologie, Westfälische Wilhelms-Universität Münster). „Nach wie vor gibt es viele un-geklärte Fragen, beispielsweise in meinem Fachgebiet, der Grippeforschung.“ Auch das Problemfeld der zunehmenden Antibiotikaresistenzen sowie nicht zuletzt das Auftreten neuer Epidemien, die ihren Ursprung zunehmend häufig im Tierreich haben, erforderten weiterhin eine enge Zusammenarbeit zwischen Forschern in der Human- und der Veterinärmedizin.

„Wir freuen uns deshalb, dass in dem wichtigen Forschungsfeld Zoonosen auch künftig weiter Verbünde und Netzwerke gefördert werden sollen.“ Voraussichtlich 2017 werden im Rahmen der erneuerten Forschungsvereinbarung zu Zoonosen, mit der vier Bundesministe-rien* den One Health-Ansatz in der Gesundheitsforschung stärken, neue Forschungsverbünde starten. Diese können über die Zoonosenplattform und die Arbeitsgruppe Zoonosen und Infektionsforschung der TMF auf Erfahrungen und Vorarbeiten früherer geförderter Projekte aufbauen.

* Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Bundesministerium der Verteidigung (BMVg)

Kontakt für Medien

• Antje Schütt | presse@tmf-ev.de | Tel.: 030 – 2200247-31, mobil 0173 6141663
• Dr. Ilia Semmler | info@zoonosen.net | Tel.: 030 – 220024772

Hintergrund

Nationale Forschungsplattform für Zoonosen

Forschung zu Zoonosen – also Forschung zu Infektionskrankheiten, die zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können – findet in Deutschland an vielen verschiedenen Orten und Einrichtungen statt: an Universitäten und in Bundesinstituten, in kleinen Arbeitsgruppen und in großen Verbünden. Dabei sind Wissen und Erfahrung sowohl von Human- und Veterinärmedizinern als auch von Infektionsbiologen und Wissenschaftlern anderer Fachdisziplinen von großer Bedeutung. Deshalb ist eine fachübergreifende, interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig.

Die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen als infrastrukturelle und wissenschaftliche Organisation, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, ermöglicht und unterstützt diese Vernetzung. Aufgabe der Zoonosenplattform ist es, biomedizinische Grundlagenforschung sowie Human- und Veterinärmedizin enger zu verknüpfen, um die Zoonosenforschung in Deutschland effektiver zu gestalten. Die Zoonosenplattform wird gemeinsam von der Universität Münster, dem Friedrich-Loeffler-Institut und der TMF getragen.

Weitere Informationen: http://www.zoonosen.net

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Dr. Ilia Semmler idw - Informationsdienst Wissenschaft

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