Die deutsche Photovoltaik-Förderung bedarf einer Kurskorrektur

In der Vergangenheit waren hohe Einspeisetarife für den Sonnenstrom notwendig, weil sich ansonsten kein Markt gebildet hätte. Die PV-Förderung wurde als ökologische Industriepolitik konzipiert mit dem Ziel, (Arbeits-) Märkte zu schaffen, bei gleichzeitiger Entlastung der Umwelt.

Die Förderung hat bei den Solarunternehmen zu Skaleneffekten und den damit verbundenen Kostensenkungen geführt. Heute sorgt die PV dafür, dass an sonnigen Tagen der Mittagsstrom billiger ist als Nachts: weil rund 20-30 Gigawatt von Solar- und Windstrom die Hälfte der Nachfrage in Deutschland bedienen kann, purzelt der Strompreis an der Strombörse auf nur einen Cent. Die erneuerbaren Energien leiden heute unter ihrem Erfolg, denn je größer die Differenz zwischen Marktpreis und gesetzlich garantiertem Einspeisetarif, desto mehr zahlen Deutsche für Strom aus Wind und Sonne. Und weil energieintensive Unternehmen von dieser Mehrbelastung befreit sind, tragen besonders Verbraucher die Kosten der Energiewende. Diese Situation gefährdet den breiten Konsens über die Förderung der Photovoltaik; eine Kurskorrektur der aktuellen Förderung ist daher notwendig.

Die PV-Förderung hat in der Vergangenheit zu überhöhten Gewinnen bei den Solarfirmen geführt, die die Kostenvorteile einer Massenproduktion nicht an ihre Kunden weitergaben und ihre Produkte zu teuer verkauften. Der Erfolg deutscher Solarfirmen hat Nachahmer hervorgerufen. Insbesondere chinesische Unternehmen haben die ursprünglichen Wettbewerbsvorteile deutscher Unternehmen eingeholt und überholt. Chinesische Firmen wurden von deutschen Maschinenbauern ausgerüstet und liefern inzwischen Top-Qualität. Heute fördert ein Teil der deutschen PV-Subventionen die Wettbewerbsfähigkeit der ausländischen Industrie. Gleichzeitig profitieren Deutsche von chinesischen Billigmodulen, jedoch auf Kosten von Arbeitsplätzen im Inland. Da die weltweit jährliche Solarproduktion bei über 50 Gigawatt liegt, aber nur ca. 30 Gigawatt nachgefragt werden, wird der Preiskampf weiter gehen. Deutsche Solarfirmen können der Konkurrenz aus China nichts entgegensetzen, außer sich durch Produktdifferenzierungen technologische Nischen zu erschließen, wie z.B. mit der gebäudeintegrierten PV (engl. „building integrated PV“ oder BIPV).

Hohe Wertschöpfung im Inland bei BIPV

Eine Förderung der BIPV bei verminderter Förderung der Standard-PV würde die Wertschöpfung im Inland erhöhen, also Arbeitsplätze in Deutschland schaffen, denn die BIPV ist sowohl in der Planung als auch bei der Montage aufwendiger. Seit 2008 hat der Anteil für Montage an den Gesamtkosten eines PV-Systems ständig zugenommen, weil der Anteil der Module aufgrund des Preiseinbruchs bei PV-Modulen stark zurückgegangen ist. Während die Preise von PV-Modulen sich nach dem Weltmarkt richten, hängen die Installationskosten von nationalen, teilweise regionalen Faktoren ab. Beispielsweise kostet in Deutschland die Installation von PV auf Privathäusern nur halb so viel wie in den USA, was nicht auf niedrigere Löhne sondern auf mehr Erfahrung zurückzuführen ist. Einen ähnlichen Lernkurveneffekt könnte auch die BIPV erzielen, wenn sie entsprechend gefördert würde. Solar- und Bauwirtschaft würden gleichermaßen profitieren. Die BIPV würde dann auch verstärkt bei energetischen Sanierungen eingesetzt. Eine Studie im Auftrag des Österreichischen Klima- und Energiefonds hat gezeigt, dass BIPV im Gebäudebestand „eine Maximierung von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung bedeutet“, da größeres Know-how für BIPV bei Gebäudesanierungen erforderlich ist (Gebäudeintegrierte Photovoltaik: Perspektiven, Potenziale und volkswirtschaftliche Betrachtung der GIPV-Technologie, Oktober 2009).

Undifferenzierte PV-Förderung hemmt Innovationen

Mit einem Marktanteil von 1-2% ist die BIPV noch ein Nischenprodukt. Sie liefert im Vergleich zu Freiflächenanlagen und auf Gebäuden aufgeständerte PV weniger Ertrag, da fassadenintegrierte PV nicht optimal zur Sonne ausgerichtet ist. Außerdem kostet BIPV pro Kilowatt mehr als Standard-PV, weil nicht nur die Planung aufwendiger, sondern zumeist auch die projektspezifische Gebäudeintegration die Produktionskosten erhöht. Der lukrative deutsche Einspeisetarif hat daher zu einer auf Rendite ausgerichteten PV und zu einer technologischen „lock-in“-Situation geführt: es wurden renditenstarke Aufdachanlagen und Freiflächenanlagen errichtet und Investitionen in BIPV vernachlässigt. Solarunternehmen produzierten fast ausschließlich Standardmodule, die aufgrund großzügiger Einspeisetarife in Deutschland auf eine große Nachfrage trafen. Um die ständig steigende Nachfrage zu bedienen, investierten Unternehmen in den Ausbau der Zell- und Modulproduktion, anstatt in neue Produkte und Anwendungen (organische PV und Dünnschicht-Technologie ausgenommen). Somit hat die undifferenzierte PV-Förderung innovationshemmend gewirkt. Der deutsche BIPV-Bonus von 5% für Fassadenintegration aus dem Jahre 2004 hat zu keiner nennenswertem Marktbewegung geführt, weil der zu niedrig angesetzte Bonus die Ertragseinbußen nicht kompensieren konnte, schon gar nicht die Mehrkosten für die Fassadenintegration. Weil er bürokratisch aufwendig war und nicht zum gewünschten Ergebnis führte, wurde der Bonus 2009 gestrichen.

In Frankreich waren die Fördersätze für Standard-PV deutlich niedriger als in Deutschland; jedoch gab es von Anfang an eine relativ starke Förderung der BIPV. Dies hat dazu geführt, dass konventionelle Aufdachanlagen, die mit Billigimporten bedient werden können, in Frankreich weniger nachgefragt wurden. Der hohe Bonus für BIPV sollte eine Marktdifferenzierung bewirken und Frankreich vor der Massenware des damaligen Weltmarktführers Deutschland abschotten. Die Franzosen sind außerdem davon überzeugt, dass PV-Module zunehmend ins Gebäude integriert und sich zu einem gängigen Bauprodukt entwickeln werden, dessen Einsatz wirtschaftlich sinnvoll ist, weil es andere Baumaterialien substituiert (vgl. Fabien Crassard und Johannes Rode: The evolution of BIPV in German and French technological innovation systems for solar cells, Göteborg, 2007).

EU Gebäuderichtlinie wird BIPV-Anwendungen forcieren

Ab dem Jahr 2020 müssen neue Gebäude europaweit eine ausgeglichene Energiebilanz aufweisen. Dann wird bei größeren Gebäuden, deren Dach keine ausreichend große Fläche für eine Solaranlage bietet, die Energie zwangsläufig aus der Fassade kommen müssen. Somit schreibt die EU-Gebäuderichtlinie indirekt die Integration der PV in die Fassade für Hochhäuser und Bürogebäude vor. „Die Bedeutung der BIPV wird also in Zukunft massiv steigen“, prognostiziert das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg. Die deutsche PV-Förderung muss heute an die Rahmenbedingungen von morgen angepasst werden. Nur so wird sich die Industrie im internationalen Wettbewerb behaupten können.

Die Energiewende in Deutschland bedarf enormer Investitionen. Eine sinnvolle Förderung würde die PV in ein umfassendes Energiekonzept integrieren: die PV stärker ins Gebäude integrieren und den Eigenverbrauch von Solarstrom fördern. Wenn gleichzeitig Speichertechnologien und Elektromobilität gefördert würden, könnte sich die PV zum wesentlichen Bestandteil einer dezentralen Energieversorgung entwickeln und würde einen Teil der Investitionen in den Netzausbau erübrigen. Eine dezentrale Energieversorgung braucht nicht mehr Netze, sondern intelligente Netze.

* Andreas Karweger ist Geschäftsführer des Economic Forum, München – Bozen, und Organisator des ENERGY FORUM on Solar Building Skins, Brixen, Italien. www.energy-forum.com

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