Wir wollen das Zusammenspiel der Gene verstehen

Wie beeinflussen sich die Gene in einem Organismus gegenseitig? Welche Rolle spielen dabei Umwelteinflüsse? Und lässt sich dieses komplexe Zusammenspiel irgendwann vollständig am Computer simulieren? Solchen Fragen widmet sich ein Forschungszweig, der gerade im Entstehen ist: Die komplexe Genetik.

Internationale Fachleute dieser Disziplin kommen vom 26. bis 29. Mai 2007 an das Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Dort werden sie beim 6. Jahrestreffen des „Complex Trait Consortium – CTC“ („Konsortium zur Untersuchung komplexer vererbter Eigenschaften“) neue Erkenntnisse austauschen und Forschungsaktivitäten aufeinander abstimmen.

Zwischen dem Beginn der genetischen Forschung vor 150 Jahren und der heutigen komplexen Genetik liegen Welten. „Der Mönch Gregor Mendel erkannte die Grundgesetze der Vererbung, indem er mit Erbsen experimentierte, die entweder weiß oder rot blühten“, so der Organisator der Treffens, Helmholtz-Forscher Prof. Klaus Schughart: „Die weißen oder roten Erbsenblüten erklärte er mit der Ausprägung eines einzelnen Gens. Das half den Forschern auf die richtige Fährte – aber heute wissen wir, dass es viel komplizierter ist.“

Was Mendel als Gen bezeichnete, erkennen Biologen heute als komplexes Netzwerk. Eine Vielzahl verschiedener Bereiche auf den Erbanlagen sorgt im Zusammenspiel dafür, dass die Blüten farbig sind. Für die Körpermerkmale von Tier und Mensch gilt das Gleiche. So werden die wenigsten Krankheiten des Menschen durch eine einzelne Genmutation ausgelöst. „Gerade in der Infektionsforschung spielen Gennetzwerke eine große Rolle“, stellt Schughart den Bezug zu seiner Arbeit her: „Ob wir empfindlich oder unempfindlich auf den Angriff von Bakterien oder Viren reagieren, bestimmt eine ganze Armada von Genen und ihrer individuellen Varianten.“ Welche das sind und wie sie sich gegenseitig steuern, lässt sich nicht am Menschen untersuchen. Die Wissenschaftler arbeiten daher mit Mäusen.

„Mit Hilfe der Gentechnik können wir heute Mausstämme züchten, in denen ein bestimmtes Gen ganz, teilweise oder gar nicht angeschaltet ist“, beschreibt Schughart das Vorgehen. Dadurch lässt sich der Einfluss des Gens – zum Beispiel auf die Empfindlichkeit gegenüber einem Krankheitserreger – sehr detailliert untersuchen. „Wenn man dann zusätzlich zu dem veränderten Gen den genetischen Hintergrund variiert, bekommen wir Hinweise darauf, wie verschiedene Erbanlagen sich gegenseitig beeinflussen und steuern.“

Ein einzelner Forscher, ja selbst ein ganzes Forschungsinstitut kann diese Herkulesaufgabe nicht bewältigen – nur internationale Zusammenarbeit verspricht Erfolg. Deshalb haben Komplex-Genetiker aus aller Welt das Complex Trait Consortium gegründet. Bei ihrer Zusammenkunft in Braunschweig wollen die Forscher aus Deutschland, Großbritannien, Japan und den USA beraten, wie sie gemeinsam dem vermeintlichen Wirrwarr in unseren Genen auf die Schliche kommen. Schughart: „Ich freue mich, dass wir die Kooperation zum Laufen bekommen haben – damit wir nicht noch mal 150 Jahre warten müssen, bis wir das Zusammenspiel der Gene verstehen.“

Media Contact

Hannes Schlender idw

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