113. Internistenkongress: Reform statt Abwicklung für Deutsches Gesundheitswesen

Deutschland hat eines der leistungsfähigsten Gesundheitssysteme der Welt. Das kostet Geld. Unter den aktuellen finanziellen Zwängen sind Entscheidungen im deutschen Gesundheitswesen in erster Linie ökonomisch geprägt. Nicht immer jedoch sind diese medizinisch sinnvoll und nützen dem Patienten. Ob das Gesundheitssystem mit den derzeitigen Reformen zukunftsfähig bleibt oder keine Zukunft mehr hat, diskutieren Vertreter von Ärzten, Krankenkassen, Patienten und Industrie auf dem 113. Internistenkongress im Rahmen des Symposiums der Korporativen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).

Ein Vergleich zu Ländern wie Australien und Kanada, Neuseeland, den USA und Großbritannien bestätigt Deutschlands Gesundheitswesen hohe Qualität. Doch dieses System hat seinen Preis. Seit 1977 sind in Deutschland mehr als 50 Reformgesetze entstanden. Die meisten davon mit dem Ziel, Kosten zu senken. „Wenn man sich die zahlreichen 'Reformen' des Gesundheitssystems betrachtet, so sind diese nicht angelegt, die Struktur und Patientenversorgung zu verbessern, sondern angesichts der überall steigenden Kosten und der begrenzten Ressourcen überwiegend von ökonomischen Zwängen geprägt“, klagt Professor Dr. med. Ulrich Robert Fölsch, Beauftragter für die Korporativen Mitglieder der DGIM.

Auch die am 1. April in Kraft getretenen Reformen bringen weitere Einschränkungen mit sich. Problematisch ist insbesondere der Umgang bei der Kostenerstattung neu entwickelter Medikamente. Sie werden heute meist erst erstattet, wenn so genannte Endpunktstudien vorliegen – auch wenn sich bereits während des Studienzeitraums ihr Nutzen für den Patienten deutlich zeigt. Da diese Studien oft über mehrere Jahre andauern, kann kostbare Zeit für die Behandlung der Patienten verloren gehen. Dr. Ottfried Zierenberg, Sprecher der Korporativen Mitglieder der DGIM und Geschäftsführer Medizin bei der Pharmafirma MSD Sharp & Dohme, führt im Vorfeld des Internistenkongresses ein Beispiel aus der AIDS-Therapie an: Mitte der 90er Jahre führten neue Proteasehemmer zu einem Durchbruch in der HIV-Behandlung. Hätten diese Medikamente erst nach dem Ablauf von Endpunktstudien die Zulassung bekommen, wären viele Patienten schon während dieser Zeit gestorben.

Die DGIM und ihre Korporativen Mitglieder fordern deshalb, dass Entscheidungen nicht nur aus dem Blickwinkel der Ökonomie fallen, sondern vor allem aus dem der Medizin und damit aus Sicht der Patienten. Es sei zudem bedenklich, dass Krankenkassen und Gesundheitspolitik die Medizin inzwischen vermehrt hinsichtlich der Inhalte kontrollieren: Der Medizinische Dienst der Krankenkassen hinterfragt nicht mehr nur Sinn und Notwendigkeit medizinischer Leistungen. Er entscheidet mittlerweile, welche Leistungen medizinisch sinnvoll und damit vergütungsfähig scheinen. „Insgesamt führt diese Entwicklung zu einer zunehmenden Pauschalierung der Krankenversorgung und berücksichtigt nicht die Bedürfnisse des einzelnen Patienten“, betont Professor Fölsch, Direktor der Klinik für Allgemeine Innere Medizin; Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel.

Die DGIM setzt sich darüber hinaus dafür ein, dass die medizinisch Handelnden sich in die Entwicklung dieser Reformprozesse aktiv einschalten können. Denn sie trügen dafür Sorge, dass die noch vorhandene hohe Qualität der Versorgung der Patienten sich nicht durch Sparzwänge an der falschen Stelle verschlechtert.

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