Reale Chance für Reha

Der Weg zu einer zukunftsfähigen Rehabilitation (Reha) ist geebnet. Zu diesem Konsens kommen die Referenten des zweitägigen 9. Deutschen IIR-Reha-Kongresses, der heute in München zu Ende geht. Doch auch wenn die Gesundheitsreform Reha-Maßnahmen zu Pflichtleistungen erklärt, können sich Reha-Anbieter nicht zurücklehnen. Patientenorientierung und neue Wege sind gefragt.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Wolfgang Zöller sagte in seinem Auftaktreferat, die Gesundheitsreform habe die wesentlichen Rahmenbedingungen für einen stabilen Reha-Markt geschaffen. Die Reform, von der er behauptete, sie werde in der Öffentlichkeit zu negativ dargestellt, führe zu Verbesserungen für Versicherte, fördere den Wettbewerb und gestalte die Vergütung leistungsgerechter als bisher.

Seit diesem Jahr gehören Reha-Maßnahmen zu den Pflichtleistungen der Krankenkassen. Nach Zöller sei dies ein Armutszeugnis für die Moral der Verantwortlichen in der Gesundheitswirtschaft: „Es ist doch schlimm, dass man etwas Gutes zur Pflicht machen muss.“ Bis vor kurzem seien Reha-Patienten immer dort eingewiesen worden, wo es gerade finanziell passte. Das ginge nun nicht mehr. Patienten könnten sich ihre Einrichtung selbst aussuchen, was den Wettbewerb unter den Einrichtungen fördern werde.

Die Finanzierungsstrukturen der gesetzlichen Krankenversicherung würden auf eine neue Grundlage gestellt, erklärte Zöller außerdem. Der ab 2009 geplante Gesundheitsfonds garantiere eine wirtschaftliche Verwendung von Steuern und Beiträgen. Die Krankenkassen bestimmten dann nicht mehr über die Beitragssätze ihrer Mitglieder und der Arbeitgeber.

Zöller warnte weiter davor, das Gesundheitssystem zu amerikanisieren. In den USA werde mehr Geld dafür ausgegeben, die Haftung von Ärzten abzusichern als dafür, Patienten zu heilen. „Wenn wir in Deutschland eine ähnliche Philosophie entwickeln, dann fahren wir unser System an die Wand“, so Zöller.

Vehement kritisierte Zöller außerdem Krankenkassen, die für im Ausland erbrachte Reha-Leistungen werben: „Die müssen doch etwas weitsichtiger denken!“ Es sei nicht nur fahrlässig, die Gelder ins Ausland zu geben statt in deutsche Einrichtungen zu investieren, die Kassen enthielten den Patienten auf diese Weise auch Qualität vor.

Dem widersprach Helmut Heckenstaller, Leiter der Techniker Krankenkasse (TK) in Bayern: „Ich erlebe derzeit eine Karawane an Menschen, die den deutschen Kurorten den Rücken kehren.“ Um diesem Trend gerecht zu werden, schließe die TK vermehrt Verträge mit ausländischen Kurorten. Eine schlechtere Versorgung drohe den Versicherten im Ausland nicht: „Unsere Vertragspartner verpflichten sich, die deutschen Qualitätsstandards einzuhalten.“ Die TK verzichte jedoch darauf, für ausländische Einrichtungen zu werben: „Wir gehen lediglich den Wünschen unserer Versicherten nach.“ Eine Benachteiligung des Gesundheits-Standortes Deutschland befürchtet der Experte nicht.

Auch Heckenstaller stellte fest, dass Reha eine immer größere Rolle spiele. „Rehabilitation erhält die Leistungsfähigkeit eines Versicherten, reduziert Arbeitsunfähigkeitszeiten und Produktionsausfall“, so der Experte. Immer mehr Menschen seien sich der Bedeutung einer Reha-Maßnahme bewusst. „Reha wird einen festen Stellenwert in unserem System erhalten.“ Ein wichtiger künftiger Wettbewerbsparameter sei die Qualitätssicherung.

Er begrüßte, dass laut Reform ab 1. April 2007 nur noch qualifizierte Vertragsärzte Reha-Maßnahmen verschreiben dürften: „Hier hat die Regierung hervorragende Arbeit geleistet.“ Kritik äußerte er allerdings an dem Finanzierungskonzept. „Der Gesundheitsfonds ist ein Fonds, den niemand will“, so Heckenstall. Pünktlich zur Einführung am 1. Januar 2009 werde die Ernüchterung kommen. „Dann wird die einheitliche Beitragssituation dazu führen, dass die Diskussionen nur noch über die Preisschiene laufen, nicht mehr über die Qualität.“

Außerdem sprach sich Heckenstaller für das Konzept der integrierten Versorgung aus: „Die Kombination ambulanter und stationärer Reha ist das Modell der Zukunft.“ Reha werde immer wichtiger für Krankenhäuser, denn durch sie wachse die Effizienz der Akutversorgung. Noch seien nicht alle Möglichkeiten der integrierten Versorgung ausgeschöpft. Da auch unter den Menschen das Gesundheitsbewusstsein wachse, müsse das Leistungsangebot an den Markt und an das sich verändernde Bild der Bevölkerung angepasst werden. „Man trägt besser auf zwei Schultern als auf einer.“

Mit der Reform sei die Regierung auf wesentliche Forderungen des Bundesverbands deutscher Privatkrankenanstalten (BDPK) eingegangen und habe die Position der Reha gestärkt, wie dessen Geschäftsführer Thomas Bublitz auf dem Kongress erklärte: Nicht nur würde Reha nun zur Pflichtleistung, alle Leistungen würden auch im Risikostrukturausgleich berücksichtigt. Zudem müssten jetzt die Krankenkassen für die Kosten einer externen Qualitätssicherung aufkommen. „Damit hat die Reha eine reale Chance.“

Er vermisse allerdings in den Zugangsverordnungen die negative Erfolgsprognose für weitere Leistungen der ambulanten Krankenbehandlung. „Wenn ich doch schon weiß, dass eine Leistung nichts bringt, dann sollte ich doch ebenso darauf verzichten oder direkt eine Reha-Maßnahme verordnen dürfen.“

Auch auf die Risiken der Reform wies Bublitz hin: „Noch wissen wir nicht, ob das Gesetz sinnvoll angewendet oder wie sich der Fonds auswirken wird.“ Auch sei noch unklar, ob es durch unterschiedliche Preise auch unterschiedliche Leistungen und damit eine ZweiKlassen-Reha geben werde.

Dierk Neugebauer von der Barmer Ersatzkasse Bayern kritisierte, der Gesetzgeber habe bei der Reform das Thema Vorsorge vernachlässigt. Diese Maßnahmen seien noch immer Ermessensleistungen und flössen zudem nicht in den Risikostrukturausgleich ein. Auch er betrachtet den Gesundheitsfonds skeptisch: „Der Fonds erzeugt einen großen Wettbewerbsdruck. Er kann zur Folge haben, dass der Wettbewerb nur noch über die Prämie stattfindet.“ Eine Krankenkasse müsse sich dann selbst tragen. Alle weiteren Punkte der Reform, so sagte er, stärkten jedoch die Rehabilitation.

Skepsis herrscht auch unter den Klinikbetreibern. Wie Dr. Thomas Wessinghage, ärztlicher Direktor der Reha-Klinik Damp, zu bedenken gab, seien die Rahmenbedingungen nur scheinbar gut: „Viele Reha-Anbieter lehnen sich nun zurück und meinen, sie seien ja nun im Leistungskatalog enthalten. Aber die Frage lautet doch: Stellen die Kostenträger auch die Mittel zur Verfügung?“

Er prognostizierte, dass der Bedarf an Reha immer weiter steigen werde. Nicht nur werde es immer mehr alte und kranke Menschen geben, immer mehr Personen werden auch nach den aktuellen Kriterien in Reha-Einrichtungen eingewiesen werden können. „Was wir brauchen, ist ein gesamtwirtschaftlicher Nachweis der Effizienz einer Reha-Maßnahme. Eine Return-to-work-Quote reicht mir nicht. Ich will einen Nachweis über das Leistungsverhalten vor und nach der Reha.“ Er sprach sich deshalb für eine stärkere Vernetzung zwischen Auftragnehmern, Kostenträgern, Hilfswerken und Arbeitgebern aus. „Wir müssen gemeinsam Wiedereingliederungshilfe leisten, mehr in Richtung Prävention anbieten und schließlich auch die Menschen zum Umdenken anregen.“

Der Kongress tagt noch bis heute Abend im Münchener Holiday Inn Hotel. Der Veranstalter IIR zählt über 200 Teilnehmer aus Deutschland und der Schweiz. Über 20 Experten, darunter Klinikbetreiber, Kostenträger und Politiker, erörtern in Vorträgen und Diskussionen aktuelle Entwicklungen, Probleme und Lösungen in der stationären und ambulanten Rehabilitation.

Dem Kongress ist eine Fachausstellung angeschlossen, in der sich folgende Anbieter präsentieren: Fresenius Netcare GmbH, Beratungsgesellschaft im Gesundheitswesen, CORTEX Software GmbH, MediTec GmbH, Wellsystem GmbH, 3M Health Information Systems, SWM Versorgungs GmbH, Stadtwerke München, Staun GmbH, Rehaklinik Bellikon und proxomed Medizintechnik GmbH.

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Romy König IIR Deutschland GmbH

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