Kompetenzen stärken, Qualifikationen verbessern, Potenziale nutzen!

Berufliche Bildung von Jugendlichen und Erwachsenen mit Migrationshintergrund verbessern:

„Berufliche Bildung von Jugendlichen und Erwachsenen mit Migrationshintergrund“ lautet das Thema der Fachtagung, die vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) am 23. November 2005 in Bonn durchgeführt wird. Ihr Motto „Kompetenzen stärken, Qualifikationen verbessern, Potenziale nutzen“ benennt zugleich das Programm der Veranstaltung: Auf der Grundlage neuester Forschungsergebnisse aus dem BIBB soll die aktuell geführte Debatte um die Probleme junger und erwachsener Migranten/innen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung aufgegriffen und gemeinsam mit Fachleuten diskutiert werden. Betont werden sollen dabei auch die spezifischen Potentiale der Migranten/innen, die bisher selten positiv wahrgenommen werden: Ihre interkulturellen Kompetenzen, das heißt ihre muttersprachlichen Fähigkeiten und ihre Vertrautheit mit einer anderen Kultur sind ein „Plus“, das sie bewusst in ihr berufliches Handeln einbringen können und das von den Betrieben genutzt und gefördert werden sollte.

Ergebnisse des BIBB-Forschungsprojekts „Interkulturelle Kompetenzen junger Fachkräfte mit Migrationshintergrund: Bestimmung und beruflicher Nutzen“ zeigen z.B., dass die Erstsprache der Migranten/innen sowohl in internationalen Berufsfeldern, z.B. bei Kaufleuten im Außenhandel, aber ebenso in Arztpraxen oder im Einzelhandel sinnvoll eingesetzt werden kann. Sprachkenntnisse sowie Kenntnisse des kulturellen Hintergrunds helfen dabei, sich mit ausländischen Kunden oder Patienten nicht nur problemlos sprachlich zu verständigen; verstanden wird auch, was „zwischen den Zeilen“ mitgeteilt wird. Fachkräfte mit Migrationshintergrund können besser als Einheimische in verschiedenen Gesprächssituationen – von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Geschäftsabschluss oder beim Schlichten von Konflikten – Situationen einschätzen und Vertrauen herstellen.

Vorgesetzte diese Kompetenzen nicht immer zu schätzen wissen, obwohl ihr Nutzen für die Betriebe klar erkennbar ist. Der Migrationshintergrund wird weniger als Vorteil sondern vielmehr als Defizit gesehen. Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Betroffenen selbst: Auch sie sind sich ihres „Plus“ nicht ausreichend bewusst – interkulturelle Kompetenzen werden bei Bewerbungen nur von einem Teil von ihnen benannt. Erforderlich ist daher, bei allen Beteiligten den Blick auf die speziellen Kompetenzen von Personen mit Migrationshintergrund zu lenken und die Wahrnehmung ihrer Möglichkeiten zu fördern.

Doch vor der Berufstätigkeit kommt die Berufsausbildung – und auf diesem Weg stoßen viele junge Menschen mit Migrationshintergrund auf erhebliche Schwierigkeiten. Nach einer gemeinsam vom BIBB und der Bundesagentur für Arbeit (BA) durchgeführten Untersuchung bei Lehrstellenbewerbern/innen, die sich 2004 bei der BA gemeldet hatten, fanden von den Bewerbern/innen mit Migrationshintergrund nur 29% einen betrieblichen Ausbildungsplatz – bei den einheimischen Bewerbern/innen waren es 40%; bestehen unterschiedliche Chancen auch dann, wenn Bewerber/innen mit Migrationshintergrund über den gleichen Schulabschluss wie einheimische Mitbewerber/innen verfügen. Während von den Bewerbern/innen mit Hauptschulabschluss aus Migrantenfamilien 25% einen Ausbildungsplatz fanden, lag die Quote bei einheimischen Schulabgängern/innen mit Hauptschulabschluss bei 29%. Noch stärker ausgeprägt sind diese Unterschiede bei Absolventen/innen mit mittlerem Abschluss: Während von den Realschulabsolventen aus Migrantenfamilien nur 34% einen Ausbildungsplatz fanden, waren es bei der deutschen Vergleichsgruppe 47%.

Auf der Grundlage der Berufsbildungsstatistik hat das BIBB die Ausbildungsquote von Jugendlichen deutscher und ausländischer Nationalität analysiert. Danach hatten im Jahr 2004 72.100 Aus-zubildende einen ausländischen Pass; d.h., lediglich 25% aller ausländischen Jugendlichen befanden sich in einer dualen Ausbildung, während gleichzeitig die Ausbildungsbeteiligungsquote deutscher Jugendlicher bei 59% lag und damit mehr als doppelt so hoch war. Die Aussichten junger Menschen ausländischer Nationalität auf eine berufliche Ausbildung haben sich danach seit Mitte der 90er Jahre deutlich verschlechtert. Ihre Ausbildungsquote sank von 34% in 1994 auf 25% in 2004.

Folge des schwierigen Zugangs zu einer vollqualifizierenden Ausbildung: Junge Menschen mit ausländischem Pass bleiben überproportional häufig ohne einen anerkannten Berufsabschluss. Im Jahr 2003 hatten 37% der 20 – 29 jährigen Erwachsenen ausländischer Nationalität keinen anerkannten Berufsabschluss – 11% betrug dieser Anteil bei jungen Deutschen.

Soll diese Gruppe nicht dauerhaft aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt werden, muss jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss eine zweite Chance gegeben werden, diesen in einer abschlussbezogenen Nachqualifizierung nachträglich zu erwerben. Dabei sollten die Maßnahmen zur Nachqualifizierung sowohl an dem Bedarf junger Erwachsener als auch an ihren informell erworbenen Kompetenzen bzw. vorhandenen Teilqualifikationen ansetzen.

Lehrkräfte in der beruflichen Weiterbildung sind bei dieser beruflichen Qualifizierung der Migranten/innen in besonderer Weise gefordert, wenn die Teilnehmerstruktur ihrer Kurse gemischt ist und Einheimische und Zuwanderer zusammen lernen. Wie das Forschungsprojekt des BIBB zu den „Anforderungen an das Lehrpersonal in der beruflichen Weiterbildung von Lerngruppen mit Teilneh-menden deutscher und anderer Herkunft“ (vgl. BIBB-Pressemitteilung 43/2005, aufgeführt in der nachfolgenden Linkliste) gezeigt hat, muss das Lehrpersonal für diese Aufgabe nicht nur speziell qualifiziert werden. Zusätzlich zur Qualifizierung sollten Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den fachlichen Anforderungen der Kurse entsprechen und ihren positiven Verlauf beeinflussen: Strukturelle Aspekte wie die Regelung des Kurszugangs und die Dauer der Kurse sind die Grundlage der Arbeit des Lehrpersonals.

Weitere Informationen zum Thema auf den Internet-Seiten des BIBB:

  • Programm der Tagung „Kompetenzen stärken, Qualifikationen verbessern, Potenziale nutzen. Berufliche Bildung von Jugendlichen und Erwachsenen mit Migrationshintergrund“ unter www.bibb.de/de/1427.htm
  • Materialien aus dem BIBB zur „Berufsbildung von Migranten/innen“ unter www.bibb.de/tagung-migranten2005
  • Gesprächskreis Migration und Integration der Friedrich-Ebert-Stiftung unter www.fes.de/aspol

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Dr. Ilona Zeuch-Wiese idw

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