Neues und Wegweisendes aus der Anorganischen Chemie

Die Anorganische Chemie präsentiert sich auf ihrer diesjährigen Vortragstagung der Wöhler-Vereinigung, einer Fachgruppe der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), erstmals international: Ausgewählte deutsche, schweizerische und holländische Experten berichten vom 15. bis 17. September in Marburg über Neues und Wegweisendes aus der Forschung. Eine weitere Premiere anlässlich der Tagung ist die Verleihung des Wöhler-Nachwuchspreises, der von sieben Chemiefirmen gestiftet wurde, an zwei hervorragende Jungforscher. Die Themen der Vorträge und Poster überstreichen einen breiten Bogen: von spektakulären Metalloxidkatalysatoren, über die Synthese von nanoskopischen Festkörpern und Riesenmolekülen, bis hin zu raffinierten Verfeinerungen von etablierten Mineralien wie den Zeolithen, die nicht nur als Ionenaustauscher in der Waschmittelindustrie bereits von großer Bedeutung sind.

Zeolithe sind auch ein „Dauerbrenner“ für Energiespeicher, neuerdings als Speichermedium für Sonnenenergie. Mit Hilfe der Zeolithe können aber auch Funktionen des Lichtenergie-sammelnden Chlorophylls in Pflanzen nutzbringend nachgestellt werden. Letzteres geschieht in den Hohlräumen des mikroporösen Materials Zeolith-L, das zylindrische Hohlräume in der Größe von 30 bis zu 7000 Nanometern (1 Nanometer ist ein Millionstel Millimeter) ausbildet, in denen Farbstoffmoleküle untergebracht werden können. Die Kanäle lassen sich anschließend mit anderen Molekülen verschließen. Innerhalb der Kanäle liegen die Farbstoffe als Supramoleküle vor, in denen die eingestrahlte Energie strahlungslos zum Ende des Zylinders oder zu einem gewünschten Zentrum, einem Energieakzeptor, transportiert wird, an den man ein externes elektronisches Bauelement anschließen kann.

Ein anderes, spektakuläres opto-elektronisches Bauelement, das Licht im sichtbaren Bereich emittieren kann, sind in Zeolith-A-Käfigen eingeschlossene Silbersulfid-Monomere und Dimere. Nur in dieser Form ist Silbersulfid in der Lage zu leuchten.

Nanostrukturierte anorganische Materialien mit interessanten Eigenschaften, sogenannte Funktionsmaterialien wie Farbpigmente, Magnetpigmente, transparente leitfähige Oxide oder Leuchtstoffe, stehen ebenfalls im Mittelpunkt des Interesses der anorganischen Chemiker. In Marburg werden mögliche Synthesewege aufgezeigt, um die gewünschte Teilchengröße und Oberflächenstruktur zu erhalten. Die Synthese kann zum Beispiel in Polyolen, hochsiedenden polaren Flüssigkeiten wie Diethylenglykol, erfolgen, um nanoskalige (unter 100 Nanometer Größe) und monodisperse (also aus möglichst gleichgroßen Teilchen bestehende) Feststoffe zu erhalten.

Die Entwicklung von neuen Katalysatoren ist ein weiteres, spannendes Kapitel nicht nur für Anorganiker. In Marburg wird auch auf die Bedeutung der homogenen Katalyse für die Industrie eingegangen. Bei der homogenen asymmetrischen Katalyse können beispielsweise neuartige Stickstoff-Liganden eine wichtige Rolle spielen, die die metall-zentrierte Reaktivität gezielt beeinflussen können und das molekulare Verständnis katalytischer Prozesse fördern. Auf Basis neuerer Untersuchungen hierzu wurde eine neue Klasse von Rhodium-Komplexen als effiziente Katalysatoren entdeckt. Auch neue nanostrukturierte Oxid-Katalysatoren werden in Marburg vorgestellt, die die nach wie vor bestehende Kluft zwischen Heterogen- und Homogenkatalysatoren überbrücken. Neue Homogenkatalysatoren der Seltenerd-Metalle eröffnen erstmals die Möglichkeit, durch die stereoselektive Hydroaminierung chirale Amin-Verbindungen zugänglich zu machen, die als Wirkstoffzwischenstufen in der Pharmaindustrie bedeutsam sind. (Bei der heterogenen Katalyse ist der Katalysator ein Feststoff und die reagierenden Substanzen befinden sich in einer Lösung oder in der Gasphase, wie beispielsweise beim Autokatalysator. Bei der homogenen Katalyse läuft die Katalyse in einer Phase, also beispielsweise in Lösung ab.)

Ein Schlüsselelement der anorganischen Chemie ist das Silizium, ohne das es die Mikroelektronik und damit das Computerzeitalter nicht gäbe. Siliziummaterialien stehen nach wie vor im Brennpunkt der anorganischen Forschung, um die mikroelektronischen Bauteile weiter zu optimieren.

Weitere hervorragende Arbeitsgebiete der Anorganischen Chemie werden in Marburg durch Beiträge zu ungewöhnlichen Cluster-Verbindungen, intermetallischen Verbindungen, Keramiken aus Bor- und Stickstoffatomen oder die Biomineralisation repräsentiert. Von besonderem Interesse, weit über die Anorganische Chemie hinaus, ist auch das detaillierte Verständnis von Metall-DNA-Wechselwirkungen. Die Wissenschaftler untersuchen diese im Hinblick auf die Entwicklung neuer metallhaltiger Antitumormittel nach dem bekannten Vorbild von Platinkomplexen, die gegen Prostatakrebs erfolgreich eingesetzt werden.

Der Nachwuchspreis der Wöhlervereinigung für Anorganische Chemie in Höhe von 5000 Euro geht 2004 zu gleichen Teilen an Dr. Stefanie Dehnen, Universität Karlsruhe, für eine neue Generation von molekularen Materialien für optoelektronische und magnetische Anwendungen und an Dr. Kai Carsten Hultzsch, Universität Erlangen-Nürnberg, für die Entwicklung neuer hocheffizienter Katalysatoren.

Media Contact

Dr. Renate Hoer idw

Weitere Informationen:

http://www.gdch.de

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