Internationaler Tag der Biodiversität

Der 22. Mai 2004 wurde zum „International Day for Biological Diversity“ ausgerufen durch das Sekretariat des Übereinkommens über die Biologische Vielfalt (CBD). Die Bundesrepublik Deutschland ist Signatarstaat des internationalen Abkommens und hat sich damit zum Schutz von Leben und zu einem nachhaltigen Management der Vielfalt des Lebens verpflichtet mit dem weltweiten Ziel, für ein verbessertes Angebot an Nahrung, Wasser und für die Verbesserung der Gesundheit zu sorgen. Im Nachgang gibt es zahlreiche Initiativen von Verbänden oder privater Seite, z. B. auch den vom Magazin GEO eingeführten Tag der Artenvielfalt Anfang Juni.

Biodiversität: Inhalt, Bedeutung, Umgang

Die neue Beschäftigung mit Biodiversität ist eigentlich nur die Wiederentdeckung einer der längst bekannten Grundeigenschaften des Lebens. Merkmale des Lebens sind außerdem seine spezifische Struktur und sein Stoffwechsel, die Regeneration und Fortpflanzung, die Reizbarkeit. Eigenschaften, die vereinzelt auch schon im Unbelebten auftreten, jedoch durch die unglaubliche Komplexität des Lebens eine neue Qualität erhalten.

Leben tritt auf allen seinen Ebenen „gequantelt“ auf. Es überzieht nicht als einheitliche schleimige Masse die Erde, wie mancher science fiction Roman von fernen Planeten beschreibt. Vielfältige Einheiten sind die Moleküle und Stoffwechselwege, unterschiedlich differenziert sind die Zellen und sehr verschieden die einzelligen Pflanzen, Tiere und Pilze. Die Vielzeller sind individuell verschieden und ihre Reproduktionsgruppen, die Arten, sind Legion: 2 Mio sind bereits beschrieben, über 20 Mio werden vermutet. Vielfalt herrscht auch bezüglich der Lebensgemeinschaften und der Teile des irdischen Ökosystems. Der Vielfalt außerirdischen Lebens sehen wir gespannt entgegen.

Dies führt zum Konzept der Kompartimentierung: Die Einheiten Organelle, Zellen, Tier- und Pflanzenkörper, Lebensgemeinschaften sind Kompartimente, die von ihrer Umgebung einerseits abgetrennt sind, andererseits mit ihr kontrolliert in einem Austausch von Stoffen, Energie und Information stehen.

Eine wichtige Größe für die Biodiversität ist das Kompartiment „Art“ und – damit verbunden – die Vielfalt der Arten. Die hohe Zahl der Arten entspricht einer allgemeinen Strategie, die das Leben mit seiner Vielfalt, seiner hohen Variabilität, anwendet. Die Vielfalt der Arten

ermöglicht einerseits, eine maximale Anzahl von Lebensräumen und ökologischen Nischen zu besiedeln und auf diese Weise möglichst viele unterschiedliche Ressourcen zu nutzen. Sie garantiert andererseits, dass bei Störungen (z.B. Asteroidenschlag, Klimawechsel, Habitatveränderung) rein statistisch zumindest ein Teil der jeweiligen Arten überleben kann.

Die Erdgeschichte kennt bisher, neben vielen kleineren, fünf große Katastrophen, nach denen sich das globale Ökosystem wieder erholen musste, im Prinzip gleich, in Einzelheiten erheblich verschieden.

In Deutschland sind etwa 80.000 Arten von Einzellern (ohne Bakterien), Pflanzen, Pilzen und Tieren registriert. Die genauen Zahlen stehen nicht fest, weil hierzulande Forschung über die Organismen fast ein Jahrhundert lang sträflich vernachlässigt wurde.

Biodiversitätsforschung untersucht:

· Die Wege der Entstehung und die Muster von Biodiversität: Systematik mit den Zweigen Genetik und Phylogenetik (Kausalforschung) sowie Taxonomie (Klassifizierung, Definition und Verwaltung der Arten für die Praxis).

· Die Verteilungsmuster und die Ursachen der unterschiedlichen quantitativen und qualitativen Verteilung der Arten über die Erde (Ökologie).

· Die Grundlagen für den Schutz und für die nachhaltige Nutzung von Biodiversität durch den Menschen.

Der letztgenannte Punkt, die nachhaltige Nutzung, verdient besondere Beachtung. Unsere bisherige Nutzungsweise ist grobschlächtig und häufig nicht nachhaltig, d. h. auf langfristige, angepasste Nutzung abgestellt. Oder sie läuft falschen Zielen nach, indem ein vordergründiger Nutzen durch erhebliche Nachteile in anderen Bereichen erkauft wird. Hier gibt es noch viel zu lernen. Es ist an der höchsten Zeit, auch für die Forschung, nicht wieder an der internationalen Entwicklung vorbei zu planen, sondern mehr Augenmerk der Vielfalt der Pflanzen und Tiere auch auf der Ebene der Arten und der Lebensgemeinschaften zu schenken.

Prof. Dr. Ragnar Kinzelbach
Allgemeine & Spezielle Zoologie
Zoologische Sammlung
Institut für Biodiversitätsforschung
Universitätsplatz 2, 18055 Rostock
Tel. 0381/498-6260, Fax -6262

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